TV-Tipp: "Tatort: Damian"

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TV-Tipp: "Tatort: Damian"
1. August, ARD, 20.15 Uhr
Die Ermittler Franziska Tobler und Luka Weber werden zu einer brennenden Waldhütte gerufen. Hier ist ein Mensch verbrannt. Doch die einzige Spur führt ins Nichts.

Es gibt diese Filme, bei denen der Schluss alle Gewissheiten über den Haufen wirft. Das funktioniert allerdings nicht immer; mitunter kommt man sich als Zuschauer auch verschaukelt vor. Bei "Damian", dem dritten Schwarzwald-"Tatort", besteht diese Gefahr zum Glück nicht, selbst wenn Titel und Auftakt irreführend sind. Der Krimi (TV-Premiere war 2018) beginnt mit den eindrucksvoll gefilmten Bildern einer brennenden Hütte im Wald. Recht unvermittelt folgt die Befragung eines Mannes (André Jung), dessen Auto vor geraumer Zeit gestohlen wurde ist. Der Fundort des Wagens ist auch ein Tatort: Ganz in der Nähe sind eine junge Frau und ihr Tennislehrer erschossen worden. Franziska Tobler (Eva Löbau) und Luka Weber (Carlo Ljubek), der den Kollegen Berg vertritt, steht die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. Die beiden sind so müde, dass sie beim Warten auf die Ergebnisse einer kriminaltechnischen Untersuchung einschlafen, bis ihre Chefin (Steffi Kühnert) für ein abruptes Erwachen sorgt: In der Waldhütte ist ein Mensch verbrannt. Aber dieser zweite Fall muss warten; Tobler und Weber konzentrieren sich zunächst darauf, den sogenannten Tennismörder zu finden. Eine Spur führt in die Vergangenheit: Vor 33 Jahren ist eine Frau unter ganz ähnlichen Umständen ermordet worden. Doch der einzige handfeste Hinweis, den sie haben, endet im Nichts: Ein etwas unterbelichteter Bauarbeiter (Johann von Bülow) zeichnet sich zwar durch eine etwas bizarre Vorliebe für weibliche Unterwäsche aus, aber ein Mörder ist er nicht.

Dann vielleicht Damian? Der ist derart verpeilt, dass er zu einer wichtigen Klausur zu spät kommt; und zwar drei Wochen. Lars Hubrich, Autor von Fatih Akins großartigem Jugenddrama "Tschick", lässt erst mal offen, was die Titelfigur mit dem Rest der Handlung zu tun hat. Fest steht nur, dass der von Thomas Prenn mit großer Intensität verkörperte junge Mann ein Getriebener ist. Der Jurastudent setzt sich unter enormen Leistungsdruck, auch Freundin Mia (Lena Klenke) kann ihm nicht helfen. Seine verzweifelte Lage spitzt sich immer mehr zu, zumal er ständig Stimmen hört, die ihn als Versager bezeichnen; unter Verfolgungswahn leidet er ebenfalls. Erst gegen Ende, als der Film mit gleich drei Knüllern verblüfft, lüften Hubrich und Koautor Stefan Schaller, der auch Regie geführt hat, Damians Geheimnis.

Die Qualität solcher Enthüllungen zeigt sich am Überraschungseffekt; in weniger gelungenen Filmen sind die Zuschauer den Autoren bis dahin längst auf die Schliche gekommen, sodass er verpufft. Hier jedoch gelingt es Hubrich und Schaller zu verschleiern, dass die beiden Handlungsstränge nicht nur räumlich auf unterschiedlichen Ebenen spielen. Der Regisseur ist durch sein Guantanamo-Drama "5 Jahre Leben" (2012) bekannt geworden und hat zuletzt mit viel Feingefühl die "Coming Out"-Geschichte "Aus der Haut" inszeniert; auch dieser Film zeichnete sich nicht zuletzt durch die vorzügliche Arbeit mit dem Hauptdarsteller aus. "Damian" imponiert zudem durch ein gerade im Detail sehr sorgfältiges Drehbuch. Die eindrücklichste Szene spielt im Zimmer des Studenten. Er hat die Wände mit Arbeitsblättern tapeziert, auch den Spiegel. Eine kleine Öffnung ist allerdings frei geblieben, und als sich in diesem Loch sein Auge spiegelt, sieht es so aus, als würde ihn jemand durch ein Loch in der Wand beobachten. 

Die Bildgestaltung von Andreas Schäfauer macht den "Tatort" ohnehin zu einem besonderen Film. Der Kameramann hat für den SWR schon bei einigen Krimis aus Konstanz ausgezeichnete Arbeit geleistet und diesmal dafür gesorgt, dass sich eine Art Schleier über den Bildern befindet. Ganz gleich, ob drinnen oder draußen, stets wirken die Aufnahmen, als liege feiner Dunst in der Luft. Was nach kunstvoller Selbstverwirklichung klingt, verleiht dem Film eine ganz spezielle Atmosphäre, vor allem im Zusammenspiel mit der dunklen Einrichtung. Damian lebt wegen der preiswerten Miete in einem Verbindungshaus, in dem eine bedrückende Stimmung herrscht; Schaller hat in der Nachbearbeitung dafür gesorgt, dass das Knarren der Dielen gut zur Geltung kommt. Auch das Ausflugslokal von Damians Eltern ist ein eher düsterer Ort. Selbst bei den Außenaufnahmen mag sich trotz Sonnenschein und blühender Forsythien keine Frühlingsstimmung einstellen.

Genauso vorzüglich wie die Bildgestaltung ist Schallers Arbeit mit den Schauspielern. Ausgerechnet die beiden Hauptdarsteller müssen zwar in erster Linie müde wirken, aber Johann von Bülow zum Beispiel ist als schlichtes Gemüt ganz fabelhaft, zumal es ihm gelingt, den Bauarbeiter nicht zu diskreditieren oder als Witzfigur erscheinen zu lassen. Ähnlich agiert Nora Waldstätten als Kollegin der Ermittler, die deren Arbeit begleiten und begutachten soll. Auch für diese Rolle gilt, was den gesamten Film kennzeichnet: ein oder zwei Umdrehungen mehr, und "Damian" wäre keine Tragödie, sondern eine Komödie geworden. Dieser Balance-Akt ist Schaller ebenso eindrucksvoll gelungen wie die elliptische Erzählweise mit ihren gezielten Leerstellen sowie die abenteuerlich anmutende, aber geschickt in die Handlung integrierte Musikauswahl, die von Bruce Springsteen bis zu Peter Maffay reicht. Selbst wenn es gerade die verstörende Titelfigur nicht leicht macht, mit diesem "Tatort" warm zu werden: Es lohnt sich.