„Ogottogott“ – Glaubenssuche ironisch unterfüttert

Kabarettist Jan-Christof Scheibe
Foto: Mechthild Klein
Der Kabarettist Jan-Christof Scheibe in seinem kleinen Ton-Studio in Hamburg.
„Ogottogott“ – Glaubenssuche ironisch unterfüttert
Der Hamburger Kabarettist Jan-Christoph Scheibe beschäftigt sich in seinem Programm mit der Frage: "Wie glaubt man und wenn ja, warum?" Dass er es damit ernster meint, als man denkt, erkennt man daran, dass er damit zum Dialog in Kirchen einlädt.

Jan-Christof Scheibe kennt als Enkel zweier Pastoren und Sohn eines Kirchenmusikers den Backstage-Bereich der Kirche ziemlich gut. Wenn der Hamburger Kabarettist seine Suche nach Gott auf die Bühne bringt, ist Kollateral-Schaden vorprogrammiert. Doch Scheibe sucht ernsthaft den Dialog.

Mitten auf der Reeperbahn in Hamburg St. Pauli liegt seine Spielstätte, das Imperial Theater. Die Titel seiner Bühnenshows "Zuviel Sex ist gar nicht gesund" und "Play-Boy" könnten leicht in die Irre führen. Denn mit der Kabarett-Lesung "Ogoddogott – Wie glaubt man und wenn ja, warum?" will Jan-Christof Scheibe weder simples Kirchen-Bashing betreiben noch Bekehrungen fördern. Er schildert stattdessen seine persönliche Suche nach Gott in schillernden Farben, durchaus unterhaltsam und manchmal auch abwegig.

Wie zum Beispiel in dieser frühen Episode. Scheibe gibt als gelangweilter Jugendlicher den zukünftigen Konfirmanden seiner Gemeinde Bibelstunden. Immer ist er froh, wenn er nicht nach dem theologischen Hintergrund gefragt wird. Als aber nach der Bibel-Stunde eine 13-jährige Konfi-Schülerin ihn ausgerechnet nach der kreuzförmigen Narbe auf seiner Stirn fragt, da geht der Schalk mit ihm durch:

Scheibe provoziert gerne, kratzt an protestantischer Empfindlichkeit. So lästert der studierte Komponist ungeniert über die evangelische Kirchenmusik, bei der einfach gar keine Freude aufkommen könne. Er fragt: "Wie spirituell ist der Gehalt wirklich noch? Ist dieser Gesang, den wir als Kirchenchoral ablassen, wirklich dazu geeignet, ein göttliches Wesen wohlgefällig zu stimmen?" Oder sei das vielmehr eine Übung für Kirchgänger, bei der sie ihre Seele durch Vokale massierten? Kabarettist Scheibe meint, es könne nicht freudvoll gesungen werden, wenn man einen Choral mit 28 Strophen wegarbeiten müsse. Einzig bei manchen Weihnachtsgottesdiensten oder Ostergottesdiensten, sagt der 55-Jährige dann milde, gelinge das dann doch mit der Freude. Immerhin.

In Scheibes Revue auf der Bühne greift er selbst in die Tasten des verstimmten Kirchenflügels. Singt mal selbstgeschriebene Spaßlieder oder Chansons, so wie dieses Stück über seine Sinnsuche:

Aufreger in der Kirche findet der Hamburger ziemlich viele: Die oft viel zu lange Predigt. Ohnehin die Liturgie der evangelischen Kirche und das ganze Verkopfte – da kennt der Kabarettist wenig Gnade. Aber er verpackt es in humorvolle Beobachtungen, auch den schmerzhaften Spagat der Protestanten zwischen Tradition und Moderne. Da fehlt auch nicht der neidische Blick auf die Katholiken, die immer schon die Retrotour gefahren wären, ohne jeglichen Anspruch, modern sein zu wollen.

Ungewöhnlich ist, dass der Kabarettist mit seinem Programm auch in Kirchen auftritt, um dort mit dem Publikum über Sinn und Spiritualität ins Gespräch zu kommen. Und zwar mit Gläubigen genauso wie mit Atheisten. Ob das klappt? Erst provozieren, dann diskutieren? Scheibe greift zumindest auf Selbsterlebtes zurück, aus der Konfi-Zeit, aus der Yogastunde und das meiste ist auch authentisch. Das sei ihm wichtig, nicht von außen über andere Religionen zu urteilen. Denn Scheibe habe nichts gegen Glauben. Im Gegenteil: "Ich sage ja, dass Glauben gut ist und die Menschen weiterbringt. Das Jesus Christus gelebt hat und sehr kluge Sachen gesagt hat", schiebt er nach.

Nicht Wasser predigen und Champagner aus Maßkrügen saufen

Die Idee, seine eigene Glaubenssuche – gerade weil er immer wieder scheitert – zur Kabarett-Lesung zu machen, kam ihm schon vor Jahren. Zwei Jahre tüftelte an einer Bühnen-Show. Vor ein paar Monaten erschien als Vertiefung des Themas sein Buch "Ogottogott" - die Basis für seine Kabarett-Lesung. Der Stoff ist anekdotisch und manchmal auch nachdenklich. Sein größtes Problem seien nicht die Hardliner oder weltabgewandten Spinner, sondern die "Abzockertypen". Eben diejenigen, "die Wasser predigen und selber Champagner aus Maßkrügen saufen."

Scheibes Glaubenssuche bleibt offen. Seine lebenslange Recherche könne auch so ausgehen, dass es nix mehr werde mit einer spirituellen Beziehung zu jenem "höheren Wesen, das wir Gott nennen" – zitiert er den Schriftsteller Heinrich Böll. Trotzdem ist der schlanke, hochgewachsene Mann immer noch in der evangelischen Kirche. "Weil ich den Verein im Kern noch gut finde", sagt er. Aber die Mitgliedschaft sei "doch mehr passiv". Er habe es halt nie wieder geschafft, Anschluss an eine christliche Gemeinde zu finden.

Dabei ist Scheibe eigentlich ein experimentierfreudiger Mensch. Er liebt Herausforderungen mit offenem Ausgang. So wie er den Chor "Heaven can wait” gegründet hat und seit fünf Jahren leitet. Die Chor-Mitglieder sind zwischen 70 und 92 Jahren. Die alten Sänger singen die Lieder ihrer Enkel, von Jan Delay bis Peter Fox oder Coldplay. Das macht allen total Spaß. Und die Lieder bekommen eine ganz andere Bedeutung aus dem Mund der älteren Generation. Die Liedzeile "Du bist weg" der Band "Fantastische Vier" über die Ex-Freundin erhält bei 75-Jährigen einen ganz anderen, existentiellen Sinn.

In seinen Kabarett-Lesungen breitet Scheibe genüsslich aus, wie Esoterik-Sinnsucher ticken. Wer und warum im überteuerten Reiki-Kurs eine unterwürfige Pose einnimmt. Was Partnerübungen in ihm auslösen. Und wie sich das Öffnen des Scheitel-Chakras anfühlt. Bei allem blitzt der Schalk durch. Schon als Kantoren-Sohn hielt er mit manchem Streich die Kirchengemeinde in Atem. Einmal tauschte er heimlich alle Schoko-Ostereier für die Kinder im Pfarrgarten gegen Weihnachtsmänner aus. Es war DER Skandal nach dem Ostergottesdienst. Dabei wollte er das Osterwunder gar nicht in Frage stellen. Er sah nur nicht ein, was der heidnische Osterhase mit der Auferstehung zu tun haben sollte. Damals kamen seine Scherze nicht immer gut an. Heute ist das anders. Humor kann eben auch sehr befreiend sein.