Schwimmen unterm Kirchsaal

Diakonissen-Mutterhaus
© epd-bild/Frank Drechsler
Das Diakonissen-Mutterhaus Neuvandsburg in Elbingerode im Harz in Sachsen-Anhalt gehoert als eines der bedeutendsten Zeugnisse des Neuen Bauens zur bundesweiten Grand Tour der Moderne. Das Schwimmbad liegt direkt unter dem Kirchsaal.
Schwimmen unterm Kirchsaal
Schlicht und praktisch: Hinter der Fassade des Diakonissen-Mutterhauses in Elbingerode versteckt sich eine faszinierende und überraschende Architektur aus der Zeit des Bauhauses. Als einmalig gilt ein direkt unter dem Kirchsaal gelegenes Schwimmbad.

Die Ideen des Neuen Bauens aus der Bauhaus-Zeit stecken im Diakonissen-Mutterhaus Neuvandsburg in Elbingerode in den unzähligen und sogar kleinsten Details: Farbgestaltung, Materialien, Wände und Fußböden, selbst die Garderobenhaken sowie die Tischbeine im großen Speisesaal - alles ist irgendwie Bauhaus-Stil. Anfang der 1930er Jahre entstand in dem kleinen Ort im Harz ein seinerzeit hochmoderner Neubau für die damals wachsende Schwesternschaft, der noch heute ein Zentrum für evangelische Diakonie und Mission ist. Immer wieder betritt eine Schwester in der typischen Schwesterntracht mit dunklem Kleid und weißer Haube das auf den ersten Blick schlichte Gebäude, an dem außen der Schriftzug "Neuvandsburg" in Großbuchstaben prangt.

Schwester Cornelia führt durch das Haus, das sie seit Jahrzehnten kennt, und das ihr Zuhause ist. Sie selbst kam als 19-Jährige vor über 50 Jahren nach Elbingerode, hatte einige Einsätze an anderen Stationen. Sie habe sich "von Gott wirklich berufen gefühlt", diesen Weg einzuschlagen, sagt die heute 76-Jährige. Die Diakonissen erschienen ihr zuvor als Vorbilder. Heute sagt sie: "Das ist für mich der Platz meines Lebens." Fast 150 Schwestern leben heute noch auf dem Gelände rund um das Diakonissen-Mutterhaus - auch im angeschlossenen Seniorenheim, die meisten sind nämlich längst weit im Rentenalter. Nachwuchs gibt es nicht mehr.

Das zwischen 1932 und 1934 errichtete Zentrum für evangelische Diakonie und Mission in Elbingerode dient nach wie vor Wohn- und Krankenpflegezwecken. Noch heute leben dort fast 150 Schwestern.

Alles unter einem Dach

Auf das 1934 eingeweihte und bis heute gut erhaltene Gebäude selbst ist die Elbingeröder Schwesternschaft stolz. Vieles, was damals praktisch und funktional war, funktioniert bis heute. Dazu gehören die Wandverkleidungen aus Kalksteinplatten, in den Wänden eingebaute Hängeschränke, Beleuchtungskonzepte oder die Garderoben und Toiletten neben dem riesigen Kirchsaal. Der Eingang zum Kirchsaal erinnert so an einen Theaterbereich. Die weiten Treppenaufgänge mit Geländer ähneln denen im Bauhaus Dessau. Überall im Haus verteilt finden sich immer wieder Rundungen oder Kreise. Die Böden sind hell und dunkel abgesetzt. Alles wurde über die Jahre gut gepflegt und erhalten.

###galerie|154723|Form, Material und Liturgie###

Verantwortlich für den Bau war der aus Erfurt stammende Architekt Godehard Schwethelm (1899-1992). Er war von den Ideen des Bauhauses, das 1919 von Walter Gropius (1883-1969) in Weimar gegründet wurde, inspiriert. Er entwarf für die Schwesternschaft Neuvandsburg einen Stahlskelettbau. Er soll damals sogar einige Zeit in Elbingerode gelebt haben, um zu erspüren, was die Schwestern in ihrem Alltag im Mutterhaus brauchten, berichtet Schwester Cornelia. So entstand schließlich alles unter einem Dach - von der Verwaltung bis zum großen Speisesaal. Es gab auch einen Fahrstuhl und eine Telefonzelle. Von 1932 bis 1934 wurde der Bau errichtet.

Die Räume sind flexibel nutzbar

Architektonisches und in dieser Form einzigartiges Highlight ist ein Schwimmbad, das direkt unter dem Kirchsaal liegt. Damals stand die zuständige Oberin vor der Wahl, wie die Überproduktion der Heizkessel genutzt werden sollte: Gewächshaus oder Schwimmbad. Sie entschied sich schließlich für das Bad, das der sportlichen Betätigung und damit der gesunden Lebensweise der Diakonissen dienen sollte. Früher gab es sogar noch ein Sprungbrett. Noch heute wird das Schwimmbad genutzt. Gleich hinter dem Kirchsaal führt eine steinerne Wendeltreppe hinab zum Badebereich. Ein warmer Schwimmbad-Geruch liegt in der Luft. Im Inneren herrscht  Betriebsamkeit. Auch Patienten der naheliegenden Klinik oder Vereine können das Schwimmbad nutzen.

Der Kirchsaal darüber ist flexibel nutzbar, 700 Menschen können darin Platz finden. Heute finden hier Gottesdienste nur noch an Sonntagen statt, für die Andachten reicht mittlerweile ein kleinerer Raum aus. Der Architekt ließ damals auch eine herausziehbare Leinwand einbauen. Die Stühle und Kanzel sind nicht fest installiert. Schwester Cornelia schaltet das Licht in dem riesigen Saal an und fasst den Anspruch des Architekten Schwethelm zusammen: Er wollte damals unter drei Gesichtspunkten bauen, "so praktisch, so ästhetisch und so dauerhaft wie möglich". Der Rundgang fühlt sich ein wenig wie ein Museumsbesuch an, ein Besuch in der Zeit des Bauhauses. Doch diesen Vergleich will Schwester Cornelia eigentlich nicht so recht gelten lassen: "Dieses Haus lebt ja noch und es funktioniert noch."