Wirbel um Mesut Özils Rückzug aus der Nationalelf

Mesut Özil
Foto: Hannibal Hanschke/dpa
Der Rücktritt von Mesut Özil aus der Nationalelf entfacht eine Integrationsdebatte.
Wirbel um Mesut Özils Rückzug aus der Nationalelf
Die Erklärung von Mesut Özil zur Fußballnationalelf schlägt Wellen. Besonders DFB-Präsident Reinhard Grindel steht nach den Vorwürfen unter Druck.

Der türkischstämmige deutsche Profi von Arsenal London war wegen eines Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor der Weltmeisterschaft in die Kritik geraten. Nach wochenlangen Debatten um seine Person erklärte er am Sonntag, die Begegnung mit Erdogan habe keinen politischen Hintergrund gehabt. Er habe lediglich seinen Respekt gegenüber dem höchsten Amt des Herkunftslandes seiner Familie zum Ausdruck bringen wollen.

Özil beklagte rassistische Angriffe auf ihn im Anschluss an das Foto und erhob Vorwürfe gegen deutsche Medien, den DFB und dessen Präsidenten Reinhard Grindel: "In den Augen von Grindel und seiner Unterstützer bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, aber Einwanderer, wenn wir verlieren." Mit seinem Statement erklärte Özil auch, dass er nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen wolle: "Wie ich vom DFB und anderen behandelt wurde, lässt mich das Nationaltrikot nicht mehr tragen wollen." (Mesut Özils Statements im Wortlaut: Teil 1, Teil 2, Teil 3)

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir erklärte, er finde die Erklärung Özils zu den Erdogan-Fotos falsch, aber bedauerte auch den Rücktritt Özils aus der Nationalmannschaft. "Es ist fatal, wenn junge Deutsch-Türken jetzt den Eindruck bekommen, sie hätten keinen Platz in der deutschen Nationalelf", sagte der Bundestagsabgeordnete der "Berliner Zeitung" (Montag). "Leistung gibt es nur in Vielfalt, nicht in Einfalt. So sind wir 2014 Weltmeister geworden. Und Frankreich jetzt."

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wendet sich gegen die Medienschelte des Nationalspielers. Özil hatte die Zeitungen nicht namentlich genannt, die ihn wegen seiner türkischen Herkunft und nicht wegen sportlicher Leistungen kritisiert haben. "Wenn Mesut Özil Rassismus in deutschen Zeitungsredaktionen am Werk sieht, soll er Ross und Reiter nennen", forderte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Montag in Berlin. "Dann muss darüber diskutiert werden."

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) twitterte am Sonntagabend, es sei ein "Alarmzeichen", wenn ein großer deutscher Fußballer wie Özil sich in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom DFB nicht repräsentiert fühle. Die Integrationsbeauftragte des Bundes, Annette Widmann-Mauz (CDU), erklärte via Twitter, bei allem Verständnis für die familiären Wurzeln "müssen sich Nationalspieler Kritik gefallen lassen, wenn sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben." Zugleich dürfe diese berechtigte Kritik nicht in pauschale Abwertung von Spielern mit Migrationshintergrund umschlagen.

Der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt, tadelte das Verhalten der DFB-Spitze: Grindel habe dazu beigetragen, dass ein "in großen Teilen rassistisch getriebener Feldzug zum Rücktritt eines sportlich talentierten Fußballers" geführt habe. Bozkurt forderte: "Unser politischer Kompass sollte unabhängig der Herkunft einer Person gleich sein". Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfang Bosbach hingegen bezeichnete den Rassismus-Vorwurf Özils im RBB Inforadio als unverständlich. Er kenne DFB-Präsident Grindel schon seit langem, dieser sei kein Rassist. Mit dem Erdogan-Foto habe Özil Wahlkampfhilfe geleistet. Nun versuche er, sich als "Opfer des DFB darzustellen - oder der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland".

Die Bundesregierung würdigte die Leistungen Özils nach seinem Statement. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schätze den zurückgetretenen Fußball-Nationalspieler sehr, sagte eine Regierungssprecherin am Montag in Berlin. Er sei eine "toller Fußballspieler", der Großartiges für die deutsche Nationalmannschaft geleistet habe. Jetzt habe er eine Entscheidung getroffen, "die zu respektieren ist".

Das Verhalten des Deutschen Fußball-Bunds im Fall Özil wollte die Sprecherin nicht kommentieren. Der DFB handele autonom und werde sich sicher mit der Aufarbeitung der gesamten Weltmeisterschaft beschäftigen. Zugleich wies die Sprecherin daraufhin, dass sich der DFB sich mit zahlreichen Projekten für Integration engagiere.

Mesut Özil, 1988 in Gelsenkirchen geboren, wurde 2014 mit der DFB-Auswahl Weltmeister und schoss in 92 Länderspielen 23 Tore für den DFB.