TV-Tipp: "Der Usedom-Krimi: Ungebetene Gäste"

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Donnerstag, 11. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Usedom-Krimi: Ungebetene Gäste"

Der zweite Film dieser „Usedom“-Trilogie knüpft nur lose an die in der vergangenen Woche ausgestrahlte 14. Episode an. Einziger Bezugspunkt ist der Anfang vom Ende der Beziehung zwischen Karin Lossow (Katrin Sass) und ihrem Freund Gadocha: Sie hatte sich seine Dienstwaffe „geliehen“, um die Entführerin des kleinen Sohns ihrer Freundin Ellen (Rikke Lylloff) zu stellen. Gadocha-Darsteller Merab Ninidze hat daher nur einen Kurzauftritt, als der polnische Polizist die frühere Staatsanwältin in der Klinik besuchen will, seine mitgebrachten Blumen dann aber doch lieber einem Clown überlässt und sich verdrückt. Karins Krankenhausaufenthalt ist die Folge eines fesselnd und effektvoll inszenierten Prologs: In ihrem alten Reetdachhaus ist in der Nacht ein Feuer ausgebrochen; Ellen kann ihre Vermieterin gerade noch retten. Der Auftakt ist ein cleverer Einfall von Michael Vershinin, der gemeinsam mit Scarlett Kleint und Alfred Roesler-Kleint die ersten sieben Drehbücher (2014 bis 2019) der Reihe geschrieben hat, denn der Brand sorgt für völlig neue Bedingungen: Karin steht vor dem Nichts, sämtliches Hab und Gut ist verbrannt, und natürlich braucht sie ebenso wie Ellen eine neue Bleibe. Als sie die Klinik wieder verlassen darf, kommt sie erst mal bei ihrem Neffen unter, was dessen Lebensgefährtin Katharina (Milena Dreissig) nicht gerade in Begeisterungsstürme versetzt: Sie will nicht mit einer Mörderin unter einem Dach leben.

Im Rahmen des „Usedom-Krimis“ steht das Unglück für einen Neubeginn; immerhin war Karins Eigenheim gewissermaßen Titelfigur des Reihenauftakts („Mörderhus“), weil sie hier ihren Mann erschossen hat. Zunächst gilt sie allerdings auch noch als Brandstifterin und Versicherungsbetrügerin. Tatsächlich bietet die Entwicklung Vershinin die Gelegenheit, seine Heldin mitten in den nächsten Fall zu platzieren: Im Krankenhaus freundet sich Karin mit Saskia Bernard (Lilli Fichtner) an. Die junge Frau ist Opfer eines Verkehrsunfalls geworden, kann sich aber an nichts mehr erinnern. Der Unfallfahrer ist offenbar ein Bankräuber (Nico Rogner), der vor der Polizei geflohen ist und als Versteck ausgerechnet das Anwesen von Saskias Schwiegereltern Dana und Bo Bernard (Stephanie Japp, Falilou Seck) gewählt hat. Der Titel gilt ihm daher genauso wie Karin.

Es gehört zu den Charakteristika der Reihe, die kriminalistische Ebene sehr harmonisch mit den privaten Elementen zu verbinden; auf diese Weise wird Karin Lossow quasi zwangsläufig Teil der Ermittlungen. Trotzdem ist „Ungebetene Gäste“ ein ganz anderer Film als „Entführt“, selbst wenn Alexander Fischerkoesen die Handlung in kühle Winterbilder taucht und die Musik von Colin Towns des Öfteren an klassische Psychothriller erinnert: weil Vershinin und Regisseur Andreas Herzog in dessen vierter Arbeit für den „Usedom-Krimi“ – er hat auch „Mörderhus“ inszeniert – die Geschichte um einige heitere Elemente ergänzen. Pure Comedy ist zum Beispiel eine zufällige Begegnung von Staatsanwalt Brunner (Max Hopp) mit Katharina auf der Seebrücke. Da er keine Ahnung hat, wer sie ist, flirtet er sie an und will sie mit einen spontan aus dem Ärmel geschüttelten Haikku beeindrucken; bis sich rausstellt, dass die Dame nicht nur Kollegin und sogar Oberstaatsanwältin, sondern auch die Freundin des Polizisten Rainer Witt (Till Firit) ist. Vershinin sorgt ohnehin dafür, dass die weiteren Mitwirkenden wieder größere Spielanteile bekommen,  allerdings zu Lasten von Rikke Lylloff, die hier quasi nur Gastdarstellerin ist. Auch Rainer Sellien darf als Streifenpolizist Holm Brendel einige komische Akzente setzen. Für weitere amüsante Momente sorgen kleine Überraschungen wie jene, als Brendel und seine Kollegin (Jana Julia Roth) die Spur des Bankräubers verlieren und stattdessen ein Mann auf einem Elektromobil an ihnen vorbeituckert.

Um Leben und Tod geht es der gelegentlichen Spannung zum Trotz ohnehin nicht; wäre da nicht der bewaffnete Eindringling, wäre „Ungebetene Gäste“ über weite Strecken kein Krimi, sondern ein Familiendrama. Allerdings entpuppt sich der Erzählstrang mit dem Bankräuber als ausgesprochen raffiniert eingefädelte Erzählung, die zudem mit einer echten Überraschung endet. Eher in Richtung Familienfilm passt dagegen das neue Ensemblemitglied. Herzog möchte den großen Hund, der Lossow zuläuft, als Allegorie verstanden wissen: Der Streuner steht für die verlorenen Seelen des Films. Das gilt natürlich vor allem für die Hauptfigur, die nun nach dem Brand ganz von vorn anfangen muss; wie zu Beginn der Reihe, als die verurteilte Mörderin aus dem Gefängnis entlassen wurde.