TV-Tipp: "Hartwig Seeler: Im Labyrinth der Rache"

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17. September, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Hartwig Seeler: Im Labyrinth der Rache"
In der archaischen Landschaft des griechischen Peleponnes trifft Privatdetektiv Seeler auf dunkle Spuren seiner Vergangenheit, die ihn unbemerkt in die Falle führen. Am Ende muss er erkennen: Es gibt Schlimmeres als den Tod.

Leider gibt es hierzulande anders als in Großbritannien oder den USA keine Tradition für Privatdetektive; deshalb ist ZDF-Schnüffler Wilsberg aus Münster im deutschen TV-Krimi quasi konkurrenzlos. Mit Hartwig Seeler hat die ARD 2019 immerhin einen Mitbewerber ins Spiel geschickt, aber der Münchener ist im Grunde keine Konkurrenz.

Der seit dem rätselhaften Unfalltod seiner Frau Maria seelisch gebrochene Ermittler hat vor allem mit sich selbst zu tun. Der Thriller-Auftakt des dritten Films, "Im Labyrinth der Rache", scheint zudem das Ende der Reihe zu markieren: Seeler (Matthias Koeberlin) schaut in die Mündung einer Waffe, dann fällt ein Schuss. Und nun erzählt Johannes Fabrick, der auch die beiden anderen Episoden geschrieben und inszeniert hat, was zuvor geschehen ist.

Seelers jüngster Fall beginnt nicht ungewöhnlich: Ein Mann bittet ihn, in Griechenland nach dem Rechten zu sehen. Der Bruder des Klienten sollte auf dem Peleponnes ein Haus der Familie verkaufen, aber er hat sich seit Tagen nicht mehr gemeldet. Letztes Lebenszeichen war ein Foto, das ihn gemeinsam mit einer jungen Frau in offenkundig guter Stimmung beim Besuch einer Taverne zeigt.

Seeler reist mit gemischten Gefühlen nach Kardamili: Hier hat er vor sechs Jahren beim ersten gemeinsamen Urlaub eine traumhaft schöne Zeit mit Maria (Dagny Dewath) verbracht. Seinen Freund und Ex-Kollegen Lasse (Lasse Myhr) und vermutlich auch sich selbst beruhigt er mit den Worten "Es sind nur Gefühle"; ein frommer Wunsch, wie sich bald zeigt, denn prompt wird er an jeder Straßenecke von Erinnerungen heimgesucht.

Die entsprechenden Rückblenden mit dem Liebespaar hat Fabricks bevorzugter Kameramann Helmut Pirnat  in verklärendes Licht getaucht. Der Detektiv dachte, er hätte gelernt, mit dem Verlust zu leben, doch nun bricht alles wieder auf. Krönung der Koinzidenz: Die Frau auf dem Foto hat exakt das gleiche Domizil wie damals das Liebespaar; das Schicksal scheint Seeler einen bösen Streich zu spielen.

Davon abgesehen ist Urlauberin Sarah (Petra Michelle Nérette) keine große Hilfe: Sie gibt vor, den Mann auf dem Bild nicht zu kennen, und behauptet, die Aufnahme sei eine Fälschung. Der Detektiv ist ratlos, sämtliche Spuren führen ins Nichts. Selbst das angeblich zum Verkauf stehende Haus hat einen völlig anderen Besitzer. Als er unverrichteter Dinge wieder abreisen will, entgeht er dem Tod nur um Haaresbreite: Die Bremsen seines Mietwagens sind manipuliert worden; womöglich ist es doch nicht das Schicksal, das es auf ihn abgesehen hat.

Sarah erstellt ein Phantombild jenes Mannes, der tatsächlich mit ihr auf dem Bild war und ihr auch das Ferienhaus empfohlen hat; kurz drauf wird sie entführt. Lasses Fotorecherche im Polizeiarchiv führt zwar zu einem Treffer - aber erst am Schluss, als sich der Kreis zum Prolog schließt, offenbart der Film die finstere Wahrheit dieses Komplotts eines mit Hendrik Heutmann markant besetzten Gegenspielers, von dessen Existenz Seeler bis dahin keine Ahnung hatte. Der sinistre Plan, zudem auch Marias Unfall gehörte, zerrt ihn wie bei einem mörderischen Spiel Zug um Zug in den Abgrund, und der Detektiv muss erkennen: Es gibt Schlimmeres als den Tod.

Die Dramen von Grimme-Preisträger Fabrick handeln meist von schweren Themen wie dem Sterben eines Kindes, dem Suizid eines geliebten Menschen oder unheilbaren Krebserkrankungen ("Ein langer Abschied", 2006; "Pass gut auf ihn auf!", 2013; "Wenn es am schönsten ist", 2014). Die ARD-Reihe "Hartwig Seeler" wirkte zunächst, als habe der Österreicher mal was anderes machen wollen.

Tatsächlich erzählen die Krimis viel mehr als nur die üblichen "Wer war’s?"-Geschichten, weil sich in den Fällen jeweils auch die persönliche Geschichte des Detektivs widerspiegelte: Im ersten Film ("Gefährliche Erinnerung") suchte Seeler eine verschwundene junge Frau und fand sich selbst, der zweite ("Ein neues Leben", 2021) war ein Lehrstück über die Verzerrung der Gegenwart durch die Vergangenheit. Darum geht es in gewisser Weise auch im dritten Teil, der mutmaßlich den Abschluss der Trilogie bildet.

Zwischendurch sinniert Seeler nämlich über Konfabulation - eine Fehlfunktion des Gehirns, das Zusammenhänge sieht, wo keine sind, oder Gedächtnislücken mit Erinnerungen füllt, die nicht der Wirklichkeit entsprechen; beides führt dazu, dass man sich eine eigene Realität konstruiert. Ähnlich erlebt es auch dem Detektiv, der immer mehr das Gefühl hat, als würde ihm eine Botschaft mitgeteilt, die er nicht versteht. Die Aufnahmen der archaischen Landschaft bilden einen reizvollen Kontrast zur zunehmend düsteren Handlung.