TV-Tipp: "Mein Altweibersommer"

Altmodischer Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Mein Altweibersommer"
12.8., ARD, 20.15 Uhr
Irgendwann stellt jeder Mensch sein bisheriges Leben in Frage; die einen früher, die anderen später. Ebba ahnt, dass sie etwas ändern muss, als sie einen bizarren Traum hat. Er beginnt mit Wehen in einem Containerhafen und endet im Krankenhaus, als sich die Ärztin freut: "Ein kräftiger Bursche, und so behaart – Sie haben einen gesunden Bären bekommen." Als kurz darauf tatsächlich ein Bär Ebbas Weg kreuzt, betrachtet sie die Begegnung als Wink des Schicksals und macht etwas ganz Verrücktes.

"Mein Altweibersommer" ist eine Verbeugung der ARD-Tochter Degeto vor Iris Berben; Deutschlands jüngste Seniorin wird heute siebzig. Hinter dem doppeldeutigen Titel könnte sich auch eine heitere Geschichte nach dem Motto "Älter werde ich später" verbergen; so hieß Berbens vor geraumer Zeit erschienener Bestseller über die "Geheimnisse ihrer Schönheit und Ausstrahlung" (wie der Verlag damals für das Buch geworben hat). Natürlich ist Beate Langmaacks Drehbuch auch eine Hommage an die scheinbar ewig junge Hauptdarstellerin, aber lustig ist die Handlung nicht, selbst wenn der Ausbruch aus der Ehe alle Voraussetzungen für eine romantische Komödie mitbringt: Lebensmitteltechnikerin Ebba lebt mit ihrem Mann Markus (Rainer Bock) in einem schönen Eigenheim. Das Paar führt eine Beziehung auf Augenhöhe und hat mit Anfang sechzig den Mut, beruflich noch mal was ganz Neues zu wagen.

Trotzdem scheint Ebba nach gut dreißig Ehejahren etwas zu vermissen. Bei einem Strandspaziergang stößt sie auf einen winzigen dänischen Wanderzirkus, in dem der "Direktor", Arne (Peter Mygind), allerlei Kunststücke mit dressierten Hühnern vorführt. Die große Attraktion ist jedoch der Auftritt eines Tanzbären, selbst wenn jeder sehen kann, dass sich unter dem Fell ein Mensch verbirgt. Die attraktive Ebba ist Arne gleich aufgefallen, und als der Bärendarsteller von der Polizei abgeholt wird, bietet er ihr an, den Zirkus auf seiner Reise durch Polen und das Baltikum bis nach St. Petersburg zu begleiten. Sie braucht etwas Bedenkzeit, aber dann willigt sie ein, und Ehemann Markus versteht die Welt nicht mehr, als er feststellt, dass die Gattin keineswegs auf einer Tagung, sondern spurlos verschwunden ist.

Die mehrfache Grimme-Preisträgerin Langmaack ("Guten Morgen, Herr Grothe") ist in Ebbas Alter und hat für Berben bereits "Hanne" (2019) geschrieben. In dem Drama lebt eine Frau ein Wochenende lang mit dem Verdacht, Blutkrebs zu haben. Angesichts einer derart existenziellen Bedrohung mag ein Vergleich nicht fair sein, selbst wenn es in beiden Filmen um den Rest des Lebens geht; aber "Hanne" (Grimme-Preis für Berben, Langmaack und Regisseur Dominik Graf) war nicht nur wegen der inhaltlichen Tragweite von ganz anderer Qualität. "Mein Altweibersommer" legt zudem die Vermutung nahe, dass die Geschichte als Komödie besser funktioniert hätte, zumal Laangmaack ihre Heldin mehrfach mit Situationen konfrontiert, die großes Heiterkeitspotenzial haben.

Die eigentliche Handlung beginnt mit einem Besuch des Ehepaars bei ihren Freunden Gesine und Jan (Leslie Malton, Martin Brambach). Es gibt Weinbergschnecken, die Ebba nicht mag, weshalb Markus heimlich die doppelte Portion vertilgen muss. Bald darauf ist allen schlecht, weil die Schnecken wohl verdorben waren; einzig Ebba hat offenbar einen sehr robusten Magen. Später wird sich Jan, der ein ziemlicher Angeber ist, bei Markus ausheulen, weil Gesine ihn vor die Tür gesetzt hat. Zu diesem Zeitpunkt ist aus Ebbas Zirkustour längst eine Liebesreise geworden, inklusive Lagerfeuerromantik und Sex bei Kerzenlicht. Was sie schließlich dazu veranlasst, den Ausbruch als Torheit zu betrachten und reumütig zu Markus zurückzukehren, lässt Langmaack offen. Vielleicht ist es der unangenehme Auftritt eines Betrunkenen, der die Vorstellung stört, vielleicht auch ein Hilferuf des Gatten, der ebenfalls ein Traum gewesen sein könnte; jedenfalls endet der Film ähnlich wie Janoschs Kinderbuchklassiker "Oh, wie schön ist Panama".

Regie führte Dustin Loose, der 2015 für seinen Kurzfilm "Erledigung einer Sache" den "Oscar" für Filmstudenten bekommen hat. Seine ersten beiden Fernsehfilme für den MDR waren ähnlich sehenswert: "Déjà-vu" (2018), ein intensiver Kindermörderkrimi mit dem "Tatort"-Team aus Dresden, und "Der höllische Heinz" (2019), ein kurzweilig-makabrer "Tatort" mit Christian Ulmen und Nora Tschirner. "Mein Altweibersommer" ist also ein abrupter Genrewechsel, und auch in diesem Fall ist ein Vergleich kaum möglich. Anders als die Krimis hat das Drama jedoch gewisse Längen, weil im Grunde nicht viel passiert. Außerdem muss Ebba die Handlung mehrmals um innere Monologe ergänzen ("Es gibt Momente, da kennt man sich selbst nicht mehr"); derartiger Erklärungsbedarf ist in der Regel ein schlechtes Zeichen. Die darstellerischen Leistungen sind allerdings sehenswert, und Iris Berben zuzuschauen ist ohnehin stets ein Vergnügen.