Faeser: Einigung nicht um jeden Preis

Bundesinnenministerin Nancy Faeser
© David Young/dpa
Deutschland werde sich dafür einsetzen, Asylprüfungen bereits an den EU-Außengrenzen durchzuführen und dafür, dass Familien mit kleinen Kindern nicht in das Grenzverfahren kommen, bekräftigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
Neues EU-Asylsystem
Faeser: Einigung nicht um jeden Preis
Die EU-Innenminister unternehmen in Luxemburg einen neuen Versuch, eine Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg zu bringen. Der Ausgang ist ungewiss, der Druck hoch. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will keine Einigung um jeden Preis.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dringt auf einen Kompromiss bei der Reform des europäischen Asylsystems, ließ die Zustimmung Deutschlands zu den aktuellen Vorschlägen aber kurz vor Beginn der Verhandlungen offen. Für die Bundesregierung "stehen die menschenrechtlichen Standards ganz vorne", sagte sie am Donnerstag vor dem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg. Es liege ein Kompromiss auf dem Tisch, der sehr schwierig sei für Deutschland. "Es könnte eine Chance geben auf Einigung, aber nicht um jeden Preis."

Die EU-Innenminister beraten über eine geplante Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS). Die EU-Kommission hatte das Gesetzespaket bereits 2020 vorgeschlagen. Im April hatte Faeser erklärt, Deutschland werde sich dafür einsetzen, Asylprüfungen bereits an den EU-Außengrenzen durchzuführen. Sie kämpfe dafür, dass Familien mit kleinen Kindern nicht in das Grenzverfahren kommen, unterstrich sie am Donnerstag. Die Grenzverfahren sollen demnach Menschen aus Herkunftsländern mit einer Schutzquote von unter 20 Prozent durchlaufen.

"Das heißt, Familien aus Afghanistan oder Syrien kommen gar nicht ins Grenzverfahren", sagte Faeser vor Beginn des Treffens in Luxemburg. Personen, die auf ihrer Flucht durch einen sogenannten sicheren Drittstaat gereist sind, wären jedoch auch betroffen. Der Linken-Bundesvorsitzende und -Fraktionschef im Europaparlament, Martin Schirdewan, kritisierte den Vorschlag als "Sündenfall". Der Vorschlag der deutschen Regierung, Familien mit Kindern von diesen Grenzverfahren auszunehmen, sei nur "ein Feigenblatt".

Kritik kam auch von kirchlicher Seite: Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sagte auf dem evangelischen Kirchentag in Nürnberg: "Faktisch halten wir uns das Leid vom Leibe. Und das dürfen wir nicht."
Der Migrationsexperte Bernd Kasparek warnte ebenfalls vor den EU-Plänen. "Es geht darum, die überwiegende Mehrheit in Grenzverfahren zu überführen", sagte der leitende Mitarbeiter des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Viele Menschen werden keine Möglichkeit mehr haben, einen Asylantrag zu stellen."

Ob sich eine Mehrheit der EU-Staaten hinter die Gesetzesvorschläge stellen wird, gilt als offen. Der Druck auf die Innenminister, am Donnerstag zu einer Einigung zu kommen, ist aber groß. Faeser nannte ein einheitliches Asylsystem " wichtig, weil wir die Migrationslage nur gemeinsam bewältigen können". Ein Scheitern würde nach ihren Worten "zu nationaler Abschottung führen. Das will ich nicht."

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola drängte im Vorfeld des Treffens zur Eile. "Wir brauchen jetzt von allen EU-Ländern einen konstruktiven Ansatz und eine schnellstmögliche Entscheidung", sagte sie der Zeitung "Die Welt". Idealerweise solle sich die Runde noch an diesem Donnerstag einigen.
Die deutsche Vize-Präsidentin im EU-Parlament, Katharina Barley (SPD), sieht "die Innenministerinnen und -minister eigentlich zum Erfolg verdammt". Im Deutschlandfunk erläuterte sie: "Wenn wir es jetzt nicht schaffen, wird es in Zukunft mit Sicherheit nicht leichter."

Faeser dringt bei den Verhandlungen auch auf eine gerechtere Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU. "Wir haben sehr viele Geflüchtete aus der Ukraine, die sehr ungleich verteilt sind", kritisierte sie. Darum müsse mit der Reform eine bessere Verteilung in der EU vereinbart werden.