Seit 70 Jahren ein Hafen für Binnenschiffer

© epd-bild / Bernd Euler
Deutschlands einzige schwimmende Kirche wird 70 Jahre alt. (Archivbild)
Geburtstag der Flussschifferkirche
Seit 70 Jahren ein Hafen für Binnenschiffer
Die Hamburger Flussschifferkirche feiert am zweiten Advent 70-jähriges Bestehen. Bis 2007 war sie eine eigene Gemeinde. Immer sonntags ist an Bord der "Flusi" Gottesdienst.

Deutschlands einziges schwimmendes Gotteshaus wird 70 Jahre alt: Am zweiten Advent (4. Dezember) feiert die Hamburger Flussschifferkirche runden Geburtstag - mit Gottesdienst, Empfang und Konzert. Einen Motor hat der 1906 erbaute einstige Frachtkahn bis heute nicht, stattdessen verfügt das Schiff über Kreuz, Kirchenfenster, Altar und Orgel. Wollen Mitarbeitende wie Manfred Jahnke und Mark Möller zu den Binnenschiffern rausfahren, dann nehmen sie die Barkasse "Johann Hinrich Wichern".

"Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, muss die Kirche zu den Menschen kommen." So lautete das Motto des Hamburger Theologen Johann Hinrich Wichern (1808-1881), der als Begründer der Diakonie gilt und 1870 die Binnenschifferseelsorge gründete. Jahnke kennt die Hintergründe: Die Menschen, die im Hafen auf den Binnenschiffen arbeiteten, "hatten kaum die Möglichkeit, zu einem Gottesdienst zu kommen". Daher sei damals beschlossen worden, sie durch "aufsuchende Seelsorge" zu betreuen. Und so entsandte Wichern 1873 den ersten Hafenmissionar zu den Binnenschiffern. Heute ist Jahnke, der lange dem Vorstand des Fördervereins der Flussschifferkirche angehörte, einer dieser aufsuchenden Seelsorger.

Trotz der Fahrten zu den Binnenschiffern: Die damaligen Seelsorger hätten schnell gemerkt, dass es zusätzlich "einen Ort braucht, wo man sich sammeln kann", so Jahnke. Anfang der 1950er-Jahre "kam die Möglichkeit, dieses Schiff umzubauen und zu einer schwimmenden Kirche auszubauen." So wurde aus dem Frachtkahn, bei dem es sich laut Jahnke um einen Bremer Weserleichter handelt, ein Gotteshaus. Am 7. Dezember 1952, dem zweiten Advent jenes Jahres, weihte der damalige Landesbischof Simon Schöffel die Flussschifferkirche.

Die "Flusi" lag zunächst im Marktkanal, dann im Müggenburger Zollhafen auf der Veddel, später in der Billwerder Bucht in Rothenburgsort, seit 2006 ist sie im Binnenhafen vor der Speicherstadt (Hohe Brücke) zu Hause. Sonntags um 15 Uhr lädt sie zum Gottesdienst. Lange war sie eine eigene Kirchengemeinde, bis der damalige Kirchenkreis Alt-Hamburg sie 2007 aufgrund hoher Defizite an den 1998 gegründeten Förderverein übergab. Neben Hamburgerinnen und Hamburgern sind es "viele Touristinnen und Touristen, auch aus dem Ausland, die hierherkommen", berichtet Diakon Möller. Sie alle erfahren von den ehrenamtlich Mitarbeitenden der "Flusi", dass "der Hafen nicht nur ein Wirtschaftsraum ist, sondern dass sich da auch Menschen bewegen", so Möller.

Fahren Seelsorger mit der Barkasse "Johann Hinrich Wichern" zu den Binnenschiffern, dann sind diese in der Regel "sehr froh, dass wir kommen und dass sie einmal gesehen werden", sagt Möller. Es böten sich ihnen 20 bis 30 Minuten Auszeit, in denen es nicht ums Geschäftliche gehe und in denen sie mit anderen Menschen als immer nur mit ihren Kollegen ins Gespräch kämen.
Wer die Flussschifferkirche schon einmal besucht hat, wird das gute Gefühl kennen, das Möller so beschreibt: "Es schaukelt manchmal, es ruckelt, aber man ist getragen." Noch etwas mehr mag es schaukeln, wenn sich die "Flusi" trotz fehlenden Motors auf große Fahrt macht: 2009 wurde sie zum Kirchentag nach Bremen, 2017 zum Kirchentag nach Magdeburg geschleppt.

Wer möchte, kann auf der Flussschifferkirche heiraten oder sich taufen lassen. Sogar Seminare lassen sich auf ihr abhalten. "Das ist einfach ein super Ort, um mittendrin im Hafen zu sein", sagt Möller und betont, dass die "Flusi" nur existieren könne, "weil es hier viele Menschen gibt, die sich ehrenamtlich engagieren".