Wachsende Kritik an Abschiebung getaufter Iraner

Im Sommer 2016 taufte Regionalbischöfin Dorothea Greiner in der Bayreuther Stadtkirche die ersten 20 iranischen Geflüchten. Nun droht einigen von ihnen die Abschiebung.
Wolfgang Lammel/epd-bild
Im Sommer 2016 taufte Regionalbischöfin Dorothea Greiner in der Bayreuther Stadtkirche die ersten 20 iranischen Geflüchten. Nun droht einigen von ihnen die Abschiebung.
Wachsende Kritik an Abschiebung getaufter Iraner
Regionalbischöfin Greiner: "Christenverfolgung ist eine Realität"
Der Übertritt vom Islam zum Christentum ist für Menschen aus dem Iran eine folgenschwere Entscheidung: Eine Rückkehr ins Heimatland bedeutet oft Verfolgung oder schwerste Strafen. Dennoch mehren sich die Fälle von Abschiebungen aus Deutschland.

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen ist eine Abschiebung christlicher Iraner aus Oberfranken vorerst gescheitert. Der Transport einer dreiköpfigen Familie wurde am Montag kurz vor dem Abflug vom Münchner Flughafen abgebrochen. Aus der Kirche kommt jetzt verstärkte Kritik an der Abschiebepraxis der zuständigen bayerischen Behörden: Auf die zu befürchtende Gefährdung der Rückkehrer wegen ihres Glaubenswechsels werde inzwischen immer weniger Rücksicht genommen.

Deutliche Kritik übte jetzt die Bayreuther evangelische Regionalbischöfin Dorothea Greiner. Mit einer Abschiebung der Konvertiten werde das Menschenrecht auf freie Religionsausübung missachtet, sagte sie am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bislang seien Iraner und Iranerinnen nicht ohne eine sogenannte Freiwilligkeitserklärung in ihr Heimatland abgeschoben worden. "Dass sich nun die Praxis verändert hat, alarmiert alle christlichen Gemeinden in Bayern, in denen Iraner und Iranerinnen eine geistliche Heimat gefunden haben und ihr Bekenntnis zu Christus in engagierter Weise leben."

Reaktion auf Abschiebung einer iranischen Familie

Mit diesem Statement reagierte Greiner auf eine von der Zentralen Ausländerbehörde Oberfranken angeordnete Abschiebung einer iranischen Familie. Das Ehepaar war mit seinen heute 14 und 18 Jahre alten Töchtern über Ungarn nach Deutschland gekommen und lebte seit Mai vorigen Jahres in Bamberg. Nach Auskunft von Pfarrerin Mirjam Elsel, Koordinatorin für die Flüchtlingsarbeit im Dekanat Bamberg, sind alle Familienmitglieder getaufte Christen, die sich seit ihrer Ankunft in Bamberg in der evangelischen Erlöserkirchengemeinde sehr aktiv beteiligt hätten. Auch arbeite ein Bruder des Familienvaters als Pastor in einer freikirchlichen Gemeinde in Schweden.

Am Montag (28. Januar) wurden die Eltern und die jüngere Tochter am Montag im Bamberger Ankerzentrum von der Polizei in Gewahrsam genommen und nach München gebracht. Weil die Mutter am Flughafen einen Schwächeanfall erlitten habe, sei die Abschiebung abgebrochen worden, berichtet Elsel. Die Eltern seien zunächst inhaftiert und die 14-Jährige in eine Unterkunft für jugendliche Flüchtlinge gebracht worden. Für die inzwischen volljährige ältere Tochter läuft ein eigenes Asylverfahren.

Freie Religionsausübung als Menschenrecht

Die anderen Asylanträge wurden laut Mirjam Elsel sowohl in Ungarn als auch in Deutschland rechtskräftig abgelehnt. Eine Erklärung, die Ausreise in den Iran würde freiwillig erfolgen, habe keines der Familienmitglieder abgegeben. Eine solche "Freiwilligkeitserklärung" wird jedoch in der Regel von der iranischen Auslandsvertretung gefordert, um eine Rückreise zu erlauben. Nach Ungarn werde "aus gutem Grund nicht abgeschoben, auch weil Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Kriterien dort nicht gewährleistet sind", merkte die Pfarrerin an.

Im Asylverfahren habe in Deutschland jedoch keine Glaubwürdigkeitsprüfung über die Konversion zum christlichen Glauben stattgefunden. "Wie in einer so kritischen Frage des Glaubenswechsels keine individuelle Prüfung mehr erfolgen konnte, ist völlig unverständlich", sagte Elsel dem epd. Im Iran drohen ehemaligen Muslimen, die zu einer anderen Religion übergetreten sind, schwere Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe. "Zum Christentum konvertierte Personen genießen überhaupt keinen Rechtsschutz", heißt es in einer Information der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Falles appellierte Regionalbischöfin Greiner am Dienstag an Regierung und Behörden, die Gefährdung dieser Menschen zu beachten: Christenverfolgung sei eine Realität und geschehe in Ländern wie Iran oder Pakistan. "Die freie Religionsausübung ist ein Menschenrecht. Es wird missachtet, wenn praktizierende, bekennende, im Gemeindeleben engagierte, Christen in den Iran abgeschoben werden", betonte Greiner.

Unterstützt wird diese Haltung in einer Erklärung des Bamberger Dekans Hans-Martin Lechner: "Wir können nicht auf der einen Seite Kreuze in bayerische Behörden hängen und auf der anderen Seite christliche Schwestern und Brüder in die Verfolgung abschieben." Für Dienstagabend wurde zu einem Mahngebet vor der Erlöserkirche eingeladen.

Im Bamberger Ankerzentrum warten nach Worten von Mirjam Elsel derzeit knapp 180 iranische Staatsgehörige auf eine mögliche Abschiebung. Die zahlenmäßig größte Gruppe in der Einrichtung seien Menschen aus Russland, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas in Deutschland Asyl suchten.

Erst vor zwei Wochen sorgte der Fall eines jungen christlichen Iraners aus Kulmbach für Aufsehen. Seine Abschiebung wurde abgebrochen, weil er sich vor dem Transport nach München selbst verletzte. Für seinen Verbleib in Deutschland wurden votierten bei einer Online-Petition inzwischen über 5000 Unterstützer; mit dem Ergebnis einer Anhörung vor dem Bayreuther Verwaltungsgericht wird im Lauf dieser Woche gerechnet.