TV-Tipp: "Tatort: Die Ferien des Monsieur Murot"

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TV-Tipp: "Tatort: Die Ferien des Monsieur Murot"
22. November, ARD, 20.15 Uhr
Der Titel ist eine Anspielung auf den französischen Klassiker „Die Ferien des Monsieur Hulot“ (1953) von und mit Jacques Tati, aber der neunte Film mit Ulrich Tukur als Wiesbadener LKA-Kommissar ist weder eine Hommage an den großen Komödianten noch komisch.

Während Hulot in einem Badeort mit seiner typisch skurrilen Art für große Verwirrung sorgt, gerät Felix Murot während seines Urlaubs im Taunus mitten in ein Mordkomplott. Die Geschichte beginnt mit einer Kapriole des Schicksals: Auf der Terrasse eines Ausflugslokals trifft der Hauptkommissar einen Mann, der sein Zwillingsbruder sein könnte. Vom Naturell her ist Walter Boenfeld allerdings ein völlig anderer Typ: Der Gebrauchtwagenhändler ist gesellig, aufgeräumt, jovial, trinkfest und lebensfreudig; also das genaue Gegenteil als der eher in sich gekehrten Schöngeists Murot.

Das hat natürlich nicht zuletzt praktische Gründe: Auf diese Weise reduziert Grzegorz Muskala, der das Drehbuch gemeinsam mit Ben Braeunlich geschrieben hat, die Verwechslungsgefahr; und Tukur hat sichtlich Freude daran, innerhalb des „Tatort“-Rahmens in eine gänzlich andere Rolle zu schlüpfen. Im Verlauf eines weinseligen Abends erzählt Walter seinem neuen Freund, er sei überzeugt, dass Gattin Monika (Anne Ratte-Polle) ihn umbringen wolle. Aus einer Laune heraus tauscht er die Rollen, und während Murot seinen Rausch ausschläft, macht sich der Doppelgänger auf den Weg ins Hotel, kommt aber nicht weit: Auf der Landstraße wird er von einem Auto erfasst; der Wagen setzt sogar noch mal zurück, um das mörderische Werk zu vollenden. Weil die Polizei im Jackett Murots Papiere findet, gilt er nun als tot, und da sich der Kommissar am Unfallort nicht ausweisen kann, behält er die Rolle von Walter kurzerhand bei. Als Monika bei seinem Anblick reagiert, als würde sie einen Geist erblicken, geht er selbstverständlich davon aus, dass die Befürchtungen seines Doppelgängers begründet waren.

Das Auto der Boenfelds weist wider Erwarten keinerlei Unfallspuren auf, also erweitert Murot den Kreis der Verdächtigen. Ein dringendes Tatmotiv hätte vor allem Walters bester Freund: Peter Lessing (Thorsten Merten) hat sich verzockt und den Nachbarn angepumpt; zur Sicherheit musste er ihm sein Haus überschreiben. Lessings Frau (Carina Wiese) hatte eine Affäre mit Walter und durchschaut die Scharade recht bald. Monika hingegen macht das Spiel mit: Sie ist überaus angetan von den neuen Seiten, die ihr ungewohnt nachdenklicher Mann an den Tag legt, und zur eigenen Überraschung stellt Murot fest, dass ihm das gefällt. Zu Beginn des Films hat er auf einer Ansichtskarte an seine Mitarbeiterin Wächter (Barbara Philipp) geschrieben, wie schön es sei, „dem vertrauten Raum zu entkommen“, und tatsächlich bietet ihm der Rollentausch einen unerwarteten Urlaub vom eigenen Leben. Der Spaß endet, als ein weiterer Mord geschieht. Wächter ist ohnehin sauer auf den Chef, weil er sie nicht rechtzeitig über sein „Ableben“ informiert hat, und wirft ihm nun völlig zu Recht unprofessionelles Verhalten vor.

Die Szenen mit dem Doppelgänger – Statthalter für die nachträglich eingefügten Aufnahmen des „Doubles“ und Spielpartner für Tukur war immerhin Jochen Horst – sind technisch perfekt; ansonsten ist die Inszenierung jedoch längst nicht so originell wie die Handlung. Muskala hat zuvor neben einigen preisgekrönten Kurzfilmen sowie Episoden für Krimiserien des ZDF („Der Kriminalist“) den Psychothriller „Die Frau hinter der Wand“ aus der Reihe „Stunde des Bösen“ vom Kleinen Fernsehspiel des ZDF gedreht. Seinem „Tatort“ hätten ein paar typische Hulot-Turbulenzen ganz gut getan, aber abgesehen von einem Tennis-Match, in dessen Verlauf Tukur den kuriosen Aufschlag Tatis imitiert, bewegt sich „Die Ferien des Monsieur Murot“ in konventionellem Rahmen. Schauspielerisch ist der Film allerdings ausgezeichnet. Für Tukur gilt das ohnehin grundsätzlich; Anne Ratte-Polle spielt den Wandel Monikas von der unsympathischen Gattenmörderin zur Ehefrau, die sich aufs Neue in ihren Mann verliebt, ebenfalls ganz vorzüglich. Auch Barbara Philipp ist weit mehr als bloß die Stichwortgeberin des Hauptdarstellers: Als Wächter während der Trauerfeier für ihren Chef ein paar Worte sagen soll, stellt sie fest, dass sie keine Ahnung hat, wer Murot in Wirklichkeit ist. Sehr amüsant sind hingegen zwei Kurzauftritte von Ruth Rupp als Autokäuferin. Die Sängerin hat vor 17 Jahren ihre Bühnenpremiere an der Seite Tukurs in der „Dreigroschenoper“ erlebt und feiert im stolzen Alter von 94 Jahren ihr „Tatort“-Debüt.