TV-Tipp: "Meine Tochter, Kreta und ich"

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23. September, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Meine Tochter, Kreta und ich"
Lektor Volker und Tochter Daphne sind auf den Spuren der Antike in Kreta unterwegs. Dort geraten beide rasch in amouröse Turbulenzen. Eine prima gespielte Komödie, findet unser Autor.

"Stunde des Pan" lautete der Arbeitstitel dieser äußerst abwechslungsreichen und prima gespielten Freitagskomödie: Es geht um Mythologie; jedenfalls auch. Vor allem jedoch geht es um einen Vater und seine Tochter: Volker möchte die Beziehung auffrischen und vertiefen. Die Eltern sind seit zehn Jahren getrennt, das Mädchen ist mittlerweile siebzehn. Es trägt den ausgefallenen Namen Daphne und ist darüber nicht besonders glücklich.

Volker, Lektor eines Online-Lexikons, hat ein ausgeprägtes Faible fürs klassische Altertum. Deshalb hielt er es auch für eine gute Idee, mit Daphne nach Kreta zu reisen, um dort ein bisschen durch die ruinierten Reste jener Orte zu wandern, die einst die Wiege der abendländischen Kultur darstellten; genau das richtige für einen Teenager. Entsprechend begeistert ist Daphne von der Aussicht, sich zwei Wochen lang mit ihrem Erzeuger irgendwelche toten Trümmer anzuschauen. Volkers Versuche, das Mädchen mit Geschichten aus der Antike zu faszinieren, sind auf fast schon mitleiderregende Weise zum Scheitern verurteilt.

Der Arbeitstitel ist ein Hinweis auf die Wurzel des Wortes Panik: Zur Mittagszeit, wenn in brütender Hitze allgemeine Stille herrschte, pflegte der Hirtengott Pan, offenbar ein echter Schelm, gern einen schrillen Schrei auszustoßen, der unter den Ziegen und Schafen prompt Angst und Schrecken verbreitete. Ganz ähnlich ergeht es auch dem braven Volker, den Fabian Hinrichs mit vielen guten Absichten, aber auch einem gewissen Mangel an Realitätssinn versieht.

Als sich Daphne in den attraktiven Dimitri (Michalis Psalidas) verliebt und Volker den Verlockungen der vor Jahren auf der Insel gestrandeten Ungarin Barbara (Erika Marozsán) nachgibt, gerät der brave Enzyklopädist umgehend in einen Zustand, der mit Panik nur unzureichend beschrieben ist. Zum einen hat er Daphnes Mutter versprechen müssen, die jungfräuliche Tochter in rundum intaktem Zustand zurückzuliefern, und als er mit Barbara zu fliehen versucht, sieht er sich alsbald vom Wirt Manolis (Dimitris Imellos) verfolgt: Die Ungarin ist seine Verlobte, und bei Frauen und Ziegen hört für die Insulaner der Spaß auf; solche Dinge sind eine Frage der Ehre und werden mit Waffen geklärt.

Natürlich geht es Volker trotzdem nicht ans Leben, das wäre ja auch nicht mehr lustig, selbst wenn die Erkenntnis, die Liebe werde im Allgemeinen überschätzt, wie seine letzten Worte klingen; aber gegen Ende der Handlung ist er nach einer Prügelei und einem späteren Autounfall doch ziemlich derangiert.

Dennoch ist "Meine Tochter, Kreta und ich" mehr als bloß eine heitere Sommerkomödie, schließlich sind Beziehungen zwischen Vätern und Töchtern etwas ganz Besonderes. Dass Regisseurin Nina Grosse und Kameramann Hans Fromm Kreta von seinen schönsten Seiten zeigen, versteht sich allerdings von selbst. Der Film könnte auch aus der ZDF-Sonntagsreihe "Ein Sommer in…" stammen, zeichnet sich aber durch eine Leichtigkeit aus, die den "Herzkino"-Beiträgen im "Zweiten" oft abgeht.

Das liegt nicht zuletzt am zentralen Duo. Bei Fabian Hinrichs ist das selbstredend keine Überraschung, aber Clara Vogt ist bei ihrem Kameradebüt, und das gleich als weibliche Hauptdarstellerin, eine echte Entdeckung. Sehr schön ist auch das Wiedersehen mit Erika Marozsán, die hierzulande einst an der Seite von Joachim Król durch die im Budapest der Dreißigerjahre angesiedelte Liebesgeschichte "Ein Lied von Liebe und Tod - Gloomy Sunday" (1999) bekannt geworden ist.

Dennoch profitiert vor allem die Jüngste im Ensemble von den Dialogen, die Karl-Heinz Käfer seinen Figuren in den Mund gelegt hat; eins seiner besten Drehbücher war das erschütternde und mit dem International Emmy Award ausgezeichnete Alzheimer-Drama "Mein Vater" (2003) mit Klaus J. Behrendt und Götz George. Ein reines Lustspiel wäre ohnehin eher ungewöhnlich für den Autor, der zuletzt die Vorlage für Niki Steins böse Kammerspiel-Tragikomödie "Die Auferstehung" (2019) über die letzten Dinge des Lebens geschrieben hat.

Mindestens so viel Freude wie an den Parallelen zum Auslöser des Trojanischen Krieges, als Paris dem Sparta-König Menelaos die schöne Helena geraubt hat, wird Käfer an der Hauptfigur gehabt haben. Volker war stets überzeugt, das Leben sei ein Lexikon, aber nun stellt er fest, dass sich die Wirklichkeit nicht an die Regeln hält. Immerhin macht ihm Manolis ein Angebot: Als Familienmitglied wäre der Lektor vor seiner Rache sicher; dafür bräuchte er bloß der Hochzeit von Daphne und Dimitri zustimmen. Die Tochter ist Feuer und Flamme, aber die Reaktion der Mutter käme vermutlich dem Zorn der Götter gleich.