TV-Tipp: "Tatort: Unten im Tal"

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12. Februar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Unten im Tal"
Die Landschaftsbilder wecken ein wohliges Unbehagen, die Handlung ist düster, die Einheimischen haben ausnahmslos etwas zu verbergen: Wenn der SWR Geschichten aus dem Schwarzwald erzählt, tun sich regelmäßig Abgründe auf.

Das galt für die herausragende Serie "Höllgrund" (2022) ebenso wie für das kürzlich ausgestrahlte Justizdrama "Die Verteidigerin", Auftakt zu einer möglichen Reihe mit Martina Gedeck; und das gilt selbstredend auch für den "Tatort".

Das Drehbuch von Nicole Armbruster, die für Tobler und Berg (Eva Löbau, Hans-Jochen Wagner) bereits die sehenswerte Episode "Rebland" (2020) geschrieben hat, erinnert stark an den Gedeck-Film. "Unten im Tal" handelt gleichfalls von einem einige Zeit zurückliegenden Verbrechen, das niemals aufgeklärt worden ist; aber alle glauben zu wissen, wer die damals spurlos verschwundene junge Rosa umgebracht hat. Als ihre Leiche bei Waldarbeiten entdeckt wird, rollt das Duo von der Kripo Freiburg den Fall wieder auf. 

Die Menschen im Dorf sind die gleichen wie damals, auch der Verdächtige von einst ist nach einem langen Gefängnisaufenthalt wieder da: Werner Tröndle (Aurel Manthei) war zehn Jahre im Gefängnis, weil er seine Freundin beim Streit im Vollrausch schwer verletzt hat. Entsprechend feindselig ist die Stimmung im Dorf, und auch das ist eine Parallele zu "Der Gesang des Raben", wie der Auftakt der Gedeck-Reihe hieß: Ständig wird der kürzlich entlassene Mann, der bloß zurückgekehrt ist, um sein Haus zu verkaufen, und das Dorf anschließend für immer verlassen will, provoziert und schikaniert. Auch Rosas Mutter (Inka Friedrich) ist überzeugt, dass Tröndle ihre Tochter auf dem Gewissen hat; sein Cousin, Rosas Vater (Cornelius Obonya), ist der einzige, der zu ihm hält.

Erneut befragen Tobler und Berg alle, die schon damals beteiligt waren; außerdem schauen sie sich die alten Videoaufnahmen der früheren Vernehmungen an. Auf diese Weise entwickelt sich die Handlung auf zwei Ebenen, die immer wieder ineinander übergehen: Rosa war fast noch ein Kind, als sie schwanger wurde. Ihre Eltern haben sie gezwungen, das Baby zu einer in Berlin lebenden Tante zu geben. An dem Tag, an dem sie verschwunden ist, wollte sie mit ihrem kaum älteren Freund Axel (Tonio Schneider) nach Berlin fahren; heute lebt Toni (Carlotta Bähre) bei ihren Großeltern.

Auf Bitten des Kripo-Duos ist auch Rosas beste Freundin Elif (Canan Samadi), mittlerweile Ärztin, in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Als sie ebenfalls stirbt, stehen Tobler und Berg vor einem kompletten Rätsel, und selbstredend fällt der Verdacht erneut auf Werner Tröndle, der tatsächlich zumindest in den damaligen Todesfall verwickelt war; wenn auch nicht, wie er beschwört, als Täter. 

Julia Langhof hat vor "Unten im Tal" zwar mehrere Kurzfilme, aber mit dem fürs Kino entstandenen Drama "Lomo – The Language of Many Others" (2018) über einen Jungen, der sein Dasein komplett im Netz publik macht, überhaupt erst einen Langfilm gedreht; es ist also ziemlich mutig vom SWR, der Regisseurin gleich einen "Tatort" anzuvertrauen.

Andererseits ist "Lomo"-Hauptdarsteller Jonas Dassler für seine Rolle mehrfach ausgezeichnet worden, und auch in ihrem ersten Fernsehfilm zeigt Langhof, wie gut sie gerade die jungen Ensemble-Mitglieder zu führen weiß. Eine weitere Hauptrolle spielt wie in allen SWR-Produktionen aus dieser Region die Landschaft; der erfahrene Kameramann Andreas Schäfauer hat für eine angemessen düstere Bildgestaltung und viele stimmungsvolle Szenen gesorgt.

Die winterliche Gegend ist auch wegen eines Wolfs, der schon mehrere Schafe gerissen hat, ein unwirtlicher Ort; Torsten Reibold hat mit seiner meist unheilvoll im Hintergrund dräuenden Musik einen passenden Klangteppich komponiert, auf dem die verhängnisvollen Ereignisse des zehnten Falls für Tobler und Berg ihren Lauf nehmen.

Besonders gelungen sind die verschiedenen Verknüpfungen von Gegenwart und Vergangenheit, erst recht, wenn eine Aktion aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt wird und sich dadurch buchstäblich ein neuer Blickwinkel ergibt. Basis dieser sehenswerten Gesamtleistung ist jedoch ein Drehbuch, das sich auch dank Langhofs Umsetzung oft mit Andeutungen begnügt. Die Parallele zwischen Tröndle und dem Wolf zum Beispiel kommt nur beiläufig ins Spiel: Beide sind im Dorf gleichermaßen unerwünscht, wie Straßenrandtransparente gegen das Tier und Flugblätter gegen den Ex-Häftling ("Hier ist kein Platz für dich") zeigen, und so entpuppt sich der Film mehr und mehr als Drama, zu dem alle Betroffenen ihren tragischen Teil beigetragen haben.