Die Lage ist zunächst ohnehin unübersichtlich, das Wiener Regierungsviertel versinkt im Chaos: Eine unangemeldete Demonstration ist komplett aus dem Ruder gelaufen. Die Versuche der Polizei, die Situation zu deeskalieren, führten prompt zum Gegenteil. Die Bilder prügelnder Männer in Uniform scheinen zu bestätigen, was die Menschen anprangern: Willkür, Gewalt, Staatsterror. Als sich, bildlich gesprochen, der Rauch verzieht, bleibt ein junger Mann leblos zurück: Jakob Volkmann hat einen offenbar tödlichen Hieb auf den Kopf bekommen; die Tatwaffe könnte ein polizeilicher Schlagstock gewesen sein.
Mit ihren Befragungen der an dem Einsatz beteiligten Personen machen sich der Oberstleutnant (Harald Krassnitzer) und die Majorin (Adele Neuhauser) vom BKA natürlich nicht gerade beliebt. Es fallen sinngemäß die üblichen Sätze über den Respekt, den all’ jene verdient hätten, die an vorderster Front ihren Kopf hinhielten, während sie permanent beleidigt und bespuckt sowie mit Flaschen und Pflastersteinen beworfen werden, wie die Rückblenden dokumentieren. Einige scheinen aber auch ein nicht bloß klammheimliches Vergnügen dabei zu empfinden, die Menschen auf der anderen Seite der Absperrung in ihre Schranken zu verweisen.
Bis zu diesem Zeitpunkt entspricht das Drehbuch zu "Wir sind nicht zu fassen!" – der Titel bezieht sich auf ein Flugblatt, das neben dem Toten lag – einem erwartbaren Szenario, wie es zuletzt zum Beispiel das ZDF-Drama "Allein zwischen den Fronten" (2024) geschildert hat. Zu einem großen Krimi mit brisantem Thema wird Rupert Hennings Film, als Eisner (in seinem sechzigsten Fall) und Fellner rausfinden wollen, wer Jakob Volkmann war und auf welche Kreise er sich eingelassen hat. Die Demonstration entpuppt sich als Sammelbecken für Menschen unterschiedlichster Ansichten von ganz rechts bis ganz links, die jedoch ein Motiv vereint: "Hauptsache dagegen".
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Feindbilder sind vielfältig und reichen von allen, die für die als Bevormundung empfundene staatliche Ordnung stehen, bis hin zu den gesellschaftlichen Entwicklungen, die durch die Regenbogenflagge repräsentiert werden. Filmische Galionsfigur ist eine als notorische "Empörungsnudel" bezeichnete Frau, deren aufdringliches Gekreisch allerdings einen ganz bestimmten Zweck erfüllen soll, wie sich später zeigt.
Jakob, ein junger Mann aus gutem Hause, ist in einen jener verschwörungsideologischen Zirkel geraten, die während der Corona-Pandemie enormen Zulauf bekommen haben. Diese Szenen gehören jedoch zu den wenigen schwachen Momenten des Films. Dass die Generationen beim Streit mit den Eltern aufeinanderprallen, passt zwar ebenso ins Bild wie die Unversöhnlichkeit aller Beteiligter, aber Henning (Buch, Regie, Produktion) hat diese Rückblenden mit ihren lautstark vorgetragenen Flugblattsätzen derart auf die Spitze getrieben, dass sie übertrieben wirken. Das gilt nicht nur für den zornigen Jakob und seine Freundin, sondern vor allem für die verstockte Mutter, die den Protest der Jugend als erbärmlich, kindisch und dümmlich bezeichnet.
Ungleich differenzierter und daher deutlich interessanter ist die Sicht des BKA-Duos auf die Dinge, die eine unkontrollierbare Eigendynamik entwickelt haben. Süffisanz und Ironie sind letztlich nichts anderes als Ausdruck ihrer Hilflosigkeit. Dass der bloß scheinbar zur Kooperation bereite Kollege von der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst nur widerwillig die nötigen Informationen herausrückt, macht die Sache nicht einfacher. Auch dieses Element ist bei derartigen Geschichten unverzichtbar, denn die verschiedenen Behörden folgen einer jeweils eigenen Agenda: Eisner und Fellner wollen ein Tötungsdelikt aufklären, die Staatsschützer haben eine gänzlich andere Perspektive.
Kollateralschäden nehmen sie notgedrungen, aber auch mit einem gewissen Desinteresse in kauf, um eine im Hintergrund agierende rechtsextremistische Organisation zu zerschlagen. Nun wandelt sich der Krimi zum fesselnden Polit-Thriller, und spätestens jetzt sprengt der Film die gewohnten Dimensionen des Sonntagskrimis. Irritierend ist allein die mitunter unnötige ruckelige Bildgestaltung, aber das stört nicht weiter. Hennings stets auch von amüsantem Schmäh geprägten bisherigen "Tatort"-Beiträge aus Wien waren allesamt mehr als sehenswert; "Wir sind nicht zu fassen!" setzt diese Tradition nahtlos fort.