Weltkirchenrat eröffnet Ökumene-Gipfel

 Gottesdienst zur Eröffnung des ÖRK
© epd-bild/Thomas Lohnes
Vertreterinnen und Vertreter von 350 christlichen Kirchen aus aller Welt kommen bei der 11. Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe zusammen. Der Eröffnungsgottesdienst fand am 31. August 2022 statt.
Kritik an russisch-orthodoxer Leitung
Weltkirchenrat eröffnet Ökumene-Gipfel
Überschattet vom Ukraine-Konflikt ist am Mittwoch die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe eröffnet worden. Bundespräsident Steinmeier rief zur Solidarität mit der Ukraine auf.

Mit Appellen für Frieden und Versöhnung hat der Weltkirchenrat seine 11. Vollversammlung in Karlsruhe eröffnet. Zum Auftakt kritisierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die russisch-orthodoxe Kirchenleitung in ungewöhnlich scharfer Form. Deren Leitung führe ihre Gläubigen auf einen "glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg", sagte Steinmeier am Mittwoch unter großem Applaus. Der Auftakt der Tagung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) war zudem von Warnungen vor Antisemitismus geprägt.

Die russisch-orthodoxe Kirchenführung habe sich mit den "Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht", erklärte Steinmeier. Sie rechtfertige "einen Angriffskrieg gegen die Ukraine - gegen ihre eigenen, gegen unsere eigenen Brüder und Schwestern im Glauben", fügte er hinzu. Dieser Propaganda müsse auf dem Ökumene-Gipfel widersprochen werden, an dem sowohl Vertreter der russisch-orthodoxen als auch der ukrainischen Kirchen teilnehmen.

Frank-Walter Steinmeier posiert neben Agnes Abuom, Vorsitzende des höchsten Leitungsgremiums des ÖRK, und Ioan Sauca, Generalsekretär des ÖRK.

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), sagte, für ihn sei es "unfassbar", dass sich der Moskauer Patriarch Kyrill vor "Putins Karren spannen" lässt. Kyrill gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin und unterstützt Russlands Vorgehen in der Ukraine.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sagte mit Blick auf den Ukraine-Konflikt, "Christi Liebe" dulde keinen Angriffskrieg. Die westfälische Präses erinnerte an die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde, wie sie im deutschen Grundgesetz garantiert sei.

Russisch-Orthodoxe Kirche reagiert empört

Die russisch-orthodoxe Kirche hat die Äußerungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Empörung zurückgewiesen. Steinmeiers Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem "Konflikt in der Ukraine" seien "völlig unbegründet", sagte der russisch-orthodoxe Delegationsleiter, Metropolit Antonius, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag in Karlsruhe mit Verweis auf eine offizielle Stellungnahme.

Die Position Steinmeiers sei "ein Beispiel für den unverschämten Druck eines hochrangigen Vertreters der Staatsmacht auf die älteste zwischenchristliche Organisation", erklärte der Metropolit. Es handele sich um "eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Ökumenischen Rates der Kirchen, ein Versuch, den friedensstiftenden und politisch neutralen Charakter seiner Arbeit infrage zu stellen".

Der Bundespräsident habe "alle humanitären Bemühungen des Moskauer Patriarchats im Zusammenhang mit der Konfrontation in der Ukraine völlig außer Acht gelassen". Zudem habe Steinmeier die ÖRK-Vollversammlung aufgefordert, die russisch-orthodoxe Kirche zu verurteilen.

Sorge um Antisemitismus in Deutschland

Barbara Traub vom Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland würdigte die große Vielfalt der Religionen in Deutschland. Mit großer Sorge betrachte sie jedoch das Wiedererstarken des Antisemitismus. Es bedrücke sie, dass es auch im Weltkirchenrat Stimmen gebe, die Israel als vermeintlichen Apartheidstaat boykottieren wollten.

Israel sei der einzige demokratische Rechtsstaat im Nahen Osten, betonte Traub. Sie appellierte an die rund 4.000 Teilnehmenden, nicht auf das alte Muster des Antisemitismus zurückzufallen. Versöhnung sei nicht nur ein christliches Thema. Vielmehr bestehe der Bund Gottes mit dem jüdischen Volk weiter. Es gehe darum, die Botschaft des Friedens auszusenden, statt Vorurteile gegen "Israel und das jüdische Volk zu schüren".

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Ioan Sauca befürwortet Zwei-Staaten-Lösung

Der geschäftsführende Generalsekretär des Weltkirchenrates, Ioan Sauca, wies Antisemitismusvorwürfe gegen den ÖRK zurück. Der Ökumenische Rat der Kirchen habe bereits bei seiner Gründung 1948 Antisemitismus als eine Sünde angeprangert, betonte Sauca in Karlsruhe. Zugleich stehe der ÖRK mit seinen 352 Mitgliedskirchen für gleiche Menschenrechte für Palästinenser ein. Ziel müsse eine auf das Völkerrecht gestützte Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten sein.

Die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber sagte, vielleicht sei die Vollversammlung "noch nie so dringend" nötig gewesen wie gerade jetzt. Die badische Landesbischöfin Heike Springhart ergänzte, angesichts der schwierigen Weltlage gehe es darum, "ehrlich, offen und kontrovers zu diskutieren" und den Gesprächsfaden zwischen unterschiedlichen Parteien zu erhalten.

Erstmals in der über 70-jährigen Geschichte des Weltkirchenrates tagt dessen höchstes Gremium in Deutschland. Der Ökumene-Gipfel berät bis zum 8. September in Karlsruhe. Zum 1948 gegründeten ÖRK zählen die Mehrzahl der orthodoxen Kirchen, zahlreiche anglikanische, baptistische, lutherische, methodistische und reformierte Kirchen sowie viele vereinigte und unabhängige Kirchen. Die katholische Kirche ist nicht Mitglied.