TV-Tipp: "Helen Dorn: Wer Gewalt sät"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Helen Dorn: Wer Gewalt sät"
6. März, ZDF, 20.15 Uhr
Mathias Schnelting und Marcus O. Rosenmüller erzählen in "Wer Gewalt sät" eine ganz normale Krimigeschichte. Künstlerpech ist die Feststellung, dass die wichtigste Episodenrolle ein Rettungssanitäter ist – wie schon im letzten "Tatort" aus Dresden ("Rettung so nah").

Helen Dorn ist jetzt also Hamburgerin. Natürlich steht nirgendwo geschrieben, dass TV-Kommissarinnen nicht umziehen dürfen, aber eine Erklärung, ganz gleich, wie beiläufig sie eingestreut wird, wäre schon schön. Bereits im letzten Film ("Kleine Freiheit", 2020) hatte die Düsseldorfer LKA-Kommissarin in der Hansestadt ermittelt, weil dort ein vor Jahren spurlos verschwundener vermeintlicher Kindermörder wieder aufgetaucht war. Anscheinend hat es ihr dort so gut gefallen, dass sie gleich da geblieben ist. Die ZDF-Erklärung ist auch nicht gerade befriedigend: Helen Dorn sei schon immer "als unabhängige Figur angelegt" gewesen, und Hamburg habe seit dem Ende von "Bella Block" wieder "Verstärkung in der Samstagskrimi-Landschaft verdient." Das wäre vermutlich auch alles zu vernachlässigen, aber "Wer Gewalt sät" ist zudem längst nicht so packend wie viele andere Filme der Reihe.

Der 14. Film der Reihe beginnt mit Szenen, die bestimmt nicht einfach zu drehen waren, denn sie spielen auf dem Hamburger "Sommerdom", einem riesigen Rummel (die Dreharbeiten fanden bereits 2019 statt): Dorn (Anna Loos) und der treue Kriminaltechniker Weyer (Tristan Seith), der ihr in den Norden gefolgt ist, fahren eine Runde Riesenrad. Kirmesimpressionen sorgen für schöne Bilder, und nur Pedanten werden einwenden, dass Polizistinnen in ihrer Freizeit eher nicht sichtbar bewaffnet auf ein Volksfest gehen. Die gute Stimmung wird kurz getrübt, als ein Sanitäterpaar Zeugen einer handgreiflichen Meinungsverschiedenheit wird, aber die Gemüter beruhigen sich schnell wieder, weil Dorn eingreift. Holger Krawitz (Matthias Koeberlin) holt Kaffee für sich und die Kollegin, die Polizistin schießt eine Rose für Weyer, damit er der attraktiven Rechtsmedizinerin Aligheri endlich gesteht, was er für sie empfindet, und dann geht die Geschichte erst richtig los: Als Krawitz zurückkommt, liegt die Kollegin schwer verletzt auf dem Boden, brutal und sinnlos fast zu Tode geprügelt und getreten. Die entsprechenden Bilder reicht der Film gegen Ende nach; sie sind nur schwer auszuhalten. Am nächsten Tag wird die Leiche eines jungen Mannes gefunden. Im Gegensatz zur Polizei wissen Krimifans, dass solche Fälle nur scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Tatsächlich gehörte der Bursche zu einer Clique, die ihre Aggression im Drogenrausch an der Sanitäterin ausgelassen hat. Als ein zweiter Jugendlicher ermordet wird, muss Dorn akzeptieren, was ihrer Kollegin Tempel (Franziska Hartmann) längst klar ist: Der Sanitäter ist offenbar im Stil von "Ein Mann sieht rot" zum Rächer geworden; aber die Wahrheit ist viel komplizierter.

Die Geschichte ist interessant, zumal tatsächlich lange offen bleibt, ob Krawitz wirklich Selbstjustiz verübt hat, aber in Rosenmüllers Umsetzung ist der Film trotz der Spannungsmusik von Florian Tessloff nur ein durchschnittlich guter TV-Krimi; und das ist für die Ansprüche von "Helen Dorn" zu wenig. Ärgerlich sind zudem die Animositäten zwischen Dorn und der Kollegin. Es ist schon seltsam, dass Kommissarinnen in deutschen Reihenkrimis ständig Zickenkriege führen müssen, selbst wenn Tempels Ärger verständlich ist: Die Polizei muss einen Verdächtigen laufen lassen, weil sich Dorn nicht an die Regeln gehalten hat. Immerhin hat Rosenmüller, dessen Taunuskrimis im "Zweiten" ebenso sehenswert waren wie seine beiden Schwarzwald-Krimis, die Momente stiller gegenseitiger Zuneigung zwischen dem schüchternen Weyer und der forschen Rechtsmedizinerin (Nagmeh Alaei) sehr schön inszeniert. Die eigentliche Story besteht dagegen inklusive oft gehörter Dialogsätze aus zu vielen bekannten Versatzstücken: Die Jugendlichen stammen größtenteils aus gutem Elternhaus, repräsentieren eine krimitypische Wohlstandsverwahrlosung und werden von ihren Darstellern entsprechend unsympathisch verkörpert. Als einer der Jungs übers Dach abhaut, ist völlig klar, dass Timo Berger (Max Koch), Dorns ansonsten sträflich unterbeschäftigter Mitarbeiter für den lästigen Kleinkram, ihn bereits erwartet. Die Väter und Mütter sind mit Roland Koch, Marc Hosemann und Regula Grauwiller zwar überraschend namhaft besetzt, aber viel zu tun haben die prominenten Gäste nicht. Kochs Mitwirkung als Unternehmenssanierer mit vielen Feinden fungiert letztlich bloß als Vorwand für das gleichfalls reihenkrimitypische Ablenkungsmanöver. Immerhin ist das Finale, als einem der Jungs das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht, ziemlich spannend. Für Dorn senior (Ernst Stötzner) hat sich Schnelting zudem eine sympathische Schlusspointe ausgedacht, die im Grunde für die einzige Überraschung des Films sorgt.