TV-Tipp: "Tatort: Masken"

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28. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Masken"
Der Titel "Masken" klingt ein bisschen beliebig, schließlich liegt in der Maskierung das Wesen jedes Krimis: Würden die Beteiligten ihr wahres Wesen nicht verbergen, wären sie nicht verdächtig.

Immerhin gibt es tatsächlich ein Treffen maskierter Männer. Es dauert allerdings eine Weile, bis die Geschichte bei dieser Szene und damit auch bei ihrem Kernthema anlangt. Es geht um sogenannte Pick-up Artists, zu Deutsch „Aufreißkünstler“: Männer, die sich einen Spaß und einen Sport daraus machen, möglichst viele Frauen ins Bett zu bekommen; nur für eine Nacht, versteht sich. Wenn so jemand ermordet wird, gibt es entsprechend viele Verdächtige; allen voran die Besitzerinnen der gebrochenen Herzen, mit denen sein Weg gepflastert ist.

„Masken“ beginnt mit dem obligaten Mord: Ein Jogger wird überfahren, und zwar zweimal, was einen Unfall ausschließt. Dass es sich beim Tatfahrzeug um sein eigenes handelt, gibt der Tat eine grimmige Fußnote und führt das Dortmunder „Tatort“-Quartett umgehend zur Ehefrau, Simone Schlüter (Kyra Sophia Kahre). Pikant wird der Fall, weil der Tote ein Streifenpolizist war. Die Stimmung in der Stadtteilwache scheint nicht die beste gewesen zu sein, vor allem nicht zwischen dem Beamten und seinem Partner (Jonas Friedrich Leonhardi), dem er erst Simone ausgespannt und dann die Beförderung vor der Nase weggeschnappt hat. All’ das ist jedoch Krimi-Routine und nicht sonderlich originell. Interessant wird „Masken“ erst, als Zahnarzt Oberländer (Simon Böer) ins Spiel kommt. Schlüter hat dem Mann in letzter Zeit auffallend viele Ordnungswidrigkeitsverfahren angehängt. Prompt drängt sich die Vermutung auf, dass es sich bei den Knöllchen um Denkzettel gehandelt haben könnte. Der Polizist und der Doktor haben sich offenbar eine Art Wettbewerb geliefert: Oberländer bringt Männern bei, wie sie Frauen schnellstmöglich ins Bett kriegen; und damit kommt „Masken“ endlich zur Sache.

Aus Sicht des Autorenduos steht jedoch ein ganz anderer Aspekt im Zentrum der Handlung: Arnd Mayer und Claudia Matschulla sehen ihre Geschichte vor allem als Dreiecksbeziehung. Tatsächlich ist Regisseurin Ayşe Polat stolz darauf, die erste Liebesszene mit dem verwitweten Faber (Jörg Hartmann) gedreht zu haben: Der Hauptkommissar verguckt sich ein bisschen in die Vorgesetzte des getöteten Polizisten, zumal Revierchefin Katrin Steinmann (Anne Ratte-Polle) eine ähnlich pragmatische Sicht auf die Dinge hat wie er. Die beiden verbringen eine Nacht miteinander, was seine Partnerin Bönisch (Anna Schudt), die Steinmann noch von der Polizeischule kennt, prompt auf die Palme bringt: Die Tochter (Michelle Barthel) der Kollegin ist eine der 28 Frauen auf Schlüters Liste und zählt somit zum Kreis der Verdächtigen. Dabei ist Bönisch am unprofessionellen Verhalten Fabers nicht ganz unbeteiligt; auf ihre Turteleien mit dem Spurensicherer (Tilman Strauß) reagiert er jedenfalls sichtbar eifersüchtig.

Die Zwischenmenschlichkeiten rücken ohnehin des Öfteren stark in den Vordergrund. Das lenkt zwar mitunter von der eigentlichen Krimihandlung ab, hat aber zur Folge, dass die neue Kollegin größeren Spielraum bekommt. Die offenbar herzensgute Rosa Herzog, von Stefanie Reinsperger in der Tat sehr einnehmend verkörpert, scheint zudem als einzige aus dem Quartett mit sich im Reinen zu sein. Faber kann zwar auch nett sein, aber nur, wenn’s der Wahrheitsfindung dient, Bönisch will ebenfalls nicht Mitarbeiterin des Monats werden, und Pawlak (Rick Okon) war von Anfang an ein verschlossener Typ, dem nun auch noch die Frau davongelaufen ist. Wer in diesem Sonntagskrimi nach sympathischen Figuren sucht, landet daher zwangsläufig bei Herzog, zumal auch Katrin Steinmann ihre ganz persönlichen Ziele verfolgt.

Regisseurin Polat ist 2004 durch ihr mehrfach ausgezeichnetes Heimdrama „En Garde“ bekannt geworden. Abgesehen von einigen Folgen der ZDF-Reihe „Der Staatsanwalt“ hat ihre sehr überschaubare Filmografie seither nur zwei weitere Kinodramen zu bieten; „Masken“ ist ihr erster großer Krimi. Für Mayer und Matschulla gilt das gleiche. Die beiden haben neben Episoden für die ZDF-Krankenhausserie „Bettys Diagnose“ unter anderem den sehenswerten ZDF-Sonntagsfilm „Weihnachten im Schnee“ (2019) geschrieben. Das erklärt, warum „Masken“ mehr Wert auf Befindlichkeiten als auf Krimispannung legt, zumal das „Tatort“-Stammpublikum ohnehin früh ahnen wird, wer den Polizisten auf dem Gewissen hat; eine Überraschung ist letztlich allein das Motiv.