TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Sabine"

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TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Sabine"
14. März, ARD, 20.15 Uhr
Zehn Jahre lang haben sie Anlauf genommen, nun dürfen sie endlich ihre Gefühle ausleben: Der 23. Film - "Polizeiruf 110: Sabine" - mit Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau als Ermittlerduo ist über weite Strecken eine innige Romanze.

Florian Oeller knüpft mit seinem Drehbuch beim letzten Fall an, der in gewisser Weise einen Schlusspunkt setzte; "Der Tag wird kommen" (2020) wäre auch ein perfekter Abschluss für die Reihe aus Rostock gewesen. Zum Glück geht die Geschichte weiter: Bukow und König sind nun ein Paar und führen damit endlich zu Ende, was ihrem Schöpfer Eoin Moore womöglich schon 2010 als langfristiges Ziel vorschwebte. Romantischer Höhepunkt des Films sind zwei Karaoke-Liebeslieder ("Ohne dich", Münchener Freiheit, und "Halt dich an deiner Liebe fest" von Rio Reiser). Allerdings fremdelt die LKA-Kollegin noch etwas mit ihrer Rolle: Der bärige Bukow ist ein Beschützer, doch die emanzipierte König sieht sich nicht als Frau, die sich nach einem starken Mann an ihrer Seite sehnt.

"Sabine" wäre jedoch kein Krimi, wenn Oeller und Regisseur Stefan Schaller, dessen Sonntagskrimidebüt die kunstvoll düstere "Tatort"-Tragödie "Damian" (2018) aus dem Schwarzwald war, das Liebespaar nicht mit einer tödlichen Bedrohung konfrontieren würden.

Die Titelfigur ist zunächst das genaue Gegenteil von König: Als Sabine abends erschöpft von der Arbeit in einer Werftkantine heimkehrt, kann sie sich kaum noch auf den Beinen halten. Im Aufzug trifft die alleinerziehende Mutter auf ein Paar aus der Nachbarschaft; die Frau ist von den Spuren häuslicher Gewalt gezeichnet. In ihrer Wohnung hält sich Sabine eine Pistole unters Kinn, doch es ertönt nur ein Klick: Sie hat erst mal bloß ausprobiert, wie sich das anfühlt. Kurz drauf macht sie ernst: Sie wird ihre Arbeit verlieren, die Bank gibt ihr keinen Kredit, der Strom ist abgestellt; und diesmal ist die Waffe geladen. Als sie hört, wie der Nachbar wieder mal auf seine Frau einschlägt, fasst sie einen folgenschweren Entschluss: Sterben kann sie später. Vorher will sie mit all’ Jenen abrechnen, denen sie die Schuld daran gibt, dass ihr Leben keine Perspektive mehr hat.

Eine derartige Rolle muss jeder Schauspielerin wie ein Geschenk vorkommen. Anfangs, als Sabine völlig ausgebrannt ist, zeigt Luise Heyer praktisch keine Köperspannung; später stapft sie mit finster entschlossener "Terminatrix"-Mimik durch den Film und gestattet sich gelegentlich sogar den Anflug eines Lächelns. Die Nähe, mit der Schaller die zärtliche Zweisamkeit zwischen Bukow und König inszeniert hat, bildet naturgemäß einen krassen Kontrast zu dem heiligen Zorn, der Sabine zu ihrem Kreuzzug treibt.

Geschickt sorgen Buch und Regie zudem dafür, dass die Zuschauer zu Komplizen werden. Weil Oeller und Schaller die Geschichte aus Sicht von Sabine erzählen, vermitteln sie das Gefühl, die Männer hätten es nicht anders verdient: der Nachbar, der seine Frau verprügelt; der Manager, der die zu einem großen Konzern gehörende Werft dichtmacht und hunderte Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlässt, selbst aber in den Vorstand aufrückt; der Typ auf der Parkbank, der sich im Ton vergreift; und schließlich der Banker, der Sabines Ersparnisse verzockt hat.

All’ das wäre genug Stoff für einen Film, aber Oeller ergänzt Romanze und Tragödie durch zwei weitere Ebenen. Bei der Trauerfeier für den gemeinsamen Vater sucht der Kommissar die Versöhnung mit seiner Halbschwester (Lina Beckmann); ein beiläufiger, aber sehr intensiver Moment.

Die größere Ebene hat dagegen gewisse Schwächen, weil sich Schaller allzu plakativ typischer Versatzstücke des filmischen Arbeitskampfs bedient: Bei den Protesten der Belegschaft gegen die Schließung der Werft geht es sehr emotional und entsprechend lautstark zu, weil sich die Mitarbeiter nicht nur vom zynischen Manager (Lucas Prisor), sondern auch vom Betriebsratsvorsitzenden (Alexander Hörbe) verschaukelt fühlen; aber nicht jeder Schauspieler ist in der Lage, Lautstärke auch glaubwürdig auszuleben.

Trotzdem ist es eine Besonderheit des Films, Menschen ein Gesicht und eine Stimme zu geben, die nicht nur im Fernsehen meist übersehen werden. "Wir sitzen alle im selben Boot", sagt der Werftchef zum Betriebsrat, aber der weist ihn darauf hin, dass die einen das Sonnendeck genießen, während die anderen die Drecksarbeit machen. Als Sabine erkennt, dass ihr elfjähriger Sohn es höchstwahrscheinlich nicht besser haben wird als sie, weil sie ihm nicht den fürs Gymnasium nötigen Rückhalt geben kann, kommt es zum Tag der Abrechnung; an dessen Ende gerät auch das junge Liebesglück in größte Gefahr.