TV-Tipp: "Die Heiland – Wir sind Anwalt"

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Dienstag, 2. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Die Heiland – Wir sind Anwalt"

Das "Erste" zeigt zwar seit einiger Zeit auch die mittlerweile in "Wien-Krimi" umbenannte Donnerstagsreihe "Blind ermittelt", weshalb die Dienstagsserie "Die Heiland" ihr Alleinstellungsmerkmal verloren hat; aber die Hauptfigur ohne Augenlicht ist natürlich trotzdem nach wie vor etwas Besonderes. Wie sehr mittlerweile auch die ARD von dem Konzept überzeugt ist, zeigt die Entscheidung, nach zweimal sechs Folgen mit der dritten Staffel gleich dreizehn Episoden produzieren zu lassen.

Nach wie vor sind die Erlebnisse der von Christina Athenstädt sehr behutsam und jederzeit glaubwürdig verkörperten Titelfigur Krimis mit anderen Mitteln, weil Romy Heiland im Grunde wie eine Ermittlerin arbeitet, aber der Reiz der Geschichten, bei denen die blinde Berliner Rechtsanwältin Pamela Pabst nach wie vor als Beraterin dient, liegt nicht zuletzt im Mutmacheffekt: Natürlich ist die Juristin durch ihre Behinderung eingeschränkt, doch das zwölfköpfige Drehbuchteam sowie die vier Regisseure waren offenkundig sehr darauf bedacht, keinerlei Mitleidsmomente entstehen zu lassen; die Verteidigerin meistert ihr Dasein in fast allen Lebenslagen. Sollte sie aufgrund ihrer Behinderung ein Herz für Außenseiter haben, so lässt sie sich das zumindest nicht anmerken.

Für Herzlichkeit ist ohnehin die aus einfachen Verhältnissen stammende Assistentin Ada Holländer zuständig, der es regelmäßig gelingt, die sozialen Unterschiede zwischen ihrer Chefin und den Betroffenen zu überbrücken. Außerdem dient sie als Repräsentantin des Publikums, wenn die Anwältin ihr die Hintergründe eines Falls erläutert. Anna Fischer hat zudem mit ihrer natürlichen Frische großen Anteil am Erfolgsrezept der Serie, weshalb die Verantwortlichen vor einem echten Problem standen, als die beliebte Schauspielerin ihren Ausstieg  verkündete. Immerhin verschwindet sie nicht sang- und klanglos: In der Mitte der neuen Staffel erkennt Ada, dass sie zu wenig aus ihrem Leben macht und Rechtskunde doch nicht ihr Ding ist; daher bricht sie zu neuen Ufern auf. Nachfolgerin Tilly Vogel (Sina Reiß), eine Cousine von Ada und ihrem Bruder Ringo (Tim Kalkhof), wirkt charakterlich erwachsener, schlüpft ansonsten jedoch nahtlos in die Rolle an Heilands Seite.

Am Konzept der Serie wie auch der einzelnen Folgen ändert sich ohnehin nichts. Es bleibt dabei, dass sich die Dinge stets anders zugetragen haben, als der erste und der zweite Anschein nahelegen. In der Auftaktepisode ("Ausgeknockt!") vertritt die Anwältin einen Boxer (Oskar Bökelmann), der angeblich mit dem Auto einen Radfahrer verletzt hat. Der junge Mann ist zwar vor einem Jahr im Ring erblindet, aber die Folge beginnt damit, dass Romy Heiland selbst am Steuer eines Wagens sitzt und mit großer Freude Gas gibt; unmöglich ist also nichts. Trotzdem ist recht früh klar, dass Viktor die Schuld auf sich nimmt, um jemanden zu decken; vermutlich seine Mutter oder seine kleine Schwester. Die Wahrheit ist jedoch eine ganz andere, zumal Ringo rausfindet, dass die Erblindung kein Sportunfall war. In einer späteren Folge ("Der Tyrann") beschuldigt der narzisstische Dirigent (Bernhard Schütz) eines philharmonischen Orchesters eine Musikerin (Sarah Bauerett), sie habe ihn von einer Rampe gestoßen. Gründe hätte sie in der Tat genug: Nach dem Ende ihrer Affäre mit dem Maestro hat sie prompt ihren Status als Solocellistin an ihre Nachfolgerin verloren.

Die Mitwirkenden sind zwar meist gut geführt, aber die Umsetzung entspricht dem üblichen Seriendurchschnitt; handwerklich ist "Die Heiland" solide, mehr jedoch nicht. Recht betulich wirkt auch der Nebenstrang mit Romys Eltern (Peggy Lukac, Rüdiger Kuhlbrodt), die nach diversen gemeinsamen Ehejahrzehnten getrennte Wege gehen. Ungleich sympathischer und sehr schön gespielt ist dagegen die Liaison zwischen der Verteidigerin und Staatsanwalt Rudi Illic (Aleksandar Jovanovic): Das Paar will seine Liebe nicht länger geheim halten, trifft aber selbstverständlich nach wie vor regelmäßig im Gerichtssaal aufeinander, wo Illic ein ums andere Mal den Kürzeren zieht. Eine ungleich größere Belastungsprobe ist jedoch ein schwacher Moment Romys in der Beziehung zu ihrem Ex-Gatten (Peter Fieseler ist im wirklichen Leben Christina Athenstädts Ehemann). Sehr schön anzuschauen sind auch die regelmäßigen Berlin-Impressionen. Da die einzelnen Szenen oft nur kurz sind, gibt es viele Kapiteltrenner dieser Art. Vermutlich war es gar nicht so einfach, Motive zu finden, die nicht schon tausendmal verwendet worden sind.