TV-Tipp: "Polizeiruf: Hexen brennen"

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30. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Polizeiruf: Hexen brennen"
Ein paar Stichwörter genügen, und schon formen sich vorm geistigen Auge die ersten Bilder. Der Abend vor Allerheiligen, Fackeln in der Nacht, grausige Morde, mittelalterliche Riten.

Aus der Grundidee zu "Hexen brennen" hätte ein Film mit viel Atmosphäre werden können, zumal Wolfgang Stauch eine Geschichte erzählt, die wohliges Gruseln auslöst; das Drehbuch schreit geradezu danach, mit allerlei Anleihen beim Horrorgenre umgesetzt zu werden. Außerdem enthält es einen sehr aktuellen Aspekt. Der Begriff "Femizid" fällt zwar nicht, aber darum geht es: Frauen werden ermordet, weil sie mutig und stark sind. Sie begehren gegen die Jahrtausende alte Unterdrückung auf und gehen ihren eigenen Weg. "Hexen brennen" ist daher im Kern ein Film über die Rückzugsgefechte alter weißer Männer, und tatsächlich treibt in "Hexen brennen" ein Patriarch sein Unwesen, der wie ein Fossil aus dem letzten Jahrhundert wirkt. 

Die Handlung beginnt mit diabolisch maskierten Gestalten, die vergeblich versuchen, zwei junge Mädchen zu erschrecken. Die beiden Pastorinnentöchter lassen sich allerdings nicht ins Bockshorn jagen, ebenso wenig wie Doreen Brasch (Claudia Michelsen), deren Weg sie fortan immer wieder wie zwei hilfreiche Geistwesen kreuzen werden. Die Hauptkommissarin aus Magdeburg ist von ihrem Chef, Kriminalrat Lemp (Felix Vörtler), in die Provinz geschickt worden: In der Asche eines der vielen "Hexenfeuer" in der Nähe des Brockens sind die verbrannten Überreste einer Frau gefunden worden. Das Opfer, Tanja Edler, ist unter Verwendung klassischer Folterinstrumente einen denkbar qualvollen Tod gestorben. Brasch nistet sich im örtlichen Gasthof ein und stellt alsbald fest, dass ein Riss durch die Dorfgemeinschaft geht: Rund ein Dutzend Frauen, angeführt von einer Ärztin (Yvonne Johna), findet sich regelmäßig zu heidnischen Ritualen zusammen; Tanja gehörte auch zu der Gruppe. Wortführer der maskulinen Gegenbewegung ist der Arzt Petersen (Michael Schweighöfer). "Plötzlich wird hier alles anders", rechtfertigt er seinen Unmut; Gattin Doris (Birgit Berthold) ist gleichfalls Mitglied des vermeintlichen Hexenzirkels. Als kurz drauf auch die Ärztin ermordet wird, erkennt Brasch, dass sie es mit einem Serientäter zu tun, denn die Handschrift ist die gleiche. 

Natürlich kosten Regisseurin Ute Wieland und die nicht minder erfahrene Kamerafrau Eeva die optischen Möglichkeiten weidlich aus. Der Mummenschanz zu Beginn, ein von dumpfen Trommelschlägen begleiteter nächtlicher Fackelzug, dazu die Treffen im Morgengrauen: Der Film bietet jede Menge Augenfutter, zumindest bei den Außenaufnahmen; die abendlichen Szenen im Gasthof von Tanjas Mutter wirken dagegen allzu routiniert und bringen die Handlung nicht immer weiter. Stefanie Edler (Gabriela Maria Schmeide) gehört zwar nicht zum Frauenkreis, passt aber ebenfalls ins polarisierte Gesamtbild: Petersen munkelt, sie habe einst ihren Mann in einen Hund verhext; beide tragen den gleichen Namen (Franz), und in der Tat muss das bedauernswerte Tier regelmäßig den Zorn ausbaden, denn die Wirtin immer noch gegen den Gatten hegt. Die im Jahr zuvor aus Berlin heimgekehrte Tanja sollte den mütterlichen Betrieb übernehmen, sehr zum Unmut ihres Bruders (Pit Bukowski), den Stefanie für einen Trottel hält. 

Der Haltung des Films zum Trotz sind die männlichen Mitwirkenden jedoch die interessanteren Figuren, zumal sie als Tatverdächtige ohnehin die größeren Rollen spielen. Neben dem undurchsichtigen Petersen, den Michael Schweighöfer mit einer Mischung aus Borniertheit und überraschendem Witz verkörpert, gilt dies vor allem für Paul Kopp (Helgi Schmid), den Besitzer eines Antiquariats, das zudem diverse Folterinstrumente führt, darunter auch die fürchterliche Schädelschraube; allerdings nur als Attrappe, wie er versichert. Brasch wird zwar nicht recht schlau aus dem Junior, findet ihn aber irgendwie doch sympathisch. Der Senior (Hermann Beyer) dagegen ist auf offenbar niemanden mehr gut zu sprechen, seit ihm einst die Frau Richtung Westen davongelaufen ist. 

Interessante Figuren, allerlei Schauergeschichten, jede Menge Vorlagen für faszinierende Bilder: eigentlich gute Voraussetzungen für einen besonderen Krimi; aber je länger "Hexen brennen" dauert, desto zäher wird der Film. Fesselnd wird’s erst wieder gegen Ende, als Brasch die Logik der Taten durchschaut hat und die Methode ihrerseits nutzt, um dem Mörder eine Falle zu stellen. Bis dahin verströmt der "Polizeiruf" jedoch ziemlich viel negative Energie; das können auch Lemps launige Kommentare nicht ausgleichen.