TV-Tipp: "Reiterhof Wildenstein: Neuanfang"

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TV-Tipp: "Reiterhof Wildenstein: Neuanfang"
16. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
Im Grunde ist der Entwurf der ARD-Reihe "Reiterhof Wildenstein" viel zu schlicht, um als Qualitätsfernsehen durchzugehen. Die Filme funktionieren wie ein Zwei-Komponenten-Kleber: hier die attraktive Heldin und ihre Liebe zu Pferden, dort die üblichen kleinen und großen Dramen.

Das Konstrukt wirkt, als habe die ARD-Tochter Degeto nach einem Stoff gesucht, der todsicher funktioniert. Trotzdem waren die ersten beiden Filme durchaus ansehbar, zumal Autorin Andrea Stoll dank des Heimkinddramas "Und alle haben geschwiegen" (2013, ZDF) oder der melancholischen Komödie "Chuzpe" (2015, ARD) bislang nicht für Zeitvertreibsfernsehen stand; und Regie führte immerhin Grimme-Preisträgerin Vivian Naefe. Von Stoll sind auch die Drehbücher zu den beiden neuen Episoden, aber die Inszenierung hat nun Teresa Hoerl besorgt, und das ist eine durchaus mutige Entscheidung; einziger Langfilm der Regisseurin ist das Kinojugenddrama "Nothing More Perfect".

Im letzten Film über die aus Amerika zurückgekehrte junge Reiterhoferbin Rike hatte ihr feindseliger Bruder Ferdinand (Shenya Lacher) den Hof verlassen und ihre große Liebe, das Springpferd Jacomo, mitgenommen. Ungleich größeren Ärger bereitet in "Neuanfang" allerdings der übertrieben strenge Herr Ischinger (Fritz Egger) vom Veterinäramt, der überall hygienische Mängel entdeckt und den Betrieb kurzerhand schließt, weil Rikes Stellvertreterin Tabea (Nele Trebs) nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt. Sämtliche Pensionspferde müssen den Hof verlassen. Ihre Therapie für verhaltensgestörte Tiere darf Rike ebenfalls nicht mehr anbieten; damit steht das Gestüt vor dem Ruin.

An den Herausforderungen für die Heldin hat sich also nicht viel geändert. Damit sich die Geschichten nicht allzu sehr ähneln, hat Stoll neues Personal eingeführt. Für weitere Spannungen sorgten bislang die Auseinandersetzung Rikes mit ihrer Mutter Elsa (Ulli Meier), aber nun bekommt sie Verstärkung: Die sympathische Althippie-Tante Michi ist das genaue Gegenteil ihrer Schwester; eine Paraderolle für Michaela May. Außerdem taucht auch Michis Ex-Mann Hubert (Gert Anthoff) auf. Er ist Anwalt und soll Rike gegen Ischinger beistehen, ist jedoch machtlos, weil der Beamte im Recht ist. Trotzdem hat Rike das Gefühl, dass der Veterinär bloß einen Vorwand gesucht hat, um sie zu schikanieren, und tatsächlich gibt es in der Vergangenheit des Mannes ein tragisches Ereignis, an dem indirekt auch Rike beteiligt war. Geschickt verknüpft Stolls Drehbuch diesen Handlungsstrang mit einem anderen, in dem Rike als Pferdeflüsterin gefragt ist: Ein Tier gerät regelmäßig in Panik, wenn es ungewöhnliche Autogeräusche gehört; auf wundersame Weise beendet die Therapie des Pferdes die existenzielle Bedrohung Wildensteins.

 Natürlich ist auch die dritte Geschichte von Rikes Liebe zu Jacomo geprägt; seine neue Besitzerin Loretta (Susu Padotzke), die Freundin von Rikes Bruder, spritzt dem Tier ein fragwürdiges Medikament, was dem Film zu ein bisschen Krimispannung verhilft, als Ferdinand der Sache auf den Grund gehen will. Beherrschendes Thema ist jedoch eine Botschaft, die Michi in Worte fasst: "Wenn man seine Ängste nicht besiegt, holen sie ihn immer wieder ein"; das gilt nicht nur für Ischinger, sondern auch für Rike, die sich den Dämonen ihrer Kindheit stellen muss. Für Regisseurin Hoerl liegt die Lösung der Probleme ihrer Figuren in dem Dialogsatz "Pferde können die Seelen heilen." Das klingt zwar wie eine Erkenntnis der esoterischen Tante Michi, aber dennoch ist "Neuanfang" auch für Skeptiker sehenswert, und das nicht nur wegen Rikes therapeutischer Selbstgespräche mit dem Hengst. Klara Deutschmann verkörpert ihre Rolle erneut sehr natürlich und auch bei den innigen Pferdeszenen sehr überzeugend.

Kamerafrau Leah Striker hat zudem für schöne Herbstbilder gesorgt. Davon profitiert auch der zweite neue Film, "Der Junge und das Pferd" (23. Oktober). Die Geschichte ist weniger dramatisch, allerdings auch nicht mehr so dicht. Trotzdem gibt es noch genug emotionalen Konfliktstoff: Weil Rike im Verdacht steht, Jacomo entführt zu haben, muss der Mann, in den sie sich verliebt hat, Polizist Jan Meier (Stefan Pohl), gegen sie ermitteln; der Beziehung ist das verständlicherweise nicht förderlich. Jan hat aber noch ein ganz anderes Problem: Das ohnehin nicht sonderlich gute Verhältnis zu seinem elfjährigen Sohn leidet ganz erheblich unter seiner Arbeit. Allerdings erweist sich Joschua (Mika Ullritz) als äußerst hilfreich, als sich Rike einer menschenscheuen Palomino-Stute annimmt: Kind und Pferd, beide vernachlässigt, sind offenbar Seelenverwandte. Vereinsamung ist das eine Thema des Films, Vertrauen das andere, denn Vertrauen, ist die Basis von allem; und das gilt nicht nur für Jan und Rike.