Ein Kreuz aus 76.000 Schrauben

Schraubenkreuz soll dazu beitragen, das hinter abstrakten Zahlen stehende Leid von Coronatoten begreifbar zu machen
© epd-bild/Clemens Beckmann
Die Pastorinnen Stefanie (ganz rechts) und Ellen Radtke arbeiten mit der Teamerin Michelle Pramann (links) am Gründonnerstag in der Kirche von Eime bei Hildesheim an einem Kreuz aus rund 76.000 Schrauben.
Ein Kreuz aus 76.000 Schrauben
Jugendliche aus dem Landkreis Hildesheim erinnern an Corona-Opfer
Mit einem Kreuz aus tausenden Schrauben wollen Jugendliche aus Eime bei Hildesheim an die Opfer der Corona-Pandemie erinnern. Eine ganze Woche lang haben rund 30 Teamer und Konfirmanden der dortigen Kirchengemeinde mit Pastorin Stefanie Radtke Schraube um Schraube ins Holz getrieben.

Rund 100 Arbeitsstunden später, am Karfreitag (2. April), soll das Werk vollendet sein, sagte Pfarrerin Stefanie Radtke, die Teil des evangelischen Contentnetzwerks Yeet ist, am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Jede der etwa 76.000 kreuzförmig angeordneten Schrauben steht dann für einen von rund 76.000 Menschen, die bislang in Deutschland an den Folgen einer Corona-Erkrankung gestorben sind.

"Wir wollten für die Jugendlichen begreifbar machen, was diese Zahl bedeutet - und weshalb sie seit mehr als einem Jahr so viele Einschränkungen und so viel Verzicht auf ihr gewohntes Leben hinnehmen müssen", erläuterte Stefanie Radtke. Allein der immense Arbeitsaufwand für die Fertigung des Kreuzes habe ihnen eine Ahnung vermittelt, welch unvorstellbare Zahl an Schicksalen, an Schmerz und Trauer hinter den abstrakten Statistiken stehe. Zudem hätten die Jugendlichen ein Gefühl dafür bekommen, wie anspruchsvoll es sein muss, 80 Millionen Menschen durch Impfungen gegen das tödliche Virus zu wappnen: "Wenn es schon so viel Arbeit macht, 80.000 Schrauben in eine Holzplatte zu drehen, um wie viel größer muss die Anstrengung sein, bis alle Menschen in diesem Land geimpft sind?"

Virus-Test vorm Arbeitseinsatz

Bislang sei der rund 2.800 Einwohner zählende Flecken Eime im Landkreis Hildesheim glimpflich durch die Pandemie gekommen. "Wir haben hier bislang sehr wenige Corona-Fälle. Die meisten Jugendlichen kennen niemanden persönlich, der eine Infektion durchgemacht hat", erzählt Radtke und fragt: "Wie sollen sie so nachvollziehen, warum Geburtstage nicht gefeiert werden können und Fahrstunden zum langersehnten Führerschein nicht stattfinden?" Die Arbeit an dem Schraubenkreuz habe vielen Teilnehmern dabei geholfen, die Dimensionen der Pandemie zu begreifen - aber auch den Wert ihrer eigenen Vorsicht und Rücksichtnahme, die eine weitere Ausbreitung des Virus bremsen können. Vorsicht war auch bei der Aktion selbst geboten: So ließen sich die Jugendlichen vor jedem Arbeitseinsatz an dem Kreuz auf das Coronavirus testen.

Pastorin Stefanie Radtke und ihre Ehefrau erreichen mit ihrem Kanal "AndersAmen" inzwischen mehr als 10.000 Abonnentinnen und Abonnenten - und sehen darin ein "Pionier-Projekt" für die gesamte Kirche.

Einen ersten großen Auftritt hat das Schraubenkreuz am Karfreitag von 19 Uhr an auf dem christlich-queeren YouTube-Kanal "AndersAmen", den Stefanie Radtke seit mehr als einem Jahr gemeinsam mit ihrer Ehefrau Ellen betreibt. Das Kreuz soll, so karg und roh wie es ist, Teil einer Online-Karfreitagsandacht sein. "Zu Ostern werden wir die grauen Schrauben dann farbig übersprühen, als Ausdruck der Osterfreude", erzählt die Pastorin. Liturgisch korrekt wäre an Ostern nach der "kirchlichen Farbenlehre" eigentlich ein strahlendes Weiß. Aber bei "AndersAmen" ist eben manches anders - und so wird das Kreuz in frischem Grün und festlichem Gold erstrahlen, den Erkennungsfarben des YouToube-Kanals, der inzwischen mehr als 20.000 Follower hat.