TV-Tipp: "Erzgebirgskrimi: Der Tote im Burggraben"

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TV-Tipp: "Erzgebirgskrimi: Der Tote im Burggraben"
Samstag, 17. April, ZDF, 20.15 Uhr
Manchmal wäre ein Drehbuch vielleicht besser ein Roman geworden. Die dritte "Erzgebirg"-Episode von Krimi-Routinier Leo P. Ard alias Jürgen Pomorin handelt von gleich zwei Racheakten, die jeweils Jahrzehnte später vollzogen worden sind. Zu diesem eigentlichen Handlungskern stößt der Film aber erst in den letzten Minuten vor, als der Kommissar endlich die genretypischen Umwege absolviert hat.

Immerhin ist "Der Tote im Burggraben" insgesamt weitaus besser gelungen als zuletzt "Der tödliche Akkord" (2020): Der zweite "Erzgebirgskrimi" war um mindestens eine Klasse schlechter als der Auftakt, "Der Tote im Stollen" (2019). Das lag nicht nur, aber auch, am Wechsel des Hauptdarstellers: Stephan Luca hat die zentrale Rolle im ersten Film deutlich abgründiger angelegt. Kai Scheve spielt zwar eine andere Figur, aber ebenfalls einen Mann mit Vergangenheit: Robert Winkler ist in der Region aufgewachsen, jedoch wenige Jahre nach der Wiedervereinigung in den Westen gezogen, als seine Freundin unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen und er selbst in Veracht geraten ist.

Clever nutzt Ard die Vorgeschichte, um den Kommissar aus Sicht der Einheimischen zu diskreditieren: Wer sich damals aus dem Staub gemacht hat, kann keiner von uns sein, macht der Bürgermeister Stimmung gegen den vermeintlich Abtrünnigen.

Die Krimi-Ebene des Films ist allerdings eine ganz andere: Bei Baggerarbeiten an Burg Hartenstein wird die Leiche eines vor 30 Jahren erschossenen Mannes entdeckt. Winkler und seine junge Kollegin Karina Szabo (Lara Mandoki) von der Kripo Chemnitz brauchen nicht lange, um ein plausibles Motiv und somit auch einen potenziellen Täter zu finden: Die Burg gehörte einst einer gegen Kriegsende vor der anrückenden Roten Armee geflohenen Adelsfamilie. 1945 ging das Anwesen in den Volksbesitz über und wurde zu einem Waisenhaus. Nach der Wende ist der letzte Spross des Geschlechts derer von Schöneck in die alte Heimat zurückgekehrt, um den Besitz zurückzuverlangen. Erschossen wurde er mit einer 44er Magnum, jenem Revolver, der einst durch "Dirty Harry" berühmt geworden ist.

Die Waffe gehörte dem jungen Peter Klamroth (Florian Lukas), der sie aber kurz vor dem Mord im Rathaus abgegeben hat; Ortsvorsteher war damals wie heute Gerd Steigerwald (Thomas Thieme). Damit scheint der Fall klar: Der Bürgermeister hatte ein ganz erhebliches materielles Interesse daran, dass Ernst-Rudolf von Schöneck von der Bildfläche verschwindet; "Sterben statt erben" lautete der Arbeitstitel des Films. Aber dann stirbt auch Steigerwald, und Winkler steht vor einem Rätsel, dessen Lösung in die Zeit des Nationalsozialismus zurückführt. 

Die Verknüpfung der Gegenwart mit der Vergangenheit ist interessant, aber dazu kommt es eben erst gegen Ende. Bis dahin füllt Ard die Zeit mit allerlei Nebenebenen, damit auch Terese Weißbach Spielmaterial bekommt: Försterin Saskia Bergelt sucht einen Feuerteufel. Das hat zwar mit den Morden nur höchst indirekt zu tun, zumal Krimi-Fans früh ahnen werden, wer für die Waldbrände verantwortlich ist, aber die tatsächlich im Erzgebirge aufgewachsene Schauspielerin soll mit ihrem gelegentlichen Dialekt ohnehin vor allem für Lokalkolorit sorgen.  Zwischen Saskias Zeilen klingt zudem durch, dass sie dem Kommissar nicht nur aus Gründen der Wahrheitsfindung beisteht.

Trotzdem sind die Frauen in dieser Geschichte eindeutig nur Nebenfiguren, selbst wenn sich Karina mit ihrem Chef wieder einige witzige Wortgefechte liefern darf und die Traktor fahrende Rechtsmedizinerin (Adina Vetter) nach wie eine reizvolle Rolle ist. Die Inszenierung scheint allerdings deutlich größeres Interesse an den Männern zu haben, was auch damit zusammenhängt, dass das Skat-Trio Steigerwald, Klamroth und der Andenkenschnitzer Fromm (Michael Schenk) von Anfang an als tuschelnde Verdächtige eingeführt wird.

Regie führte Constanze Knoche, die seit ihrem Regiedebüt, dem fürs Kino entstandenen Familiendrama "Die Besucher" (2013), ausschließlich fürs ZDF gearbeitet und neben einem Dokumentarfilm ("Sad Songs of Happiness", 2014) sowie einer Folge der Reihe "Stunde des Bösen" (beide für "Das kleine Fernsehspiel") diverse Krimi-Serienfolgen gedreht hat. Ihr erster Primetime-Fernsehfilm ist ein solide inszenierter und gestalteter TV-Krimi (Kamera: Wolf Siegelmann), der jedoch in keiner Weise aus dem Rahmen fällt.

Das Ensemble, zu dem in wichtigen Gastrollen auch noch Jutta Wachowiak und Ruth Reinecke gehören, ist allerdings ausgezeichnet. Dass fast alle wichtigen Mitwirkenden ostdeutsche Wurzeln haben, mag aus Zuschauersicht nicht weiter wichtig sein, hat aber während der Dreharbeiten bestimmt für eine besondere Atmosphäre gesorgt. Das gilt auch für den Schauplatz: Drehort war das einst als "Perle des Erzgebirges" gerühmte und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörte Schloss Hartenstein.