Lutherpreis-Trägerin Ates sieht freies Wort "extrem gefährdet"

Frauenrechtlerin Seyran Ates
©epd-bild/Christian Ditsch
Seyran Ates erhält den diesjährigen Lutherpreis "Das unerschrockene Wort". Der Bund der 16 Lutherstädte in Deutschland vergibt den Preis alle zwei Jahre Im Andenken an das Wirken Martin Luthers.
Lutherpreis-Trägerin Ates sieht freies Wort "extrem gefährdet"
Die Frauenrechtlerin und Autorin Seyran Ates (56) erhält am 27. April in Marburg den diesjährigen Lutherpreis "Das unerschrockene Wort".

Für sie sei die Auszeichnung von enormer Bedeutung, sagte die Anwältin dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Immer wenn ich das lese, 'Das unerschrockene Wort', dann lacht mein Herz, es macht etwas mit meiner Seele, ich habe ein viel stärkeres Rückgrat." Der Preis sei eine "großartige Wertschätzung" ihrer Arbeit. Ates hat in Berlin eine liberale Moschee ins Leben gerufen. Wegen Morddrohungen steht sie unter Polizeischutz.

Die von ihr initiierte Ibn-Rushd-Goethe-Moschee ist für alle Konfessionen offen. Männer und Frauen beten dort gemeinsam, Homosexuelle und Gäste sind willkommen. Mittlerweile seien dort acht Mitarbeiter angestellt, die den liberalen Islam voranbrächten, sagte Ates.

"Wir leben in einer heterogenen Welt"

In der Öffentlichkeit trete sie mit der Botschaft auf, "dass wir in einer heterogenen Welt leben", in der jeder einzigartig und jeder anders sei. Sie akzeptiere keinerlei Gewalt und stehe ein für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie weise darauf hin, dass auch jedes muslimische Mädchen das Recht habe, einen Bikini zu tragen, wenn sie es will. Eine 16-Jährige dürfe sich verlieben, unabhängig davon, in was für eine Familie sie hineingeboren wurde. "Unter anderem wegen dieser Einstellung werde ich bedroht", erklärte die Frauenrechtlerin.

Die Angriffe kämen von Kräften, "die nicht wollen, dass Muslime mit Christen und Juden friedlich zusammenleben oder dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind." Ates sagte weiter: "Diese Leute haben sehr viel Geld und somit viel Macht." Beispielsweise seien erstaunlich viele reiche islamische Länder, in denen Homosexualität verboten sei oder unter Todesstrafe stehe, wirtschaftlich in Europa stark vertreten. Aus wirtschaftlichen Gründen ließen sich viele europäische Länder erpressen oder schwiegen einfach.

Die Rechtsanwältin bezeichnete die Meinungsfreiheit "extrem gefährdet". Angriffe auf das freie Wort kämen "von rechts und links". "Es ist in weiten Teilen gefährlich, in den sozialen Medien seine Meinung zu äußern." Viel zu selten werde gegengesteuert, etwa in den traditionellen Medien. Vom deutschen Staat erhielten sie und ihr Team bisher keine finanzielle Unterstützung, sie arbeiteten jedoch an entsprechenden Anträgen. "Unterstützt auch einen zeitgemäßen Islam, das ist meine Forderung", sagte Ates.

Der Bund der 16 Lutherstädte in Deutschland vergibt den mit 10.000 Euro dotierten Preis "Das unerschrockene Wort" alle zwei Jahre. Im Andenken an das Wirken Martin Luthers werden Menschen gewürdigt, die Zivilcourage zeigen und sich mit Wort, Tat und Mut gegen Widerstände für die Gesellschaft einsetzen.