TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Split vergisst nie"

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© Getty Images/iStockphoto/vicnt
2. März., ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Split vergisst nie"
Jeder Film ist eine Einladung zum Zeitvertreib, aber Krimis sind mehr: weil sie in den meisten Fällen zum Wettbewerb auffordern. Christoph Darnstädt, Schöpfer der "Kroatien-Krimis", hat die Story von "Split vergisst nie" sehr raffiniert eingefädelt.

Abgesehen vom "Columbo"-Muster, bei dem man weiß, wer die Tat begangen hat, resultiert der Reiz eines Krimis in der Regel aus der Behauptung von Autor oder Autorin, cleverer zu sein als das Publikum. Vermutlich liegt darin auch einer der Gründe für die Beliebtheit des Genres: weil es eine diebische Freude bereitet, dem Drehbuch auf die Schliche zu kommen. Christoph Darnstädt hat die Story von "Split vergisst nie" in der Tat derart raffiniert eingefädelt, dass tatsächlich erst spät zu erahnen ist, was sich in Wirklichkeit hinter dem Anschlag verbirgt, bei dem ein Investment-Banker aus Dubrovnik gestorben ist.

Die besondere Qualität der Geschichte liegt allerdings in der Verknüpfung mit der Gegenwart; die besten Episoden der Reihe waren ohnehin jene, in denen die Wunden des einstigen Bürgerkriegs bis heute präsent sind.

Die Handlung beginnt mit einer auffälligen Tätowierung auf dem Arm eines Hotelgastes. Der Mann am Empfang informiert mehrere Leute, darunter auch Borko Vucevic (Kasem Hoxha), einen der beiden Kollegen von Stascha Novak (Jasmin Gerat) bei der Mordkommission Split. Vucevic macht sich sofort auf den Weg und wird auf diese Weise Zeuge, wie das Auto von Ilija Rogur in die Luft fliegt. Er kann den Mann noch aus dem Wagen ziehen, aber Rogur ist bereits tot; Gattin Dana (Julie Engelbrecht) hat nur durch Zufall überlebt.

Die Spurensicherung findet heraus, dass unter dem Auto eine Granate angebracht war, und jetzt wird die Geschichte groß: Im November 1991 hat ein Kriegsschiff der serbisch dominierten jugoslawischen Marine die Altstadt von Split beschossen, und zwar mit Granaten just jenes Typs, der nun Rogur ins Jenseits befördert hat. Der Mann war damals Offizier auf dem Kriegsschiff, er hat seine kroatischen Matrosen gezwungen, ihre eigene Stadt zu bombardieren.

Für Novak ist die Sache klar: Irgendjemand hat gut dreißig Jahre später Rache genommen, einer der Matrosen vielleicht; oder Angehörige eines der Menschen, die damals umgekommen sind. Zur großen Verblüffung der Kommissarin führen ihre Ermittlungen mitten hinein in den Kreis der Kollegen, sogar ihr Chef (Max Herbrechter) scheint in den Fall verwickelt zu sein, jedenfalls unterbindet er prompt jede weitere Recherche in diese Richtung; aber nun zeigt sich Darnstädts ganze Klasse, denn die Spur in die Vergangenheit ist nur die halbe Wahrheit.

Natürlich spielen das Kriegstrauma und die damit verbundenen Wunden eine große Rolle. Ein Archivar spricht von "diesem ganzen verdammten Hass", der offenkundig noch immer in Vielen schlummert. Die entsprechenden Dialoge bieten gute Anknüpfungspunkte, schließlich haben die meisten Menschen Erinnerungen, die sie tief in sich verbergen, um sie vor sich selbst zu verstecken. Das gilt auch für eine Mitarbeiterin (Katrin Pollitt) des damals gezielt beschossenen Gemeindezentrums; ihre Aussage beschert dem Film eine von gleich mehreren verblüffenden Offenbarungen.

Der letzte Akt reiht ohnehin einen Knüller an den anderen: Vucevic ist nach Dubrovnik gefahren, weil er glaubt, dass Rogur Opfer eines Attentats der Mafia geworden ist; Sprengsätze sind schließlich ihre Spezialität. Das Finale ist gewiss nicht lustig, aber Darnstädt hatte garantiert ein großes Vergnügen daran, den Polizisten in typische "Saved by the bell"-Situationen zu bringen. Die englische Redensart bezieht sich auf Schüler:innen, die an die Tafel müssen, keine Ahnung haben und von der Schulglocke gerettet werden; auch Vucevic entgeht einer drohenden Hinrichtung gleich mehrfach, als im jeweils letzten Moment jemand an der Haustür klingelt.

Nun überschlagen sich die Ereignisse, wie es in Inhaltsangaben gern heißt, weil einige Masken fallen. Den größten Spaß hatte womöglich Julie Engelbrecht, die dank mehrerer Scharaden in diverse Rollen schlüpfen darf und hinter der Fassade der attraktiven trauernden Witwe einige Abgründe offenbart.

Apropos attraktiv: Es knistert ja schon seit einiger Zeit zwischen Rechtsmedizinerin Stevic und der Kommissarin; Sarah Bauerett spielt die gleichermaßen bloß angedeutete wie dennoch unübersehbare Verliebtheit der Ärztin sehr sympathisch. Wie üblich führt Novak wieder ein einseitiges Zwiegespräch mit dem Toten und stellt dabei zu ihrer Überraschung fest, dass Tätowierungen auch nicht mehr das sind, was sie mal waren.