TV-Tipp: "Wilsberg: Folge mir"

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18. März, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wilsberg: Folge mir"
Dass ARD und ZDF innerhalb von 14 Tagen jeweils eine Folge ihrer beliebten Krimireihen aus Münster zeigen, mag Zufall sein, aber die inhaltliche Parallele ist kurios.

Sowohl der "Tatort" mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers ("MagicMom") wie auch die "Wilsberg"-Episode "Folge mir" konfrontieren die Ermittler mit der Welt der Influencer. Die Kombination aus Krimi und Komödie ist in beiden Fällen ähnlich gut gelungen; das Drehbuch von "Wilsberg"-Debütantin Mariann Kaiser hat jedoch nicht nur pointierte Dialoge, sondern dank der philosophischen Exkurse von Kriminaloberkommissar Overbeck (Roland Jankowsky) auch etwas mehr Tiefgang zu bieten als die gagreichen Verbalscharmützel des "Tatort"-Duos. In "Folge mir" ist das Opfer zudem keine Influencerin, sondern eine Journalistin, die an einer für solche Geschichten obligaten "großen Sache" dran war. 

Nadja Königs Tod ist allerdings keine Überraschung: Wilsberg (Leonard Lansink) wird im Antiquariat von einer jungen Frau angesprochen, und weil Kumpel Ekki (Oliver Korittke) in das Gespräch platzt, schreibt ihr der Detektiv seine Festnetznummer in Ermangelung einer Visitenkarte kurzerhand auf den Unterarm. Als sie tags drauf tot am Fuß eines Gebäudes gefunden wird, ahnt Kommissarin Springer (Rita Russek) angesichts der Ziffern zu ihrem Leidwesen, dass ihr Freund Georg wieder mal in einen Mordfall verwickelt ist. Für den Detektiv ist es selbstredend eine Frage der Ehre, die Hintergründe aufzuklären, denn die Journalistin ist offensichtlich vom Dach gestoßen worden. Sie trägt die gleiche auffällige Jacke wie die mit ihren Lifestyle- und Gesundheitsvideos enorm erfolgreiche Bonnie von Laer (Johanna Ingelfinger) in einem ihrer letzten Videos. Die beiden Frauen waren befreundet, womöglich galt der Anschlag somit in Wirklichkeit der Influencerin; deshalb darf der Internet-affine Overbeck Bonnie nun als Bodyguard dienen.

Das ZDF-Publikum mag sich im Schnitt zwar im Großelternalter befinden, aber "Wilsberg" hat auch viele Fans im jüngeren Segment. Die Herausforderung für Kaiser bestand also unter anderem darin, einen Kompromiss zwischen Über- und Unterforderung zu finden, was dank des Zusammenspiels zwischen Bonnie und dem "Ovinator" ausgezeichnet funktioniert: Die beiden erweisen sich als perfektes Team, was auch für Ingelfinger und Jankowsky gilt. Gerade sie trifft als Kunstfigur den typischen Tonfall des Multiplikatorinnengewerbes perfekt. Dass die junge Frau schließlich in den Verdacht gerät, ihre Freundin vom Dach gestoßen zu haben, versteht sich fast von selbst; tatsächlich war die Journalistin drauf und dran, der Influencerin ein lukratives Geschäft zu vermasseln. 

Kaiser hat zuvor zwei Episoden für die ZDF-Reihe "Friesland" geschrieben. Die eine, "Bis aufs Blut" (2021), war nur mäßig heiter und in der Umsetzung zudem völlig unspannend, die andere, "Fundsachen" (2022), erfreute dagegen durch fein formulierte Dialoge und eine knifflige Story. Das gilt für "Folge mir" nicht minder, zumal die Autorin sämtliche Ensemblemitglieder schlüssig in die Handlung integriert. Im Hintergrund geht es um die Frage, ob auch Nahrungsergänzungsmittel unerfreuliche Nebenwirkungen haben können, im Vordergrund soll Ekki dem Finanzamt Münster zu einem besseren Image verhelfen, was Wilsberg gerade recht kommt: Jetzt hat er als Ekkis Begleitung einen Vorwand, um in einer PR-Agentur rumzuschnüffeln, die für einen internationalen "Healthfood"-Konzern arbeitet. Der wiederum hat die Kanzlei von Anwältin Tessa Tilker (Patricia Meeden) engagiert, die ihrerseits Wilsbergs Hilfe braucht, weil ihr ausgerechnet die Akte dieses wichtigsten Mandanten abhanden gekommen ist. 

Wie stets bei "Wilsberg" resultiert das eigentliche Vergnügen jedoch aus der Verknüpfung eines verzwickten Falls mit den etablierten Funktionen der verschiedenen Figuren; in dieser Hinsicht bietet "Folge mir" ein vergnügliches Wechselspiel aus erfüllten Erwartungen und kleinen Überraschungen. Regisseur Martin Enlen, seit zehn Jahren Mitglied der "Wilsberg"-Familie und ein zuverlässiger Garant für Unterhaltung auf hohem Niveau, hat die vielen Ereignisse des wendungsreichen Drehbuchs in einen jederzeit schlüssigen Handlungsfluss gebettet. Der Respekt gebührt jedoch vor allem Leonard Lansink, Rita Russek und Roland Jankowsky. 1998 ist "Wilsberg" zur Reihe geworden. Die drei sind in den 25 Jahren seither zu einem Team geworden, das sich vermutlich blind versteht, aber dennoch nicht in Routine erstarrt ist; das muss ihnen erst mal jemand nachmachen.