TV-Tipp: "Kreuz des Südens"

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TV-Tipp: "Kreuz des Südens"
18. Mai, 3sat, 20.15 Uhr
Der Wiener Kommissar Wehrschitz kommt in sein burgenländisches Heimatdorf, um den Nachlass seines Vaters zu regeln. Eigentlich will er so schnell wie möglich wieder weg. Doch da kommt es im Zirkus, der gerade im Ort gastiert, zu einem tödlichen Zwischenfall.

Seit einigen Jahren zeigt das ZDF immer wieder mal einen österreichischen "Landkrimi". Anders als beim "Tatort" gibt es in den Filmen, die seit 2014 abwechselnd in den verschiedenen Bundesländern spielen, keine festen Teams. Das Muster der Geschichten ist meist das gleiche: Ein Kommissar aus der Stadt ermittelt in der Provinz, wo er auf Einheimische stößt, die ihm die Arbeit nicht gerade erleichtern. "Kreuz des Südens" war die fünfte Produktion der Reihe und hatte seine ORF-Premiere bereits 2015. Dass der Film nun nicht im "Zweiten", sondern bei 3sat läuft, wird jedoch weniger mit seinem Alter zu tun haben, zumal man ihm die Jahre nicht ansieht: Manche Dialoge sind für hiesige Ohren eine echte Herausforderung. Wenn sich Kommissar Wehrschitz (Andreas Lust) mit den alten Frauen in seinem einstigen Heimatort unterhält, werden viele Zuschauer kein Wort verstehen. Es spricht für Buch und Regie, dass die Geschichte trotzdem fesselt.

Der Wiener Kriminalkommissar hat bei einem Einsatz einen Schlag auf den Schädel bekommen. Die Hirnblutung konnte zwar operiert werden, aber nun ist er aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung psychisch und physisch nicht mehr diensttauglich; plötzliche Dunkelheit führt umgehend zu einer Panikattacke. Da trifft es sich gut, dass er im burgenländischen Reingraben den Nachlass seines verstorbenen Vaters regeln muss. Die Dörfler empfangen ihn allerdings nicht gerade herzlich. Auf frühere Mitbürger sind sie offenkundig nicht gut zu sprechen, obwohl sie regelmäßig ein Fest für die sogenannten Auswanderer veranstalten, von denen mittlerweile tatsächlich viele in Nordamerika leben. Die Ehrengäste werden mit einer Anstecknadel gewürdigt, die das Kreuz des Südens zeigt; das Sternbild diente Seefahrern einst bei der Rückkehr in die Heimat zur Orientierung.

Wehrschitz war allerdings erst vier Jahre alt, als seine Mutter damals ihren Mann verlassen hat. Seither hatte er keinen Kontakt mehr zum Vater, der Direktor der Dorfschule war; das Gebäude gehörte ihm, dort hat er auch gelebt. Der Sohn will das Haus verkaufen und Reingraben ein zweites Mal den Rücken kehren; diesmal für immer. Aber dann kommt es in dem Zirkus, der gerade im Dorf gastiert, zu einem tödlichen Zwischenfall: Als sich Messerwerfer Daniel die Augen verbinden lässt, bohrt sich sein letzter Wurf nicht in die Zielscheibe, sondern ins Herz des Sägewerkbesitzers Fenninger. Da es sich um einen Unfall handelt, ist der Mann bald wieder auf freiem Fuß. Die Dorfbewohner betrachten die Freilassung als Aufforderung, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen; Wehrschitz kann sie gerade noch von einem Lynchmord abhalten. Kurz drauf stirbt Daniel beim Mittagsmahl, offenbar einem Krebsleiden erlegen. Als sich der Kommissar mit dieser erstbesten Todesursache nicht zufrieden gibt, droht ihm ein ähnliches Schicksal.

Neben dem Zusammenspiel der Musik (Gerrit Wunder) mit den überwiegend in Braun- und Beige-Tönen gehaltenen Bildern (Kamera: Andreas Thalhammer, Xiaosu Han) lebt der bis auf wenige Ausnahmen entspannt inszenierte Film vor allem von der Komplexität der Handlung: Je mehr Wehrschitz mit Hilfe des Archivmaterials seines Vaters über die Historie des Dorfes erfährt, desto deutlicher wird ihm auch seine eigene Vergangenheit. Er hat seinem Erzeuger stets verübelt, dass der sich nie um ihn gekümmert hat; aber die Wahrheit war eine ganz andere. Zur Lösung des Rätsels trägt schließlich eine textlose Ansichtskarte bei, in die mehrere Löcher gestanzt sind; ein kleiner optischer Geniestreich öffnet Wehrschitz die Augen und führt ihn in ein Kinderheim, wo ihn eine echte Überraschung erwartet. Ivo Schneider, der auch das Drehbuch zum kürzlich ausgestrahlten guten "Tatort" mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser geschrieben hat ("Verschwörung"), lässt seinen Helden das Geheimnis wie das Innere einer Zwiebel bloßlegen: Wehrschitz trägt Schicht um Schicht ab, bis er schließlich rausfindet, dass das ehemalige Schulhaus, in dem das Klassenzimmer bis heute so erhalten geblieben ist, als würde gleich der Unterricht beginnen, einige Geheimnisse birgt. Eins ist derart grausig, dass es ihm buchstäblich den Atem verschlägt. Die Würdigung beim Auswandererfest ist anscheinend nicht allen Heimkehrern gut bekommen; und beim nächsten Fest soll ihm diese Ehre zuteil werden.

Da mit Ausnahme des Bürgermeisters (Lukas Resetarits) die meisten männlichen Einheimischen dem Klischee des vierschrötigen Hinterwäldlers entsprechen, fällt es Regisseurin Barbara Eder nicht schwer, die attraktive Lebensmittelhändlerin Eva (Franziska Weisz) umso strahlender erscheinen zu lassen, zumal die anderen Frauen im Dorf entweder nur Randfiguren sind oder zur sogenannten Kopftuchmafia gehören, einer Gruppe alter Vetteln, die sich über alles und jeden das Maul zerreißen. Dass auch Eva ein düsteres Geheimnis hütet, wird Wehrschitz erst klar, als es offenbar kein Zurück mehr für ihn gibt; der unlogische Epilog wirkt jedoch, als wollten Schneider und Eder ihr Publikum mutwillig verwirren. "Kreuz des Südens" war der erste TV-Krimi der österreichischen Regisseurin, die anschließend mit "Virus" (2017) und "Her mit der Marie!" (2018) zwei vorzügliche Beiträge für den "Tatort" aus Wien inszeniert hat. Ihre letzte Arbeit war die deutsche Netflix-Serie "Barbaren" (2020). Davor hat sie den sehenswerten Thriller "Wiener Blut" (2020, mit Melika Foroutan als Staatsanwältin) sowie den zweiteiligen ZDF-Thriller "West of Liberty" (2019, mit Wotan Wilke Möhring) gedreht.