TV-Tipp: "Kommissarin Lucas: Goldrausch"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
30. April, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Kommissarin Lucas: Goldrausch"
Ein Mann kommt in Bademantel und blutigem Schlafanzug zur Polizei und sagt, er habe seine Tochter erschossen. Tatsächlich liegt die junge Frau tot im Heizungskeller ihres Elternhauses. In der Wirklichkeit wäre der Fall damit vermutlich erledigt, im TV-Krimi selbstredend nicht.

Außer den Erinnerungslücken des Vaters gibt es zunächst keine Hinweise, die Zweifel an dem Geständnis wecken könnten. Es ist eher ein Gefühl, das Ellen Lucas (Ulrike Kriener) vermuten lässt: Hier stimmt was nicht; auch wenn sie natürlich nicht ahnen kann, welche Kreise ihre Ermittlungen noch ziehen werden.

Wolfgang Löhns (Burghart Klaußner), der mutmaßliche Mörder, ist in den letzten Jahren immer tiefer in einen Verschwörungssumpf abgerutscht und überzeugt, dass das Weltwirtschaftssystem kurz vor dem Zusammenbruch steht. Er hat in der Finanzkrise 2008 viel Geld verloren und anschließend alle Aktien in Gold umgetauscht. Da er den Banken misstraut, sind die Barren nicht etwa in einem Schließfach deponiert, sondern irgendwo versteckt. Je tiefer Lucas im Leben des Mannes gräbt, desto beunruhigender werden die Dinge, die sie zu Tage fördert: Erst stößt sie auf eine Gruppe von Reichsbürgern, dann auf ein Waffenlager inklusive Panzerabwehrrakete. Was als scheinbare Familientragödie begann, wird schließlich ein Fall für den Staatsschutz.

In dieser unvorhersehbaren Entwicklung liegt der Reiz der Geschichte. "Goldrausch" ist die 32. "Kommissarin Lucas"-Episode und die zweite nach dem Umzug der Titelheldin von Regensburg nach Nürnberg. Das neue Team fremdelt allerdings noch etwas mit der Chefin. Lucas war nie eine herzliche Führungsperson. Die Menschen um sie herum durften ihr zuarbeiten, aber mehr auch nicht. Damit kommt vor allem der Kollege Fitz (Sebastian Schwarz) nicht klar, weshalb die Stimmung im Revier von einer gewissen Spannung geprägt ist.

Das war in den 30 Filmen zuvor meist nicht anders, aber damals gab es dank der ruppig-herzlichen Szenen zwischen Lucas und ihrem Vermieter Max einen ebenso amüsanten wie sympathischen Ausgleich. Dieses Element fehlt seit dem Tod von Max-Darsteller Tilo Prückner (2020); Anke Engelke als leicht verschrobene Schwester spielt schon seit einigen Jahren keine Rolle mehr.

Christoph Busche konzentriert sich bei seinem ersten Drehbuch für die Reihe ohnehin auf die Familie Löhns, weshalb Lucas und damit auch der Film nach dem Ausflug zu den Verfassungsfeinden wieder zum Anfang zurückkehren. Der alte Löhns, ein Witwer, hat zwei Söhne. Der jüngere, Markus (Johannes Klaußner), hat sich vom Leistungsdruck verabschiedet und betreibt mit seiner Frau (Amelie Kiefer) ein Yogastudio.

Der ältere, Johannes (Maximilian Brückner), hat sich als Finanzberater selbstständig gemacht, aber beträchtliche Schulden, er könnte das Vermögen seines Vaters gut brauchen, doch der Schatz ist verschwunden; ebenso wie die Tatwaffe. Der Anschein, der Film orientierte sich an Gretchens Erkenntnis "Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles" (aus Goethes "Faust"), trügt jedoch: Trotz dieses durchaus handfesten Motivs wandelt sich "Goldrausch" mehr und mehr zu einer Tragödie, in der nicht zuletzt der viele Jahre zurückliegende Tod der Mutter eine entscheidende Rolle spielt.

Regie führte Uwe Janson, dessen Arbeiten stets auch optisch bemerkenswert sind. Die Bilder wirken, als habe ein Filter in der Kamera (Birgit Bebe Dierken) sämtliche fröhlichen Farben aussortiert, sodass am Ende bloß noch lehmfarbene Brauntöne übrig geblieben sind. Die Rückblenden in die Mordnacht sind rätselhaft und verdeutlichen im Zusammenspiel mit Geisterbahngelächter Löhns’ Verwirrtheit, zumal das Personal seiner Erinnerungen ständig wechselt.

Außerdem erfreut der Film mehrfach durch ungewöhnliche Perspektiven: Als sich Fitz auf ein Scharmützel mit vermeintlichen Rechtsterroristen einlässt, scheint die Kamera wie ein Kobold auf seinem Rücken zu hocken. Das Ensemble ist ohnehin sehenswert. Maximilian Brückner schreit zwar zu viel und lacht zu laut, und dass der Zwist zwischen den Brüdern mehrfach in Handgreiflichkeiten ausartet, wirkt etwas übertrieben, doch die Idee, den jüngeren der beiden Löhns-Söhne mit dem Klaußer-Sohn Johannes zu besetzen, verleiht den Familienszenen einen zusätzlichen Reiz.

Burghart Klaußner wiederum gelingt das Kunststück, dem Oberhaupt, das seine Kinder mit Hilfe der verstorbenen Mutter ständig zu Höchstleistungen angetrieben hat, dennoch eine gewisses Mitgefühl zu sichern. Seelisch verletzt sind sie alle, aber der Alte ist die tragische Figur der Geschichte.