TV-Tipp: "Tatort: Hackl"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
12. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Hackl"
Ein Wutbürger ist laut Duden ein Mensch, der sich aus Enttäuschung über bestimmte politische Entscheidungen als sehr heftig protestierenden und demonstrierenden Bürger definiert.

"Spiegel"-Redakteur Dirk Kurbjuweit hat den Begriff zwar nicht erfunden, mit einem 2010 erschienenen Essay aber bekannt gemacht. Anfangs wurde die Bezeichnung beispielsweise im Zusammenhang mit den Protesten gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 verwendet, doch spätestens seit der Corona-Pandemie hat sie eine eindeutig negative Bedeutung. Dabei braucht die Gesellschaft solche Menschen als Sand im Getriebe, weil sie auf staatliche Bevormundungen hinweisen. Es sei denn, es handelt sich um Typen wie die militante Titelfigur dieses Krimis aus München: Johannes Bonifaz Hackl bekommt regelmäßig Ärger mit der Polizei, weil er schon mal mit dem Luftgewehr auf Tauben schießt oder seinen Mitmenschen das Smartphone aus der Hand schlägt. Als im Hochhausviertel Hasenbergl kurz nach Mitternacht ein Motorradfahrer stirbt, nachdem er zum wiederholten Mal innerhalb kurzer Zeit mit seiner lautstark knatternden Maschine unterwegs war, dauert es nicht lange, bis die Polizei wieder mal bei Hackl vor der Tür steht: Der junge Mann ist mit einem Laserpointer geblendet worden. 

Der mit vielen Film-, Fernseh- und Theaterpreisen geehrte Burghart Klaußner ist ein Schauspieler der eher leisen Töne. Am bekanntesten ist er vermutlich für seine Verkörperung des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, der in den Fünfzigerjahren einen nimmermüden Kreuzzug gegen nationalsozialistische Kriegsverbrecher geführt hat ("Der Staat gegen Fritz Bauer", 2015). Vermutlich hat ihm der boshafte Hackl, der Kinder mit Fischinnereien bewirft, gerade deshalb großen Spaß gemacht, denn von leisen Tönen kann bei seiner Interpretation dieser Rolle wahrlich keine Rede sein: Der Alte schreit, flucht und pöbelt. Nach seiner Verhaftung verletzt er auch noch eine Ermittlungsrichterin, die ihn prompt als "Zeitbombe" bezeichnet; trotz der Anwesenheit diverser Polizisten gelingt ihm die Flucht aus dem Präsidium. Anschießend zieht er sich buchstäblich in den Untergrund zurück.

Normalerweise wäre spätestens jetzt jegliche Sympathie auf dem Tiefpunkt angelangt, aber nun zeigt sich, warum Klaußner eine formidable Besetzung ist. Das Etikett "alter Grantler", in Bayern kein Schimpfwort, birgt ohnehin ein gewisses Wohlwollen, zumal Klaußner-Kollegen wie etwa Günther Maria Halmer oder Friedrich von Thun (letzterer vor allem in der ARD-Reihe "Zimmer mit Stall") stets dafür sorgen, dass sich das Empörungspotenzial ihrer entsprechenden Rollen nachvollziehen lässt. Davon ist der der stadtbekannte Querulant Hackl zwar weit entfernt, aber Mitgefühl weckt Klaußner dennoch, zumal Katharina Bischofs Inszenierung mehrfach optisch und akustisch verdeutlicht, wie sehr der alte Mann unter der Kakophonie seiner Umwelt leidet. Umso erschütternder ist das verzweifelte Fanal, das er schließlich setzt, umso berührender der befreiende Schluss. 

Geschickt bringt Dagmar Gabler in ihrem ersten Drehbuch für das Münchener Duo Leitmayr und Batic (Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec) eine zweite Figur ins Spiel, die als Gegenstück fungiert: Der 15jährige Jonas (Lorenzo Germeno) verbringt seine Freizeit am Computer, ist genauso einsam wie der alte Hackl und gerät ebenfalls in Mordverdacht, denn der verstorbene Adam Moser verkörperte aus Sicht seiner Mutter (Carolin Conrad) all’ das, was ihr dicklicher Sohn nicht ist. Das gilt allerdings für Adams jüngeren Bruder Alex (Aaron Reitberger) nicht minder. Dessen Alibi sorgt immerhin für einen verblüffenden und darstellerisch durchaus überzeugenden Gastauftritt eines ziemlich bekannten Fußballnationalspielers als cooler Fitnesstrainer und Influencer. Die Lust am Kontrast spiegelt sich auch in den Reaktionen der Kommissare: Leitmayr hätte jeden Grund für alle möglichen Vorbehalte gegen Hackl, der ihm einst eine heute noch sichtbare Narbe zugefügt hat, aber es ist Batic, der sich wiederholt von dem Alten provozieren lässt. 

Bleibt nur zu hoffen, dass die "Tatwaffe" niemanden auf dumme Ideen bringt. Seit rund 15 Jahren kommt es immer wieder vor, dass  Fußballspieler in den Stadien von Laserpointern geblendet werden. Das mag, von der Unsportlichkeit abgesehen, als grober Unfug durchgehen, aber ein leistungsstarkes Gerät, wie es in "Hackl" verwendet wird, kann unheilbare Netzhautverbrennungen verursachen; in vielen europäischen Ländern ist der Verkauf daher verboten.