Mobutus deutsche Orgel

Der katholische Priester Abbe Egide
© epd-bild/Birte Mensing
Der katholische Priester Abbe Egide auf der ehemaligen Orgelempore in der kongolesischen Stadt Gbadolite. Er habe sich Gott nie mehr so nah gefühlt wie damals, als die Orgel noch spielte, erinnert sich der Geistliche.
Vom Hunsrück in den Regenwald
Mobutus deutsche Orgel
Alles in der kongolesischen Stadt Gbadolite ist mit dem einstigen Diktator Mobutu verbunden. Er baute den Heimatort seiner Familie zur zweiten Hauptstadt aus, voll Pomp und Glanz. Und zur Krönung: eine deutsche Orgel.

Es ist eine abenteuerliche Geschichte, und um sie zu erzählen, muss man eine abenteuerliche Reise unternehmen. Die Geschichte beginnt mit einem Anruf im Jahr 1987. Der Botschafter von Zaire, so hieß die Demokratische Republik Kongo damals, rief beim Orgelunternehmen Oberlinger im rheinland-pfälzischen Windesheim an. Im Namen des Präsidenten und Diktators Mobutu Sese Seko bestellte er eine Orgel.

Die sollte am besten wenige Wochen später schon zu hören sein, zum 10. Todestag von Mobutus erster Frau Marie Antoinette. So schnell kann keine Orgel gebaut werden, aber die Firma nahm den Auftrag an. Und ein Jahr später wurden Star-Organisten nach Gbadolite zum Einweihungskonzert eingeflogen.

Gbadolite liegt im Norden Kongos, es ist die Heimat des 1997 gestürzten Diktators, der das Land mehr als 30 Jahre lang beherrschte. "Versailles des Dschungels" wurde die Stadt auch genannt. Dort ließ Mobutu Paläste errichten, Parkanlagen, und eine Orgel in der Kirche durfte nicht fehlen.

Die Reise dorthin beginnt heute wie damals in Kinshasa. Die Millionenstadt am Fluss Kongo ist das Wirtschaftszentrum des Staates. Und fast alle anderen wichtigen Städte sind auf dem Landweg nur in mehrwöchigen Reisen zu erreichen. Das Land ist sechsmal so groß wie Deutschland.

Verschwundenes Leben

Nach Gbadolite fliegt einmal in der Woche eine Propellermaschine des humanitären Flugprogramms der Vereinten Nationen. Nach Stationen an kleinen nationalen Flughäfen landet der Flieger auf Mobutus internationalem Flughafen. Die goldenen Kacheln an der leeren VIP-Empfangshalle erinnern an vergangenen Glanz.

Der kenianische Pilot David Kinuthia am Flughafen von Gbadolite, im Norden des Kongo. Sein Flug ist der einzige, der Passagiere heute noch in die Stadt an der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik bringt.

Egide Mbimba wartet schon am Flughafen. Der 62-Jährige trägt ein bunt besticktes Hemd, auf der Brust ein Holzkreuz, auf dem Kopf ein blaues Käppi. Er ist katholischer Priester und wird deswegen Abbé Egide genannt. Er ist in der Gegend aufgewachsen und war - weil sein Vater aus dem gleichen Dorf kam wie die zweite Frau Mobutus - immer wieder nah dran an Mobutus Prunk in den 1980er Jahren. Er schwärmt davon, wie lebendig Gbadolite war, als die Coca-Cola-Fabrik hunderte Kästen am Tag befüllte, Mobutus privates Vier-Sterne-Hotel von Gästen wie dem französischen Präsidenten Valery Giscard d‘Estaing bewohnt war.

Höhepunkt der Dekadenz

Sonntags um 11 Uhr machte er sich damals auf den Weg zur Kapelle Marie la Misericorde, um der Orgel zu lauschen. "Wir waren alle überwältigt von der Schönheit des Instruments und den Gesängen der Kinder", erinnert sich Abbé Egide, ein hagerer Mann mit Brille und einem breiten Lächeln. Er habe sich Gott nie mehr so nah gefühlt wie damals, als die Orgel noch spielte.

Die Geschichte der Orgel in Gbadolite ist auch eine Geschichte über den Aufstieg und Fall von Mobutu. Sie war ein Höhepunkt der Dekadenz des Diktators mit der Leopardenfellmütze, der 1997 im Exil starb. Seine Gier nach Geld war legendär. "Kleptokratie" wurde sein System von Machtmissbrauch und persönlicher Bereicherung genannt.

Nur noch eine Ruine

Der Westen hatte geholfen, Mobutu an die Macht zu bringen und seine Macht zu verteidigen. Der US-Geheimdienst CIA war an der Ermordung seines Vorgängers, des Unabhängigkeitskämpfers Patrice Lumumba, beteiligt. Dass Mobutu seine Gegner foltern und verschwinden ließ, ignorierte man. Auch der ehemalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) hatte engen Kontakt zu Mobutu, die CSU-nahe Hanns-Seidel Stiftung finanzierte den Ausbau des präsidialen Krankenhauses und schickte Ärzte nach Gbadolite.

Nach der Vertreibung Mobutus wurde die Kirche geplündert und zerstört. Auch die Orgel verschwand spurlos.

Das ist lange her. Abbé Egide trauert heute vor allem der Kirche und der Orgel hinterher: "Alles ist zerstört", sagt der Geistliche, als er vor der Ruine der Kapelle parkt. Nur noch die Außenwände und das Metallgerüst, das einmal die Kirchendecke trug, sind übrig. Der rot-weiße Marmorboden ist noch größtenteils intakt, bunte Geckos huschen darüber. Unter dem Kreuz hängen zwölf Glocken im Metallgerüst.

Hoffnung auf bessere Zeiten

Die Treppen zur ehemaligen Orgelempore führen jetzt ins Nichts. "Die Orgel hat eine Leerstelle hinterlassen", findet Abbé Egide. Kurz nachdem die Orgel 1988 installiert worden war, kam der Zusammenbruch der Sowjetunion, der Kalte Krieg endete. Und damit hatte der Westen kein Interesse mehr an Mobutu als Verbündetem gegen den Kommunismus. Ohne diese Unterstützung konnte der Diktator sein Regime nicht aufrechterhalten.

Als 1997 die Rebellen um Laurent Kabila die Macht übernahmen, zerlegten sie alles, was Mobutu gehörte. Auch die Kapelle haben sie geplündert. Von der Orgel ist keine Spur mehr zu finden.

In den vergangenen Jahren hat Abbé Egide die Hilfsprojekte der Caritas in der Region koordiniert. Jetzt ist er wieder Gemeindepfarrer - und er hat eine Mission. Er will wieder eine Orgel nach Gbadolite bringen. Verbündete hat er im Chor der Kapelle, der bis heute mehrmals die Woche probt - Mobutus Lieblingslieder auf Latein und Französisch. Und weil Abbé Egide und die Menschen in Gbadolite wissen, dass Dinge, die unmöglich scheinen, mit Wille und Geld möglich gemacht werden können, haben sie Hoffnung. Sie hoffen darauf, dass wieder bessere Zeiten kommen für die Stadt. Und dass eine Orgel dann wieder ihre Dankeslieder begleitet.