TV-Tipp: "Tatort: Feuer"

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9. Juni, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Feuer"
Auf den ersten Blick wirkt Markus Buschs Drehbuch zu diesem Film mit dem schlichten Titel "Feuer" wie ein handelsüblicher Krimi...

Anders als im wahren Leben brauchen TV-Kommissare ihre Abscheu gegen gewisse Gewalttäter nicht verhehlen: Als Meike Gebken infolge eines Hausbrands stirbt, würde Faber ihrem Lebensgefährten am liebsten weit mehr als bloß Handschellen antun. In einer Szene provoziert er den Typen so lange, bis der tatsächlich beinahe handgreiflich wird; zum Bedauern des Polizisten kann sich Jens Hielscher im letzten Moment beherrschen. Dabei ist längst klar, dass er Meike nicht auf dem Gewissen hat.

Sebastian Zimmlers Spiel lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass diesem Mann ansonsten jede Schlechtigkeit zuzutrauen ist, wie diverse Rückblenden bestätigen. Die bedrückendste dieser Szenen dokumentiert Hielschers brutale Reaktion, als Nora keine Lust auf Sex hat; der kurz drauf heimgekehrte Stiefsohn hört mit an, wie seine Mutter vergewaltigt wird. Als das Feuer ausgebrochen ist, war Hielscher jedoch nachweislich nicht in der Stadt. Brandstiftung würde ohnehin keinen Sinn ergeben: Warum sollte er sein eigenes Haus anzünden? Wenn überhaupt, dann hätte er Nora (Nadja Becker) höchstwahrscheinlich totgeschlagen. 

Auf den ersten Blick wirkt Markus Buschs Drehbuch zu diesem Film mit dem schlichten Titel "Feuer" wie ein handelsüblicher Krimi, der sich um zwei Fragen dreht: Wer hat den Brand gelegt? Und warum? Ironischerweise deutet Peter Faber (Hörg Hartmann) die Lösung gleich zu Beginn an, wenn auch eher flapsig. Fortan rückt die Suche nach den Antworten mehr und mehr in den Hintergrund, denn offenkundig wollte Busch mit seinem zweiten Drehbuch für den "Tatort" aus Dortmund nach der guten Episode "Inferno" (2019) in erster Linie ein Drama über häusliche Gewalt erzählen.

Zu diesem Zweck schickt Dezernatsleiterin Klasnić (Alessija Lause) Hauptkommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) als verdeckte Ermittlerin in das Frauenhaus, in dem Nora die letzten vier Wochen verbracht hat. Mit deren kleiner Tochter beginnt der Film auch, als das sechsjährige Mädchen barfuß und verstört wie aus dem Nichts auftaucht. Diese Formulierung, "Wie aus dem Nichts", wird wörtlich oder sinngemäß mehrfach verwendet, aber nichts ereignet sich aus heiterem Himmel: Die Erkenntnis scheint Buschs Motiv für die Geschichte gewesen zu sein, daher die häufigen Rückblenden.

Trotzdem hätten sich die Ereignisse besser und vor allem fesselnder verpacken lassen, doch Nana Neuls Krimidebüt lässt zu keinem Moment Spannung aufkommen; der dialogreiche, aber handlungsarme Film wirkt aufgrund der vielen Innenaufnahmen zudem sehr sparsam.  Zuletzt hat die Regisseurin "Familie is nich" (kürzlich im ZDF) gedreht, eine tragikomische Variation des beliebten Handlungsschemas "Plötzlich Oma".

Auch ihre früheren Fernsehfilme, etwa "Check out" (2022, ARD) oder "Unser Kind" (2018, beide ARD), waren sehenswert und vorzüglich gespielt. Das gilt bei "Feuer" gerade für Herzogs Begegnungen: Wenn die Frauen von ihren Schicksalen berichten, ist der Film ganz bei sich; kein Wunder, dass die Polizistin ein schlechtes Gewissen bekommt, weil sie sich mit einer Lüge in dem Refugium eingeschlichen hat. Aus Krimisicht weitaus interessanter sind jedoch die wenigen Verknüpfungen mit dem letzten Fall ("Abstellgleis"), zumal gerade die Kommissarin noch sichtlich unter den Folgen leidet.

Gegen Ende hatte sie anscheinend ohne Not einen Verdächtigen erschossen. Auch die Ermordung von Fabers Intimfeind, Rechtsmediziner Haller, ist wohl doch nicht restlos aufgeklärt, wie der zum LKA gewechselte frühere Kollege Kossik (Stefan Konarske) bei einem kurzem Gastauftritt andeutet. Deshalb darf auch Malick Bauer weiterhin mitwirken: Otto Pösken, beim letzten Mal noch Streifenpolizist, ist zum vollwertigen Teammitglied befördert worden. Beinahe hätte Herzog dem Kollegen Faber ihr Geheimnis offenbart, aber in dieser Hinsicht muss sich die "Tatort"-Gemeinde weiterhin gedulden. 

Wohltuend ist hingegen der mittlerweile fast sachliche Umgangston im Revier. Die Animositäten zwischen dem Team und der neuen Chefin sind nach wie vor nicht zu übersehen, aber nicht jeder Wortwechsel wird gleich auch zum Gefecht; selbst der allseits ungelittene Staatsanwalt (Moritz Führmann) kommt relativ gut weg und trägt mit seinen Anregungen sogar zur Lösung bei. Die ist allerdings vergleichsweise banal, was zum Gesamtbild passt. So respektabel es ist, dass sich der WDR des Themas häusliche Gewalt annimmt: Auch ein gesellschaftlich relevantes Sujet schließt Spannung nicht aus. So jedoch wirkt der Todesfall zu Beginn wie ein Vorwand und das Krimi-Etikett wie eine Mogelpackung.