TV-Tipp: "Tatort: Die Amme"

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TV-Tipp: "Tatort: Die Amme"
Sonntag, 28. März., ARD, 20.15 Uhr
Das "Tatort"-Duo aus Wien hat schon des Öfteren zumindest die österreichische Welt aus den Angeln gehoben. Im 50. Fall für Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) geht es eine Nummer kleiner zu: Eine Prostituierte ist erstochen worden, ihr kleiner Sohn ist verschwunden.

In der Folge "Die Amme" wollen Zeugen eine Frau gesehen haben, aber die vermeintliche Entführerin ist wie vom Erdboden verschluckt. Aus Sicht des Publikums ist das keine Überraschung: Mike Majzen (Buch) und Christopher Schier (Regie) geben früh preis, dass die Frau ein Mann ist, aber von dieser kleinen Anleihe bei Brian de Palmas Hitchcock-Hommage "Dressed to Kill" (1980) können Eisner und Fellner (Adele Neuhauser) natürlich nichts ahnen.

Der Oberstleutnant ist dem Täter sogar unmittelbar auf den Fersen, doch der Mann entpuppt sich als Kollege von der Grazer Drogenfahndung, der verdeckt in Wien ermittelt, weil ein hiesiger Dealer große Mengen Crack in die Steiermark liefert. Eisner lässt sich die Dienstnummer geben; die Angaben stimmen. Als sich rausstellt, dass sich die Tatumstände wiederholen, weil es vor Kurzem in einem Vorort einen ganz ähnlichen Fall gegeben hat – ebenfalls eine Prostituierte als Opfer, ebenfalls ein verschwundener kleiner Junge –,  muss das Ermittler-Team von einer Serie ausgehen; und natürlich wird es von der Hoffnung getrieben, dass die beiden Kinder noch leben.

Werden Krimis zu großen Teilen aus Täterperspektive erzählt, wird man als Zuschauer nicht selten zwangsläufig zum Komplizen, erst recht, wenn womöglich auch noch eine gewisse Sympathie entsteht; eine spezielle Form des Stockholm-Syndroms, bei dem sich beispielsweise Entführungsopfer mit ihren Entführern solidarisieren. In diesem Fall ist das anders.

Dafür ist der von Max Mayer betont bizarr verkörperte Mörder als Figur schlicht zu seltsam, zumal seine Beweggründe völlig unklar bleiben; erst ganz am Schluss, als für Sekundenbruchteile mutmaßliche Kindheitsbilder aufblitzen, deuten Buch und Regie ein Motiv an, das spätestens seit Alfred Hitchcocks Genre-Klassiker "Psycho" (1960) in Filmen über Serienmörder immer wieder herhalten muss. Gegenüber den Kindern, in deren Gegenwart er stets Perücke und Frauenkleider trägt, weil er ihre Mama sein möchte, zeigt der Mann allerdings eine in der Tat geradezu mütterliche Freundlichkeit; meistens jedenfalls. Da den beiden Jungs auch keine unmittelbare Gefahr droht, ist der Nervenkitzel eher hintergründiger Natur.

Über weite Strecken beschreibt der Film die vergebliche Suche der Polizei, während der Entführer in aller Seelenruhe zwischen den beiden Wohnungen hin und her fährt, in denen er die Jungs versteckt hat. Echte Spannung kommt daher erst zum allerdings äußerst packenden Finale auf, als Fellner dem Mörder buchstäblich ins offene Messer läuft.

Spannungen gibt es jedoch schon vorher: Die Majorin kann nicht schlafen, schon seit Tagen nicht. Sie hadert damit, dass die Polizei stets zu spät kommt, denn ihre Arbeit beginnt ja erst, wenn es bereits Opfer gegeben hat. Das ist in diesem Fall zwar nicht anders, aber die Kinder können ja noch gerettet werden.

Wegen ihrer Schlaflosigkeit wankt Fellner tagsüber entsprechend erschöpft durch die Handlung und reagiert auch mal ziemlich dünnhäutig; das bekommt vor allem eine neue Kollegin (Christina Scherrer) zu spüren. Hier erlaubt sich der Film eine seine wenigen subtilen Heiterkeiten: Die junge Mitarbeitern ist die Nachfolgerin des Assistenten Schimpf und heißt Meret Schande.

Auf die sonst obligaten Frotzeleien zwischen dem Ermittlerduo haben Majzen und Schier komplett verzichtet. Stattdessen erweist sich Eisner als äußerst fürsorglich und schenkt Fellner eine Entspannungs-CD mit Meeresrauschen. Am Ende kann sie endlich schlafen; zwar mehr, als ihr lieb ist, aber immerhin, weshalb der Film zum Abspann noch mit einer kleinen Besonderheit aufwartet.

Autor Majzen war unter anderem an der herausragend guten Sky-Serie "Der Pass" beteiligt. Schiers letzte Arbeit war "Lass den Mond am Himmel stehn" (2020), ein düster gefilmtes Münchener "Tatort"-Krimidrama über die Suche nach dem Mörder eines Jungen. Zuvor hat er die eher enttäuschende Neo-Serie "Dead End" (2019) inszeniert. Mit Krassnitzer und Neuhauer hat er bereits bei den sehenswerten ORF-Episoden "Wehrlos" (2017) und "Die Faust" (2018) zusammengearbeitet. An deren Qualität kommt "Die Amme" nicht ganz heran, aber die fließende Kamera-Arbeit (Thomas Kuerzl) ist ausgezeichnet und die Musik (Markus Kienzl) immerhin sehr präsent.