TV-Tipp: "Familie ist kein Wunschkonzert" (NDR

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Familie ist kein Wunschkonzert" (NDR
26.3., NDR, 22 Uhr
Einfallsloser lässt sich ein Film kaum betiteln; vermutlich haben sie bei der ARD-Tochter Degeto lange diskutiert, ob nicht "Das Leben ist kein Ponyhof" die bessere Wahl wäre. Nun ist es also "Familie ist kein Wunschkonzert" geworden; dabei kommt ein Ponyhof tatsächlich vor.

Zum Glück ist die 2017 erstmals ausgestrahlte Komödie derart gut, dass der Titel umgehend zur Nebensache wird. Der Film erzählt die Geschichte der jungen Philomena (Gro Swantje Kohlhof), die sich in ihrer Familie immer wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt hat. Während eines Praktikums bei der Kripo lässt sie einen Gentest machen, um endlich Gewissheit zu bekommen: Sie ist nicht die Tochter ihres Vaters. Ausgerechnet jetzt steht die Silberhochzeit ihrer Eltern an, die hoch im Norden auf einer Hallig einen Ponyhof betreiben. Gemeinsam mit ihren Schwestern (Claudia Eisinger, Karin Hanczewski) macht sich Philo auf den Weg quer durch Deutschland, um ihre Eltern zur Rede zu stellen.

Schon die Ausgangsbasis ist gerade wegen des hohen Dramapotenzials ein wunderbarer Komödienstoff. Zu einem großartigen Film wird "Familie ist kein Wunschkonzert" wegen der Hauptdarstellerinnen. Gerade Gro Swantje Kohlhof, damals gerade 22, hat hier erneut ihre herausragende Begabung unter Beweis gestellt. Die junge Hamburgerin hat bereits 2015 einen "Tatort" aus Bremen dominiert ("Die Wiederkehr"). Sie spielte darin ein vor Jahren verschwundenes Mädchen, das aus heiterem Himmel wieder auftaucht, und hat das derart formidabel gemacht, dass ihr Ausnahmetalent offenkundig war. 2016 folgte, womöglich noch eindrucksvoller, die Titelfigur in "Rebecca", einem "Tatort" aus Konstanz. Die Rolle der Philomena kommt ihrem dramatischen Talent entgegen, denn sie ist keineswegs komisch. Für Philos Schwestern gilt das nicht minder; zur Komödie wird der Film erst durch die Konstellation des Ensembles. Einzig Laura (Hanczewski), die älteste Schwester, ist etwas klischeehaft geraten: Sie führt ein Dasein an der Seite eines Musterspießers, das ihrem wahren Naturell komplett widerspricht, aber das lernt sie erst mit Hilfe einer attraktiven Anhalterin; Morgane Ferru, dank der Reihe "Praxis mit Meerblick" längst im "Ersten" etabliert, genügen wenige Szenen, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Ähnlich hin und hergerissen ist Kristin (Eisinger). Sie ist dabei, Karriere als Luft- und Raumfahrttechnikerin zu machen, befindet sich derzeit jedoch in einem Zustand mittelgroßer Verwirrung, weil sie nicht weiß, ob sie den Avancen von Rick (Sebastian Fräsdorf), Philosophiestudent im 18. Semester, aber "höchstens Nachbar", nachgeben soll. Außerdem ist sie schwanger; aber nicht von Rick.

Wie alle Road-Movies erzählt auch "Familie ist kein Wunschkonzert" von einer Reise zu sich selbst; so gesehen ist der Film die komödiantische Antwort auf "Meine Schwestern" von Lars Kraume (2014). Während das Kinodrama eine Reise in den Tod war, weil eine der Schwestern Krebs hatte, ist Sebastian Hilgers zweite Regiearbeit nach seinem Studentenfilmdebüt "Wir sind die Flut", einem Mystery-Thriller (ebenfalls mit Kohlhoff), in mehrfacher Hinsicht eine Reise ins Leben; das Drehbuch schrieb Hilger wie schon beim Debüt gemeinsam mit Nadine Gottmann. Die beiden haben den Film mit einem bemerkenswerten Handlungs- und Ideenreichtum versehen. Schon allein die Idee, das Trio mit einem abgewrackten Feuerwehrauto auf die Reise in den hohen Norden zu schicken, weil die Bahn streikt, sorgt für diverse amüsante Szenen und ermöglicht Rick einen heldenhaften Einsatz, als er das Gepäck der Schwestern aus dem brennenden Auto rettet. Das bewahrt ihn allerdings nicht davor, von der Polizei verhaftet zu werden. Gestrandet ist das Quintett, zudem sich zwischenzeitlich auch Charlotte gesellt hat, in Paderborn. Dort leben nicht nur Lauras Schwiegereltern, sondern auch Knut (Peter Jordan), den Philo für ihren Vater hält. Die Übernachtung bei ihm führt zu weiteren Verwicklungen und beschert Laura ein unerwartetes Erweckungserlebnis. Passend zum Abwechslungsreichtum der Geschichte hat Hilger den Film auch optisch interessant gestaltet; mitunter genügt ihm ein Schnitt, um eine Szene zu Ende zu erzählen. Die Dialoge sind flott und entsprechend vorgetragen, aber fast noch schöner ist ein nur mit Mimik und Blicken ausgetragener Disput zwischen Kristin und Philo.