TV-Tipp: "Sugarlove"

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13. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Sugarlove"
Das kommt in den besten Ehen vor: Nach gut dreißig Jahren ist die Liebe füreinander zwar noch innig, doch die Lust ist abhanden gekommen. Spätestens jetzt halten manche Gatten gern nach was Jüngerem Ausschau. Auf dieser Basis erzählt das SWR-Drama "Sugarlove" von einem interessanten Experiment.

Wäre es nicht eine Frau, die sich diese Geschichte ausgedacht hat, würde sie wie eine typische Männerfantasie klingen: Vielleicht auch, um einer Affäre zuvorzukommen, schlägt Julia (Barbara Auer) ihrem Mann Patrick (Fritz Karl) vor, sich als sogenannter Sugardaddy eine Gespielin zuzulegen. Ihr Einverständnis ist allerdings mit einer klaren Vorgabe verknüpft: Die Begegnungen sollen rein sexueller Natur sein; ein frommer Wunsch, wie sich später zeigt, als Julia ihren Mann auffordert, die Beziehung zu beenden.

Dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird, liegt ohnehin von Anfang an in der Luft, denn Zertz, für ihren Sat.1-Zweiteiler "Wir sind das Volk" (2008) mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, und Grimme-Preisträgerin Isabel Kleefeld ("Arnies Welt", 2007) erzählen sie auf zwei Zeitebenen. Die Rückblenden zeigen Julia und Patrick in der SWR-Produktion als im Großen und Ganzen glückliches Akademikerpaar.

Dass die Psychotherapeutin beim Kurzurlaub anlässlich des Hochzeitstags mitten im Sex an ihre Pflanzen denkt, die bei der aktuellen Hitze mehr Wasser brauchen als sonst, irritiert ihren Mann verständlicherweise, zumal einige Monate des unfreiwilligen Zölibats hinter ihm liegen. Nun gesteht sie ihm, dass sie einfach keine Lust mehr verspürt und sie auch nicht vermisst; er hat Angst, dass sie sich verlieren. In der Gegenwartsebene hüpft die Handlung gleich an ihr Ende. Auf der Straße sind die Umrisse eines Körpers eingezeichnet, es hat einen Unfall mit Todesfolge gegeben, und natürlich bezieht der Film seine Spannung nicht zuletzt aus der Frage: Was ist passiert?

Zunächst kommt es jedoch zu dem Arrangement zwischen dem Ehepaar. Julia entdeckt auf Patricks Laptop zufällig die Ergebnisse einer Suche nach "Sugarlove". Er erklärt das mit einer beruflichen Recherche als Soziologieprofessor, aber sie findet die Idee einer derartigen externen Dienstleistung gar nicht schlecht: Anders als im Bordell könne man bei jüngeren Frauen, die sich von älteren Männern aushalten ließen, immerhin davon ausgehen, dass sie dies freiwillig täten. Sie formuliert ihre Bedingungen: keine Gefühle, kein Wort zu Dritten, Familie und Uni sind als Gesprächthemen tabu; die beiden Lebensbereiche sollen sich nicht überschneiden.

Patrick entscheidet sich auf einer entsprechenden Website für die 24-jährige Claire und ist prompt hin und weg, als er sich das erste Mal mit ihr trifft. Kein Wunder: Cosima Henman verkörpert die Studentin als Traumfrau für in die Jahre gekommene Männer. Claire, die eigentlich Clara heißt, ist offen, herzlich, sympathisch und hat Freude am Sex, was dem Drama einige im Fernsehfilm mittlerweile ungewohnt freizügige Szenen beschert. Für die junge Schauspielerin, Tochter des Regisseurs Granz Henman, ist das eine tolle Rolle, mit der sie sich endgültig vom Image der frechen Göre verabschiedet, die sie nicht nur in der RTL-Serie "Der Lehrer" gespielt hat.

Die Versuchsanordnung ist faszinierend, aber so richtig beginnt der Film erst, als die Dinge aus dem Ruder laufen und das Ehepaar die Kontrolle verliert: Plötzlich macht sich der Geist, den Julia rief, selbstständig. Zunächst profitieren alle Drei von der Ménage à trois; Patrick blüht derart auf, dass die Gattin sogar wieder Lust verspürt. Für Clara wiederum ist wichtig, dass ihr Geliebter sie nicht als Prostituierte betrachtet; sie findet ihn toll, hat Spaß am Sex und würde die Beziehung auch ohne den finanziellen Bonus pflegen. Als sie erkennt, dass sie bloß benutzt wird, bricht sie aus ihrer Rolle aus und verschafft sich auf ihre Weise Zugang zu der familiären Ebene, die Patrick ihr verwehrt.

Prompt wandelt sich der Film zum Thriller, zunächst jedoch nur moderat. Das ändert sich, als auch Clara die Kontrolle verliert. Nun gesellt sich zur Faszination der Geschichte die Neugier: Welches Mitglied des Trios ist ums Leben gekommen? Zum Finale nimmt der Film eine letzte und unerwartet brutale Wende.

Zertz hat die Geschichte ausdrücklich als Gleichnis auf die Ökonomisierung der Gefühle konzipiert. Auch ihre letzten Drehbücher drehten sich um Frauen, denen die Dinge aus der Hand glitten: In "Auf dünnem Eis" (2020), einem bedrückenden ZDF-Drama mit Julia Koschitz, kümmert sich eine Köchin um einen Obdachlosen und verliert dabei selbst den sozialen Boden unter den Füßen; in dem fesselnden Polit-Thriller "Gefährliche Wahrheit" (2021 auf Arte, am 25. April im ZDF) gerät eine Reporterin (Lisa Maria Potthoff) in einen tödlichen Sumpf aus Gier, Korruption und Kungelei.

Mit Isabel Kleefeld, deren Dramen, Krimis und Komödien immer sehenswert sind, hat die Autorin genau die richtige Mitstreiterin gefunden, zumal die Filme der regelmäßig ausgezeichneten Regisseurin (Deutsche Fernsehpreise für "Aufbruch in die Freiheit", 2019, und "Eine harte Tour", 2020) auch darstellerisch stets herausragen.