TV-Tipp: "Mordach – Tod in den Bergen"

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Donnerstag, 27. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Mordach – Tod in den Bergen"
Die Gegend spielt, wie in jedem Alpenkrimi, auch hier eine Hauptrolle. Die Bildgestaltung setzt sie wirkungsvoll in Szene. Ansonsten ist die Geschichte rund um einen Ermittler unter Mordverdacht einfach zu dünn für 180 Minuten, findet unser Autor.

Drogenhandel, Erpressung, schwere Körperverletzung: Es genügt nicht, wenn verdeckte BKA-Ermittler den Gangster bloß mimen, sie müssen Verbrechen begehen, um glaubwürdig zu sein. Drei Jahre lang war Cuma Ozan Teil eines arabischen Clans. Es ist ihm gelungen, bis in den innersten Kreis vorzudringen.

Der Einsatz endete mit einem Hinterhalt und der Ermordung des Sohnes vom Bandenboss, begangen von einem konkurrierenden Clan. Weil Ozan wie durch ein Wunder überlebt hat, fragt sich die Dienstaufsicht, ob er von dem Anschlag wusste.

Das klingt nach einem großen Thriller, der sicherlich das Potenzial für einen Zweiteiler hätte; aber "Mordach – Tod in den Bergen" erzählt eine ganz andere Geschichte. Die ist zwar ebenfalls interessant, doch in vielerlei Hinsicht eine Nummer kleiner.

Immerhin ist der Ansatz reizvoll. Nach dem Schock des Attentats hat sich der lebensmüde Ozan (Mehmet Kurtulus) auf eigene Faust eine Auszeit in den Bayerischen Alpen genommen, um darüber nachzudenken, ob er so weiterleben will, als er unversehens wegen Mordverdachts festgenommen wird: Eine junge Frau ist erschossen worden. Kurz zuvor sind die beiden miteinander gesehen worden; die Kugel stammt, wie sich später zeigt, aus Ozans Dienstwaffe.

Für Toni Brandner (Sarah Bauerett), Leiterin der Kleinstadtpolizei, gibt es keinen Zweifel an seiner Schuld, BKA hin oder her, zumal Ozan angesichts der DNS-Spuren schlecht leugnen kann, dass er Sex mit Laura Brunner hatte. Auf Anordnung von höherer Stelle soll die unerfahrene Polizistin nun ausgerechnet gemeinsam mit dem Hauptverdächtigen ermitteln, was sie für einigermaßen absurd hält.

Die Mordacher begegnen dem BKA-Mann mit unverhohlenem Hass und offenbaren ein erschreckendes Maß an Fremdenfeindlichkeit, das bis hin zu einem verharmlosend "Denkzettel" genannten Angriff geht; prompt versteht Toni ihre Welt nicht mehr. Ozan dagegen ist nicht überrascht und spricht vermutlich aus eigener Erfahrung, als er feststellt: "Menschen haben oft zwei Gesichter."

Dieser Handlungskern ist zwar nicht so aufregend wie die in kurzen Rückblenden angerissene Undercover-Ebene, birgt aber durchaus das Potenzial für ein fesselndes Krimidrama; spektakuläre Landschaftsbilder inklusive.

"Morbach" hat dennoch einen erheblichen Haken: 180 Minuten sind viel zu lang für diese im Grunde überschaubare Geschichte. Das Drehbuch präsentiert vom Vater des Opfers über den unehelichen Halbbruder bis hin zum Freund diverse Verdächtige, aber halbwegs fesselnd wird der Fall erst, als sich rausstellt, dass die lebenslustige Laura, die sich nach dem Münchener Studium in den Bergen wie eine Gefangene fühlte, eine Affäre mit einem aufstrebenden Politiker (Max von Pufendorf) hatte.

Davon abgesehen zieht sich gerade der zweite Teil, zumal sich einige Inhalte wiederholen. Das gilt vor allem für die Szenen mit Dominique Horwitz: Der alte Brunner ist der größte Unternehmer weit und breit, regiert die Gegend wie ein Fürst und macht Toni unmissverständlich klar, dass er ihre Polizeikarriere jederzeit beenden kann; außerdem will er den Tod seiner Tochter eigenhändig rächen.

Zweites Manko sind die darstellerischen Leistungen. Bei aller Freude über das TV-Comeback von Mehmet Kurtulus, der seine "Tatort"-Laufbahn (2008 bis 2011, ebenfalls als verdeckter Ermittler) einst beendet hat, um mehr Zeit für internationale Projekte zu haben: Viele der weiteren Mitwirkenden spielen mindestens eine Liga tiefer.

Seltsam auch, dass der Film nicht am Schauplatz, sondern in Südtirol gedreht worden ist. Das erklärt, warum keine einzige der Figuren Dialekt spricht und die Bayerischen Alpen aussehen wie die Dolomiten. Auch deshalb wirkt "Mordach" mitunter wie ein "Bozen-Krimi"; die Filme der gleichfalls von der ARD-Tochter Degeto verantworteten Reihe gehören donnerstags im "Ersten" im Vergleich etwa zum "Zürich-Krimi" zum schwächeren Teil des Angebots.

All’ das überrascht, denn mit "Kommissarin Lucas"-Schöpfer Thomas Berger (Buch) und dem vielfach ausgezeichneten Roland Suso Richter (Regie) waren zwei der Besten ihres Fachs am Werk. Wirklich sehenswert ist "Mordach" jedoch allein wegen der Bildgestaltung, für die wie zuletzt bei vielen Filmen Richters Max Knauer zuständig war; die Lichtarbeit ist stellenweise ein Genuss. Auch die Präsentation des Opfers im hellblauen Gebirgsbach zu Beginn ist ein morbides Kunstwerk.

Die Gegend spielt wie in jedem Alpenkrimi naturgemäß ohnehin eine weitere Hauptrolle. Für Krimispannung und Nervenkitzel sorgt allerdings allein die Musik von Michael Kadelbach. Teil zwei folgt am Samstag und steht bereits in der ARD-Mediathek.