Biotop für Schmetterling und Heupferdchen

Blühende Vielblättrige Lupine im Naturschutzgebiet in der Rhön
© epd-bild/imageBROKER/Frank Sommariva
Hier fühlen sich Insekten wohl - freie Bahn für die Selbstansiedlung von Wildkräutern und -blumen wie Färberkamille, kleine Wicken und die Vielblättrige Lupine.
Blühende Wiese statt Rasen
Biotop für Schmetterling und Heupferdchen
Ein kleines Gänseblümchen könnte der Beginn einer lebendigen Wiese werden. Allerdings merkt jeder, der sich vorgenommen hat, einen Rasen in eine Blühfläche zu verwandeln: Mit der Natur gärtnern ist nicht immer was für Faule.

Ein englischer Rasen ist unabdingbar für Golfplätze, auch als Zierde vor britischen Landhäusern macht er sich gut. Schließlich hat ihn ein Engländer erfunden: In seinem Essay "Von Gärten" plädierte der Philosoph und Staatsmann Sir Francis Bacon 1625 für einen Platz aus kurz geschorenem Rasen vor der Haustür von Renaissancefürsten. Bis heute legt London-Wimbledon seinen Tennisprofis feinsten Rasen zu Füßen.

Auf so einem Rasen lässt sich natürlich auch spielen und feiern, wenn man kein Landhausbesitzer oder Golfspieler ist. Aber so manchen treibt der Rasen im eigenen Garten mit seiner Pflegebedürftigkeit auch zur Weißglut. Und in den Augen seiner Kritiker sieht er sowieso aus wie ein Plastikteppich: steril, also tot.

Viel Leben ist ihm durch das ständige Mähen und Düngen ausgetrieben, auch durch Unkrautvernichtungsmittel. Das Moos samt Kleinstlebewesen wie Bärtierchen: wegvertikutiert. Nur Amseln und Stare finden noch ein paar Würmer. Für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge gleicht so ein Rasen einer Wüste: Ohne Nektar, ohne Pollen können sie hier nicht überleben. Heupferdchen und Käfer suchen das Weite. Bussarde allerdings finden im geschorenen und dichten - weil überdüngten - Gras Mäusebeute.

So mancher denkt sehnsuchtsvoll an den Kindheitsurlaub zurück, als die Wiesen hoch standen und vom Summen der Insekten erfüllt waren. Feuchtwiesen mit Kuckuckslichtnelken, Trollblumen und Großem Wiesenknopf. Fettwiesen mit Rotklee, Hahnenfuß und Wiesenkerbel, Glatthaferwiesen mit Glockenblumen, Labkräutern, Witwenblumen und Magerwiesen mit Schafgarbe, Margeriten und Wiesensalbei.

Furcht vor dem ersten Gänseblümchen

Schon das erste Gänseblümchen lässt manchen Kleingärtner um den "heiligen Zierrasen" fürchten. Dabei beginnt mit dem winzigen Korbblütler ein Kräuterrasen, aus dem eine lebendige Wiese werden könnte. "Wo das Schermesser nicht ständig strenge Auslese hält, findet sich nach kurzer Zeit mehr als ein Dutzend Wiesenblumen ein", erklärt der Biologe und Geowissenschaftler Bruno P. Kremer. Dazu gehört die immergrüne, krautige Kleine Braunelle.

Wer jetzt den Rasenmäher höher einstellt, seltener mäht und auf das Düngen verzichtet, wer unbewachsene, vertikutierte Stellen offen hält, schafft freie Bahn für die Selbstansiedlung von Wildkräutern und -blumen wie Färberkamille und kleine Wicken. "Wildpflanzen-Fans mag ein verwilderter Rasen dennoch eher als Sparversion einer Wiese erscheinen", erklärt die Wissenschaftsautorin Alexandra Rigos.

Wer nicht warten will, bis sich eine Wiese von selbst entwickelt, muss zu arbeitsaufwendigeren Maßnahmen greifen. Denn: "In einem dichtwüchsigen, verfilzten Rasen führt die Einsaat wünschenswerter Wiesenblumen nicht zum Erfolg", erläutert Kremer. Einer Neuansaat geht die Bearbeitung des Bodens voraus: die alte Rasennarbe entfernen, umgraben, fräsen, feinkrümelig harken. Wer eine artenreiche Magerwiese haben will, sollte noch eine zwei bis fünf Zentimeter dicke Schicht Sand auflegen und Kies einarbeiten, damit das Regenwasser besser ablaufen kann.

Erst danach stellt sich die Qual der Wahl einer geeigneten Saatgutmischung. Ungeeignet sind Mischungen mit Kornblumen und Klatschmohn. Sie sind an Getreidefelder gewöhnt. Im ersten Jahr blühen sie, dann verschwinden sie wieder. "Wer gern experimentiert, besorgt sich Samen robuster Wildblumen wie Margerite, Witwenblume oder Leimkraut und kultiviert sie vor", schlägt Rigos vor. Auch sollte der Anteil der Gräser in der Mischung nicht hoch sein. "Nur wenige Blütenpflanzen haben gegen ihre Konkurrenz eine Chance."

Kräuterwiese ist schön, macht aber auch Arbeit

Am besten also zuerst Kräuter und Blumen im April/Mai oder September von Hand aussäen, danach erst die Grassamen. Das aber bedeutet: keine fertige Samenmischung. Das macht wieder Arbeit, auch wenn nur drei bis fünf Gramm auserwählter Samen auf einen Quadratmeter kommen. Nach dem Feststampfen müssen sie feucht gehalten werden. Sobald sich die ersten Keimlinge zeigen, darf der Boden nicht austrocknen, damit sich Wurzeln bilden.

Eine junge Wiese sollte erstmals mit hoch gestellter Maschine gemäht werden, wenn die Pflanzen 10 bis 15 Zentimeter hoch sind. Später mäht man kleine Wiesen mit der Sense, große mit dem Balkenmäher. Aber nur zweimal im Jahr: im Juni nach der Hochblüte und im September/Oktober. Wer die Lust jetzt noch nicht verloren hat, kann sich mit dem Rasenmäher Schleichpfade durch sein wiedergewonnenes Kindheitsparadies bahnen.