TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Für Janina"

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TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Für Janina"
18. Februar, RBB, 22.25 Uhr
"Für Janina", ein 2018 erstmals ausgestrahlter "Polizeiruf" aus Rostock, erzählt eine Geschichte, deren Reiz nicht zuletzt in der moralischen Empörung der Ermittler liegt.

Eine Fraktionsinitiative von Union und SPD will aktuell dafür sorgen, dass Angeklagte, die aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden sind, doch noch verurteilt werden können; bislang darf laut deutscher Rechtsprechung ein freigesprochener Täter für eine Tat kein zweites Mal angeklagt werden. Was Unschuldige davor bewahren soll, bei jeder neuen Indizienlage vor Gericht gezerrt zu werden, ist für Schuldige natürlich ein Freibrief.

Die Handlung des Films beginnt mit dem Besuch einer alten Dame (Hildegard Schmahl), die seit 30 Jahren regelmäßig im Revier erscheint, um Abteilungsleiter Röder (Uwe Preuss) an einen alten Fall zu erinnern: 1988 ist ihre Tochter auf dem Rückweg vom legendären Bruce-Springsteen-Konzert in Ost-Berlin vergewaltigt und erwürgt worden. Es gab damals einen Verdächtigen, der aufgrund von Indizien verurteilt worden ist, aber ein Jahr später wieder freigelassen werden musste, weil ein Reifengutachten einer näheren Prüfung nicht stand hielt.

Die Sache lässt der Gerechtigkeitsfanatikerin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) keine Ruhe, zumal die Mutter des Opfers eine frühere Polizistin ist. Als sich das Team ein TV-Interview anschaut, das damals im Rahmen einer Jugendsendung mit dem späteren Opfer und seinen Freundinnen geführt wurde, wird Bukow (Charly Hübner) klar, warum in der Unterwäsche der jungen Frau keine Spermaspuren gefunden wurden: weil sie zur Tatzeit eine Bikinibadehose trug, wie ihr feuchtes Kleid zeigt.

Mit einer mehr als fadenscheinigen Begründung organisieren die Ermittler eine Speichelprobe des damaligen Angeklagten (Peter Trabner); der DNS-Test ist in der Tat positiv. Das nützt aber nichts, denn ein neues Gerichtsverfahren wäre nur dann möglich, wenn der Mann ein Geständnis ablegt; und dazu lässt er sich verständlicherweise nicht bewegen. Aber es gibt noch eine Möglichkeit: König ist überzeugt, ein Täter dieses Typs "wütender Vergeltungsvergewaltiger" hat noch weitere Taten begangen, und findet tatsächlich einen Fall, der die gleiche Handschrift trägt.

Mindestens so wichtig wie die jeweiligen Fälle war beim "Polizeiruf" aus Rostock von Anfang das Mit- und Gegeneinander der beiden Hauptfiguren, die sich perfekt ergänzen: Gemütsmensch Bukow steht für Bauchgefühl, Analytikerin König für Intellekt. Trotz erheblicher Vorbehalte zu Beginn sind sich die beiden auch menschlich zwischenzeitlich sehr nahe gekommen.

In "Für Janina", der 18. Episode, ist der Riss wieder so groß wie am Anfang, weshalb es sehr einsam um Bukow geworden ist: Die Ehe ist am Ende, mit den Kollegen kriegt er dauernd Krach, und auf König ist auch kein Verlass mehr; erst recht, als sie schließlich in heiligem Zorn gegen all’ ihre Prinzipien verstößt. Jetzt sieht auch der völlig verschuldete Bukow keinen Grund mehr, ein Angebot seines kriminellen Vaters (Klaus Manchen) zurückzuweisen, das ihm mit wenig Arbeit zu viel Geld verhilft.

Keiner kennt Bukow und König so gut wie Eoin Moore, von dem auch die ersten Filme des 2010 gestarteten "Polizeiruf" aus Rostock stammen. Moore führt Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau regelmäßig zu Höchstleistungen, er versteht es auch wie kaum ein anderer, die kriminalistische und die private Ebene miteinander zu verbinden; es gibt genug abschreckende Beispiele (etwa der "Tatort" aus Berlin), bei denen das überhaupt nicht funktioniert. Deshalb ist "Für Janina" gewissermaßen zweifach sehenswert, denn die Rekonstruktion des alten Falls sowie der Versuch, den Täter in die Enge zu treiben, sind natürlich nicht minder fesselnd.

Die Qualität der auch bildgestalterisch sehr sorgfältigen Inszenierung zeigt sich schon beim Auftakt, als Röder ganz viel erzählen muss, um seine Mitarbeiter auf den Stand der damaligen Ermittlungen zu bringen; ein derartiger Informationsmonolog hätte auch ziemlich ermüdend ausfallen können. Zum Ausgleich reichert das an einen authentischen Fall angelehnte Drehbuch, das der aus Irland stammende Regisseur wie zuletzt des Öfteren gemeinsam mit Anika Wangard geschrieben hat, die Geschichte um interessante Nebenschauplätze an: Auf dem Video, das auf geradezu liebevolle Weise den echten Sendungen des DDR-Jugendmagazins "rund" nachempfunden ist, erkennt Bukow eine Jugendliebe wieder, die ihn damals "entjungfert" hat; beim Wiedersehen machen die beiden in ihrem mobilen Nagelstudio weiter, wo sie vor 30 Jahren aufgehört haben. König wiederum unterlaufen gerade zu Beginn eine ganze Reihe von Missgeschicken, die zum Teil fast Slapstick-Charakter haben; zusammen mit einigen witzigen Dialogen ein reizvolles neues Element im "Polizeiruf" aus Rostock.

Den Kontrast zu diesen komischen Momenten liefert nicht allein der Fall. Zum Auftakt des Films werden Bukow und König verurteilt: sie wegen gefährlicher Körperverletzung, er wegen einer Falschaussage, mit der er sie gedeckt hat. Beide müssen eine Geldstrafe zahlen, sind aber nun gebrandmarkt und deshalb äußerst dünnhäutig; gerade Bukow ist noch anfälliger als vorher, vom rechten Weg abzukommen. Der Deal, den ihm sein Vater vermittelt, ist mehr als zwielichtig, aber ausgerechnet König, deren Vorbild ihn immer in der Spur gehalten hat, taugt nicht mehr zur moralischen Instanz; ihre Auseinandersetzungen gipfeln gar in einem Handgemenge.

Wie schon diverse Episoden zuvor endet auch der 18. Fall mit der Frage, ob das Duo überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft hat. Aus heutiger Sicht lässt sich diese Frage natürlich leicht beantworten, schließlich gab es seither vier weitere Fälle; und die Geschichte des Vergewaltigers ist auch nocht längst nicht auserzählt.