TV-Tipp: "Für immer Eltern"

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1. Juli, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Für immer Eltern"
Mitten in ihr neues Leben zu zweit, das die Eheleute Wagner eben genussvoll beginnen wollen, platzt Sohn Niklas, ein gescheiteter Lehrer, und bringt auch die Beziehung der Eltern durcheinander. Ein Familiendrama, verpackt als Kommödie.

In einem alten Witz diskutieren drei Religionsgelehrte darüber, wann das menschliche Leben beginnt. Der Imam sagt: bei der Geburt. Mit der Verschmelzung von Ei und Sperma, entgegnet der katholische Priester. Der weise Rabbi aber stellt fest: "Das Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund gestorben ist."

Andere Eltern mögen unter einem "Empty Nest"-Syndrom leiden, aber Anja und Michael Wagner (Anja Schneider, Devid Striesow) sind begeistert. Sie sind vom Land zurück in die Stadt gezogen und freuen sich auf ein unbeschwertes Leben zu zweit, spontanen Sex auf dem Esstisch inklusive; und just in diese Szenerie platzt Sohn Niklas (Max Schimmelpfennig).

Der junge Mann neigt zu einer etwas chaotischen Alltagsgestaltung und ist deshalb aus seiner WG geflogen. In Ermangelung von Alternativen bittet er seine Eltern um Asyl, und auch dafür gibt es einen treffenden Begriff: Im Unterschied zu den Sprösslingen, die das "Hotel Mama" gar nicht erst verlassen, haben die "Bumerang-Kids" immerhin versucht, auf eigenen Beinen zu stehen. Natürlich gibt es Gründe für Niklas’ Lebensuntüchtigkeit; und davon handelt dieser Film (eine Wiederholung aus dem letzten Jahr).

Geschickt verpackt Drehbuchautor Peter Probst die Geschichte als Komödie, aber im Grunde ist "Für immer Eltern" ein Familiendrama. Auf den ersten Blick wirken die Wagners wie ein Paar, dem es vortrefflich gelungen ist, der Beziehung auch nach 25 gemeinsamen Jahren eine gewisse Frische zu bewahren.

Tatsächlich ist die Ehe jedoch genauso renovierungsbedürftig wie die Wohnung, die sie bezogen haben. Überall stehen Kartons rum, die Wände müssen noch gestrichen werden, und das nun von Niklas bezogene Gästezimmer ist eigentlich Anjas nächtliches Refugium, weil der Gatte ein Schnarcher vor dem Herrn ist.

Da jedoch ein Unglück selten allein kommt, steht kurz drauf auch noch Alina (Anouk Elias) vor der Tür. Die Freundin des Sohnes nimmt kein Blatt vor den Mund, und so kommt es zu einigen unschönen Szenen, mit deren Hilfe Probst die Handlung zu ihrem Kern führt: Während die ältere Tochter Stella (Pauline Fusban) offenbar schon als Kind eine Überfliegerin war, hat Anja ihrem Sohn stets alle Hindernisse aus dem Weg geräumt.

Er hat sogar den gleichen Beruf gewählt wie sie und ist dabei, Lehrer zu werden, selbst wenn er mit seinen kurzen Hosen und den Flipflops nur bedingt dem Bild eines seriösen Pädagogen entspricht. Auch seine Unterrichtsmethoden sind eher unkonventionell, ganz abgesehen davon, dass er grundsätzlich später kommt als die Schüler. Der Ablauf seiner Referendariatsprüfung ist mit dem Begriff "Scheitern" nur höchst unvollkommen umschrieben.

Für Florian Schwarz ist "Für immer Eltern" ein eher ungewöhnliches Werk, gerade im Vergleich zu seinen beiden mit dem Grimme-Preis gekrönten Filmen: "Das weiße Kaninchen" (2016, ebenfalls mit Striesow) war ein clever konstruiertes Krimidrama über die Abgründe, die im Internet lauern. Für viel Aufsehen hat auch sein Shakespeare-Western "Im Schmerz geboren" (2014) gesorgt; der leichenreiche "Tatort" mit Ulrich Tukur ist nach wie vor einer der besten ARD-Sonntagskrimis der letzten Jahre.

Die bislang letzte Arbeit des Regisseurs war die Premiere von Verena Altenberger als neue Münchener "Polizeiruf"-Kommissarin ("Der Ort, von dem Wolken kommen", 2019), ein ungewöhnlicher Krimi, der mit einem bizarren Trip in die menschliche Seele endete. Probst wiederum hat zuletzt "Borowski und die Angst der weißen Männer" (2021) geschrieben, einen verstörenden "Tatort" über alleinstehende Frauenhasser. In seiner Filmografie sind Komödien immerhin nichts Ungewöhnliches; von ihm stammt auch "Schönes Schlamassel" (2020), eine Romanze über einen Mann, der sich als Jude ausgibt, um das Herz einer schönen Frau zu gewinnen.

Allerdings entwickelt sich auch "Für immer Eltern" trotz des freundlichen Sommerlichts (Kamera: Philipp Sichler), der munteren Jazz-Musik (Florian van Volxem, Sven Rossenbach) und einiger heiterer Momente, wie sie alle älteren Eltern erzählen können, in eine düstere Richtung, selbst wenn es zwischendurch einige treffend beobachtete realsatirische Szenen gibt: Als Niklas ein neues WG-Zimmer sucht, muss er sich einem Casting à la "Germany’s Next Mitbewohner" unterziehen.

Mit dem Prüfungsscheitern des Sohnes fällt jedoch auch die eheliche Fassade der Eltern in sich zusammen. Als Niklas das Weite sucht, leben Anja und Michael zwar weiterhin unter dem gleichen Dach, doch getrennt von Tisch und Bett. Spätestens mit der Schlusspointe macht der Film seinem Titel jedoch wieder alle Ehre.