Atempause an der Autobahn

Ökumenische Autobahnkirche Waidhaus
Foto: epd/Gabriele Ingenthron
Gunhild Stempel erzählt von ihren kurzen Stipp-Visiten in Autobahnkirchen.
Atempause an der Autobahn
Autobahnkirche Waidhaus in der Oberpfalz: Auftanken für die Seele
Eine Million Menschen besuchen im Jahr Autobahnkirchen. Was sie bei ihren kurzen Stipp-Visiten suchen, erzählt Gunhild Stempel. Sie betreut die Autobahnkirche in Waidhaus in der Oberpfalz.

Das Gebäude hat etwas Trotziges, mit seinem roten Anstrich, seiner Massivität inmitten des flüchtigen Verkehrs. Die Autobahnkirche Waidhaus steht an einem historischen Ort. Bis zum Beitritt Tschechiens zum Schengen-Abkommen befand sich im oberpfälzischen Waidhaus der größte deutsch-tschechische Grenzübergang. Rozvadov auf der anderen Seite ist bekannt für seine Spielkasinos - und seine deutschen Touristen. Die historische Salzstraße Nürnberg-Pilsen-Prag führte hier einst ebenso vorbei wie noch heute der Jakobsweg von Prag nach Santiago de Compostela. Nur 300 Meter entfernt braust der Verkehr der Autobahn A6 Nürnberg-Prag.

Die Kirche ist offen für alle, als Brücke zwischen Ost und West, zwischen Deutschland und Tschechien, und als Brücke zwischen den Konfessionen. Sie ist die erste ökumenische Autobahnkirche Bayerns. Und wenn man so will, ist sie das sichtbar gewordene Lebenswerk Gunhild Stempels.

Um besser einschlafen zu können, drehte die heute 78-Jährige eines Nachts den Fernseher an. "Ich gucke sonst nie. Aber da sah ich einen Film über Autobahnkirchen", erzählt Stempel. Das war die Initialzündung für die Laienpredigerin. Als ob ihr Leben bis dahin noch nicht ausgefüllt genug gewesen war: Sie hatte ihren Mann verloren, drei Kinder zu versorgen und arbeitete als Gymnasiallehrerin.

Ein Rastplatz für die Seele

Doch nun war sie kurz vor der Rente und auf der Suche nach einem Nebenamt. "Überleg doch mal, ob dieses kleine Kirchlein am Ortsrand, eigentlich verfallen, dafür nicht geeignet wäre", habe sie sich gedacht. Dann sollte die Nebenkirche auch noch renoviert werden. Für Stempel war es "die Gelegenheit". "Jetzt konnte ich gar nicht mehr schlafen und dachte immer nur: Das ist es!"

Es gab Hürden zu überwinden, die Genehmigungen beim evangelischen Regionalbischof und katholischen Bischof einzuholen. Als Nebenkirche der katholischen Pfarrkirche in Waidhaus gebaut, wurde das Gotteshaus zur Zeit der Reformation zwar evangelisch, im Zuge der Gegenreformation 1626 aber wieder katholisch. Im Jahr 1782 brannte die Kirche ab und 1851 wurde sie mit Teilen des alten Gebäudes wieder aufgebaut, 2003 dann umfassend renoviert.

Stempel sprach auch mit der "Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen", die sich um die derzeit 44 Autobahnkirchenkirchen in Deutschland kümmert. Im Juli 2004 wurde dann schließlich die ökumenische Autobahnkirche Waidhaus eröffnet. 2013 wurde sie auch Radwegekirche.

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Viele Besucher, Reisende von der Autobahn und den Landstraßen, suchen hier ihren Rastplatz für die Seele. "Nach jedem Besuch unseres Nachbarlands Tschechien verweile ich bei der Rückfahrt gerne in diesem schönen Gotteshaus. Es gibt mir wieder etwas Auftrieb für die kommende Zeit", heißt es im Gästebuch. Oder: "Lass alles gut werden und steh uns bei, Gott. Hilf, dass ich mich wieder auskenne mit mir und meinem Leben."

Jährlich besuchen etwa eine Million Menschen Autobahnkirchen. Eine Befragung ergab, dass es vor allem Menschen sind, die sonst eher selten in Gottesdienste gehen, die sonst wenig Beziehung zur Kirche haben. Die Autoren der Studie sprachen vom "Autobahnkirchen-Sponti": ein Besuch sei "ungeplante Kurzweil zum religiösen Auftanken".

Gerade hat eine Besucherin die Kirche in Waidhaus betreten und zündet am Kerzentisch ein Licht an. Gefragt, an wen sie dabei denke, wendet sich die Frau ab. Nein, sie möchte lieber nicht darüber sprechen. Gunhild Stempel kommt die Kirche manchmal vor wie ein Schiff in Bewegung: "Ich möchte den Menschen sagen: Hör mal, Gott beschützt dich, ihn gibt es. Sonst stünde ich nicht hier."