Lischka warnt vor Inszenierung bürgerkriegsähnlicher Zustände

Der Landesvorsitzende der SPD Sachsen-Anhalt, Burkhard Lischka
dpa/Klaus-Dietmar Gabbert
SPD-Innenexperte Burkhard Lischka warnte vor der Gefahr inszenierter bürgerkriegsähnlicher Zustände in Deutschland.
Lischka warnt vor Inszenierung bürgerkriegsähnlicher Zustände
Nach den Ausschreitungen in Chemnitz hat der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka vor der Gefahr inszenierter bürgerkriegsähnlicher Zustände gewarnt.

"Es gibt in unserem Land einen kleinen rechten Mob, der jeden Anlass zum Vorwand nimmt und nehmen wird, seine Gewaltphantasien von bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf unsere Straßen zu tragen", sagte Lischka der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstag). Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor dem Risiko einer zunehmenden Selbstjustiz.

Lischka sagte mit Blick auf die AfD, dass im Bundestag eine Partei diese Exzesse gegen ausländische Mitbürger als gerechtfertigte Selbstjustiz beklatsche, zeige, "dass die Mehrheit unseres Landes noch viel lauter werden muss, wenn es um Rechtsstaat, Demokratie und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geht".

Der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag), der Staat sei dafür da, mit Polizei und Justiz seine Bürger zu schützen. "Wenn er das in den Augen vieler Bürger aber nicht mehr leisten kann, besteht die Gefahr, dass die Bürger das Recht selbst in die Hand nehmen und auf Bürgerwehren und Selbstjustiz bauen." Dies sei ein erschreckender Trend.

Über die sozialen Medien könnten viele Menschen schnell mobilisiert werden, sagte Malchow: "Aus jeder Dorfschlägerei kann eine Hetzjagd werden." Dabei handle es sich um Straftaten, die hart zu ahnden seien.

Der Staat trage eine Mitschuld an dieser Entwicklung, sagte der GdP-Vorsitzende. Der jahrelange Abbau von insgesamt 16.000 Stellen bei der Polizei habe dazu geführt, dass alle Einsatzkräfte stets verplant seien. "Für Einsatzlagen wie in Chemnitz müssten sich stets mehrere hundert Kollegen in Reserve bereit halten", erklärte Malchow. "Das ist vollkommen unrealistisch."

Hooligan-Szene in Sachsen

Der sächsische Verfassungsschutz wies auf einen Zusammenhang zwischen den Vorfällen und regionalen Hooligan-Gruppierungen hin. "Diese Szene war auch in der jüngeren Vergangenheit wiederholt beteiligt an gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Personen mit Migrationshintergrund", sagte Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath der "Rheinischen Post" (Dienstag). Teil der regionalen gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene seien "aus dem Umfeld des lokalen Fußballvereins agierende, feste rechtsextremistische Hooligan-Strukturen".

Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt warnte vor weiterer Gewalt. Es sei zu befürchten, dass "Chemnitz lediglich der Anfang einer Kette weiterer schlimmer Ereignisse" sei, sagte der Forscher TU Dresden im ZDF-"Morgenmagazin". Viele von der Politik enttäuschte Menschen seien inzwischen nicht mehr erreichbar. Hier müsse der Staat seine "ganze Härte zeigen".

In Chemnitz war es am Montagabend bei neuerlichen Demonstrationen erneut zu Zwischenfällen gekommen. Dabei wurden mindestens vier Menschen verletzt, wie die sächsische Polizei auf Twitter mitteilte. Ausgangspunkt war unter anderem eine Demonstration der rechten Bewegung "Pro Chemnitz", an der sich nach Schätzungen rund 2.500 Menschen beteiligten. An einer Gegendemonstration beteiligten sich nach Schätzungen rund 1.000 Demonstranten.

Auslöser der aufgeheizten Stimmung in der westsächsischen Stadt ist der Tod eines 35-jährigen Deutschen in der Nacht zum Sonntag am Rande des Stadtfestes. Gegen die beiden mutmaßlichen Täter, einen 22-jährigen Iraker und einen 23-jährigen Syrer, war am Montag Haftbefehl erlassen worden.

Als Reaktion auf den Vorfall waren bereits am Sonntag nach Aufrufen in sozialen Netzwerken laut Polizei rund 800 Menschen durch die Chemnitzer Innenstadt gezogen. Bundes- und Landesregierung verurteilten Hetze und Lügen über das Tatgeschehen auf das Schärfste.