TV-Tipp: "Die Luft zum Atmen"

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30. Mai, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Die Luft zum Atmen"
Mukoviszidose ist wie ein Todesurteil, das erst in einigen Jahren vollstreckt wird; die Betroffenen werden im Schnitt nicht viel älter als dreißig. Miriam Maertens lebt mit der Stoffwechselerkrankung nun schon seit mehr als fünf Jahrzehnten. Das Drama "Die Luft zum Atmen" erzählt ihre Geschichte.

Miriam Maertens hat nicht nur ihren Traum von der Schauspielerei wahrgemacht, sondern gegen alle Widrigkeiten auch einen gesunden Jungen zur Welt gebracht hat. Aus Angst, nicht mehr aus der Narkose aufzuwachen, hat sie sich mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit stets gegen eine Lungentransplantation gewehrt, aber nun bleibt ihr keine Wahl mehr. Die Operation ist der Kern des Films, mit diesem roten Faden verknüpft das Drehbuch (Christian Lex, Angelika Schwarzhuber) die verschiedenen Handlungsstränge.

Die Schauspielerin hat die Geschichte ihres bisherigen Lebens vor einigen Jahren aufgeschrieben. Ihr Buch "Verschieben wir es auf morgen" (Ullstein-Verlag) trägt den Titelzusatz "Wie ich dem Tod ein Schnippchen schlug". Das ist keck formuliert, entspricht aber vermutlich ihrem Naturell. Zumindest ist die Hauptfigur des Films eine Frau voller Zuversicht: Auf dem Weg ins Krankenhaus spricht ausgerechnet die Todkranke dem Rettungssanitäter, der zum ersten Mal in seinem Leben fliegt, Mut zu. In diesem Zusammenhang von "heroischem Trotz" zu sprechen, wäre allzu pathetisch, trifft es aber recht gut. Andererseits wird die Krankheit nicht verharmlost. Der Chirurg (Stephan Szasz) sagt während der Transplantation, er habe noch nie eine derart zersetzte Lunge gesehen. Eine ausführliche Rückblende zeigt, wie sich Miriam schon als Kind dagegen gewehrt hat, ihr Dasein über die Krankheit zu definieren; auch später am Theater hat sie niemandem davon erzählt. 

"Die Luft zum Atmen" wäre in jedem Fall ein ungemein berührender Film, der seine Wirkung auch ohne Kenntnis der Hintergründe nicht verfehlen würde. Die Operationsszenen mit ihrem ständigen Auf und Ab, als die Patientin mehrfach kurz vor dem Tod steht, erzeugen selbst dann eine große Spannung, wenn man weiß, dass die Transplantation gut gegangen ist.

Dass Maertens eine angesehene Bühnendarstellerin ist, gibt der Geschichte einen zusätzlichen Reiz: Ihr Großvater Willy Maertens war Intendant am Hamburger Thalia Theater, ihre älteren Brüder Kai und Michael sind ebenfalls Schauspieler, beide wirken in winzigen Gastrollen mit; im Film werden sie von Marc Benjamin und Thomas Niehaus verkörpert. Diese biografischen Details werden jedoch ganz schnell nebensächlich, und das ist neben der Regie von Jophi Ries nicht zuletzt Eva Meckbachs Verdienst. Sie ist 2020 für ihre Rolle als Staatsanwältin in der Satire "Der König von Köln" mit einem Sonderpreis beim Fernseh- und Filmfestival Baden-Baden ausgezeichnet worden; ihre Darstellung der Miriam Maertens ist nicht minder preiswürdig. 

Ähnlich eindrucksvoll ist Cloé Heinrich in den Rückblenden, aber das gilt im Grunde für das gesamte Ensemble. Eine Darbietung geht allerdings besonders zu Herzen: Die junge Miriam besucht mit ihren Eltern (Janna Striebeck, Michael Wittenborn) eine Spezialklinik, in der sich ein Ehepaar ihres Falls annimmt. Die beiden mögen das kämpferische Mädchen auf Anhieb. Den großväterlichen Professor spielt Peter Lohmeyer, die Rolle der mütterlichen Ärztin hat Miriam Maertens selbst übernommen, was schließlich dazu führt, dass die Schauspielerin gewissermaßen ihr junges Alter Ego in den Arm nimmt; eine Szene, die zu Tränen rührt, ohne kitschig zu sein. Ähnliches Feingefühl beweist der Film später noch einmal, als Miriam während der Operation ein Nahtod-Erlebnis hat und auf dem Weg ins Jenseits der mittlerweile verstorbenen Ärztin begegnet. 

Dass sich das Drama durch eine besondere darstellerische Qualität auszeichnen würde, ist nicht nur angesichts des Ensembles keine Überraschung, schließlich steht Ries selbst seit fast vierzig Jahren vor der Kamera. Seine vier bisherigen Langfilme sind allesamt fürs ZDF entstanden, davon allein drei für die fast immer sehenswerte "Herzkino"-Reihe "Ein Sommer in…". "Die Luft zum Atmen" spielt allerdings auch filmisch in einer anderen Liga. Die Bildgestaltung oblag Peter Joachim Krause, einst Assistent von Karl Walter Lindenlaub bei den ersten Blockbustern von Roland Emmerich, aber spätestens seit "Sonnenallee" (1998) längst selbst einer der gefragtesten deutschen Kameramänner. Gerade die langen Rückblenden in die Kindheit ab 1981 sind optisch sehr interessant, weil die Bilder fahl und trotzdem kontraststark sind. 

Letztlich ist es jedoch die Botschaft, die das Werk zu einem herausragenden Film macht. "Gib niemals auf" klingt viel zu plump, denn das Drehbuch ist weit mehr als bloß eine Hommage an die Hauptfigur. Brüder und Eltern geben Miriam mit ihrer Liebe den Rückhalt, den sie braucht, und die Szenen mit dem ärztlichen Ehepaar grenzen an eine Huldigung, ohne jedoch übertrieben zu sein.

Darüber hinaus ist Maertens’ Erfolgsgeschichte auch eine Würdigung der Medizin; schließlich ist es noch nicht so lange her, dass die Transplantation einer kompletten Lunge wie ein Wunder gewirkt hätte. Darin liegt letztlich der eigentliche Wert des Dramas: "Die Luft zum Atmen" macht allen Mut, die in einer ähnlichen Lage sind. Um es mit Professor Harms zu sagen: Miriam ist der lebende Beweis dafür, dass der Glaube in der Tat Berge versetzen kann.