Männerarbeit der EKD fürchtet baldiges Ende

Männerarbeit der EKD fürchtet baldiges Ende
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„Männerarbeit ist dort am erfolgreichsten, wo sie der Persönlichkeitsentwicklung Raum gibt und sich zu gesellschaftspolitischen Fragen äußert“, heißt es in einer Positionsbestimmung der Evangelischen Männerarbeit von 2016.
Männerarbeit der EKD fürchtet baldiges Ende
Vor 75 Jahren wurde die Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegründet. Sie erfährt großen Zuspruch von Männern und die Anerkennung von Frauen. Jedoch fürchten die Beauftragten ein baldiges Ende.

„Die Corona-Pandemie ist die ideale Zeit für neue Ideen“, diese Erfahrung macht der Männerreferent der Evangelischen Kirche der Pfalz, Gerd Humbert. Viele Männer machten sich Sorgen um die Existenz, stellten Fragen nach der Zukunft und nach Sinn. Humbert hat derzeit neun Männergruppen über Zoom organisiert und kann sich vor Zulauf kaum retten. Ob meditieren oder gemeinsames Väter-Coachen: „Ich könnte jeden Monat eine neue Gruppe gründen.“ Die Bedürfnisse von Männern prallen aber oft an Kirchenmauern ab.

„Ein Gottesdienst, der nur Monolog ist, ist nicht männergerecht“, begründet Humbert. Männer wollten nicht einfach etwas vorgesetzt bekommen. „Männer wollen einen Dialog über Existenzfragen, und sie wollen selbst organisieren.“ Das taten evangelische Männer vor 75 Jahren: Nach Diktatur, Krieg und staatlichem Zusammenbruch trafen sich vom 2. bis 4. Mai 1946 Vertreter aus vielen Landeskirchen in Hessen im ehemaligen Internat Dr. Lucius bei Echzell im Wetteraukreis. Mitglieder des früheren NS-nahen Deutschen Evangelischen Männerwerks und des Männerdienstes der oppositionellen Bekennenden Kirche taten sich zusammen und gründeten die Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Es fehle an Teilhabemöglichkeiten

Ihr Ziel: „Verloren gegangene Lebensgrundlagen in der Kirche aufzubauen und sie als moralisches Grundgerüst einer neuen Gesellschaft zu installieren“. Inzwischen hat die Männerarbeit sich gewandelt: „Männerarbeit ist dort am erfolgreichsten, wo sie der Persönlichkeitsentwicklung Raum gibt und sich zu gesellschaftspolitischen Fragen äußert“, heißt es in einer Positionsbestimmung von 2016. Dies aber in einem „gehörigen Abstand zu kirchlichen Organisationsformen“, denn: „Es fehlt an Teilhabemöglichkeiten von Männern am kirchengemeindlichen Leben.“

Seminare für Väter mit ihren Kindern organisieren - die Männerarbeit der EKD hat viele Facetten.

„Es ist widersprüchlich“, gibt der Vorstandsvorsitzende der EKD-Männerarbeit, Gerd Kiefer, zu: „Männer stehen nicht im Fokus der kirchlichen Arbeit, obwohl sie an vielen Stellen die Schalter in der Hand haben.“ Tatsächlich ernte er bei einem Bericht über seine Arbeit vor kirchlichen Gremien „oft ein gewisses Lächeln oder Grinsen“. „Da gibt es Vorstellungen von Stammtischrunden von vorgestern.“ Die tatsächlichen Angebote sehen anders aus - und stoßen auf großen Zuspruch.

Bedürfnis nach Spiritualität in der Natur

Zu Oasentagen, Mountainbiken mit geistlichen Impulsen oder Bibliodrama kämen viele Teilnehmer, berichtet der bayerische Referent für Männerarbeit, Pfarrer Günter Kusch. Männer wollten raus in die Natur, an eigene Grenzen gehen, selbst etwas herstellen. Ein Renner ist Kuschs Sargbaukurs an einem Wochenende, Gespräche über existenzielle Fragen und Verlusterfahrungen ergäben sich dabei von alleine. Als die Männer in einem Gemeindegottesdienst ihre Arbeit vorstellten, „hörte man eine Stecknadel fallen“, berichtet Kusch.

Der Sargbaukurs der Evangelischen Maennerarbeit in Dinkelsbuehl in Bayernwar 2014 der Renner.

Ralf Schlenker, Männerpastor für Mecklenburg und Pommern, bestätigt das Bedürfnis von Männern nach Spiritualität in der Natur: Ob ein Sensen-Seminar auf einem Ökobauernhof, Kanutouren mit einem biblischen Thema, ein Wochenende mit einem Jäger auf Pirsch - der Zulauf sei groß, abgesehen von der Unterbrechung in der Corona-Pandemie. Dabei könne es zu berührenden Erfahrungen kommen. So habe nach der Vorführung des Films „Die Hütte“ ein Freizeitteilnehmer vom Sterben seines Sohnes erzählt - „und die anderen haben ihn getragen“, berichtet Schlenker. „Dass sich einer vor 20 anderen offenbart, ist nicht selbstverständlich.“

Das Toxische am Männlichkeitsbild erkannt

Die evangelische Männerarbeit stehe nicht in Konkurrenz zur Frauenarbeit, sondern habe dieser viel zu verdanken, erklärt Vorstandsvorsitzender Kiefer. Frauen hätten die Anstöße gegeben, über Geschlechterrollen nachzudenken. Inzwischen sind die Männer- und die Frauenarbeit in der EKD unter steigendem Spardruck zusammengerückt: Sie gründeten 2016 das Evangelische Zentrum Frauen und Männer gGmbH in Hannover. Jedoch sähen die EKD-Sparpläne eine Schließung des Zentrums bis 2030 vor, sagt Kiefer.

Frauen zollen der Entwicklung der evangelischen Männerarbeit Respekt. Diese habe „das Toxische“ am traditionellen Männlichkeitsbild erkannt, sagt die Leiterin des Fachbereichs Evangelische Frauen in Deutschland und Geschäftsführerin des Evangelischen Zentrums Frauen und Männer, Eske Wollrad. Das alte Männerbild verbinde Privilegien mit selbstauferlegtem Druck und krank machenden Zwängen. Die Männerarbeit hingegen habe neue Formen der Männlichkeit entwickelt, etwa mit Vater-Kind-Freizeiten, und Männer auch als Opfer von Gewalt thematisiert. „Die Männer- und die Frauenarbeit haben ein gemeinsames Interesse.“

„Die Kirche hat nur eine Zukunft, wenn sie auch Männern eine Zukunft bietet“, ist Pfarrer Kusch überzeugt. Männerthemen wie Beruf, Sport, Familie, Gesundheit, Umwelt, Kultur bereicherten auch die Kirche. Einige Aktive der evangelischen Männerarbeit überlegen schon, für die Fortführung der Arbeit jenseits der Kirche einen Verein zu gründen, wie Referent Humbert berichtet. „Mit kreativen Formen sieht die Zukunft der Männerarbeit rosig aus“, ist er zuversichtlich.