TV-Tipp: "Berlin, Berlin – Der Film"

Fernsehen, TV, TV-Tipp
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
16. August, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Berlin, Berlin – Der Film"
"Berlin, Berlin" war vermutlich die letzte ARD-Vorabendserie, die ein junges Publikum erreicht hat: Mit der Geschichte von Lolle (Felicitas Woll), die aus der Provinz in die Stadt zieht und dort privat wie beruflich aufs große Glück hofft, konnte sich diese Altersgruppe perfekt identifizieren.

Knapp zwanzig Jahre nach dem Serienstart ist Berlin zwar immer noch ein Magnet für Menschen um die zwanzig, aber eine Kino-Fortsetzung würde ja, wenn überhaupt, vor allem jene ansprechen, die einst die Serie geliebt haben; die meisten Kinobesucher sind allerdings unter dreißig. Die Probe auf Exempel blieb dann jedoch aus, weil "Berlin, Berlin – Der Film" wegen Corona ohne Umweg über irgendwelche Leinwände gleich bei Netflix gelandet ist. Vermutlich hätte sich ohnehin bald rumgesprochen, dass Lolles neue Abenteuer längst nicht mehr so mitreißend sind wie die in der Erinnerung wohl auch verklärte Serie.

Die vier Staffeln (2002 bis 2005) erzählten im Grunde alle die gleiche Geschichte: hier Lolle, die davon träumt, Comiczeichnerin zu werden, dort ihre wechselnden Liebesbeziehungen, in deren Verlauf sie immer wieder zwischen zwei Männern hin und her gerissen ist. Der Auftakt der eigentlichen Filmhandlung passt zwar nicht ganz zum Ende der Serie, aber auch im weiteren Verlauf nimmt es Serienschöpfer David Safier, der das Drehbuch gemeinsam mit Sohn Ben geschrieben hat, mit der Logik nicht immer so genau: Lolle ist gerade dabei, Hart (Matthias Klimsa) zu heiraten, mit dem sie zwischenzeitlich ein erfolgreiches Animationsstudio gegründet hat, als Sven (Jan Sosniok) in die Feier platzt. Der Cousin war stets Lolles große Liebe, weshalb nun alles wieder von vorn losgeht. Mittlerweile sind die Beteiligten allerdings deutlich älter als damals. Die jugendliche Sprunghaftigkeit lässt die Heldin, mittlerweile 38, etwas unreif wirken, aber das ist nun mal der Preis dafür, wenn Produzenten viel zu spät auf die Idee kommen, aus einer populären TV-Figur einen Kinofilm zu machen. Das hat in grauer Vorzeit mit Otto, Loriot, Schimanski und Didi Hallervorden überraschend gut funktioniert, aber mit Ausnahme des Til-Schweiger-"Tatort"-Thrillers "Off Duty" (der im Kino prompt ein Flop war) ist seither aus gutem Grund auf solche Markentransfers verzichtet worden: Aus Sicht eines Großteils der Kinogänger ist das Fernsehen (und damit auch seine Protagonisten) ein Medium ihrer Eltern, wenn nicht gar ihrer Großeltern.

Trotzdem hätte aus "Berlin, Berlin" natürlich ein kurzweiliger Film werden können; die Idee mit dem Wiedersehen nach so langer Zeit kann ja durchaus reizvoll sein. Umso bedauerlicher, dass die Safiers ihr Drehbuch nach dem Prinzip des "Domino Days" konzipiert haben, denn es folgt über weite Strecken dem Muster "Vom Regen in die Traufe". Immerhin ist der Auftakt verblüffend: Nach einer flott geschnittenen Zusammenfassung der Serie schreitet Lolle zu den Klängen des Hochzeitsmarschs von Felix Mendelssohn Bartholdy zum Altar, doch die vermeintliche Kirche entpuppt sich als Gerichtssaal und die Braut als Angeklagte. Die Rückblende zeigt, wie sie die geplatzte Hochzeit fluchtartig verlassen und dabei allerlei Verkehrsdelikte begangen hat. Der Richter (Detlev Buck) verdonnert sie zu Sozialstunden in einer Schule. Mit Pädagogik hat der Job jedoch nichts zu tun: Lolle muss gemeinsam mit der jüngeren Dana (Janina Uhse) Klos putzen. Die Schicksalsgefährtin erweist sich als hartgesottene Kleinkriminelle: Erst klaut sie Lolles Laptop, auf dem eine Präsentation gespeichert ist, die über die Zukunft ihrer Firma entscheidet, dann setzt sie sie unter Drogen; anschließend erwachen die beiden Frauen in einem geklauten Sportwagen im Harz.

Der Ortswechsel wird nicht weiter begründet; vermutlich, weil er in erster Linie mit der niedersächsischen Filmförderung zu tun hat. Während sich dieser kühne Schnitt noch als elliptisches Stilmittel erklären lässt, bleibt es ein Rätsel, wieso Lolle und Dana später in Berlin wieder mit dem Sportwagen rumfahren, denn in die Stadt sind sie mit einem Traktor zurückkehrt. Kaum sind die beiden Frauen nach ihrem Erwachen "in der Walachei" einem Polizisten entkommen, geraten sie erst in ein Crystal-Meth-Labor und dann in ein von einer "spirituellen Heilerin" (Gitta Schweighöfer) geleitetes Hippie-Lager. Da sie versehentlich das Zelt der Gruppe in Brand gesetzt haben, sind nun alle hinter ihnen her: der Polizist, der Drogenboss (Armin Rohde) und die Hippie-Queen. Immerhin schweißen die gemeinsamen Abenteuer die beiden Frauen zusammen, aber das ist nun wahrlich keine Überraschung. 

Der Film dauert bloß 75 Minuten und ist daher fast zwangsläufig kurzweilig. Gerade die Nebenrollen hätten allerdings wohl auch bei längerer Dauer nicht mehr Tiefe bekommen; Hart und Sven werden auf den puren Klamauk reduziert. Lolle wiederum führt auch als Erzählerin durch die Handlung. Zur Einführung ist das durchaus plausibel, um den Anschluss an die Serie herzustellen, aber die weiteren Kommentare sind nur selten witzig und meistens überflüssig. Regie führte Franziska Meyer Price, die bereits maßgeblich an der Serie beteiligt war. Das Tempo ist stellenweise auch dank einiger Split-Screen-Momente recht flott. Wie in der Serie gibt es auch im Film animierte Zwischenspiele, in denen beispielsweise der Polizist zum wütenden Bullen oder die Sektenführerin zu einem bösartigen Katzenwesen werden. Die 3D-Animation hat allerdings bei Weitem nicht den Charme der früheren Zeichnungen.