Medizinethiker: Plastinat in der Kirche ist "Voyeurismus pur"

Plastinat im Gottesdienst in der Osnabrücker Marienkirche
Foto: epd-bild/akg-images/Hermann Pentermann
Rund 200 Besucher haben am Sonntag (08.07.2018) in der Osnabrücker Marienkirche einen Gottesdienst verfolgt, in dessen Mittelpunkt ein präparierter menschlicher Körper stand.
Medizinethiker: Plastinat in der Kirche ist "Voyeurismus pur"
Der Medizinethiker Eckhard Nagel hat die Präsentation eines präparierten menschlichen Körpers im Sonntagsgottesdienst in der Osnabrücker Marienkirche scharf kritisiert. "Das ist Voyeurismus pur", sagte Nagel in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Über die Schöpfung oder die Frage nach der Totenruhe hätte der Pastor auch ohne ein Exponat des Plastinators Gunther von Hagens predigen können.

"Ich glaube, es ist der falsche Weg, Leichen als Kunstwerke zu präsentieren." In einer Kirche halte er das schon gar nicht für nicht akzeptabel - "vor allem wenn man bedenkt, dass solche Plastinate in der Regel in fabrikartigen Hallen in China hergestellt werden."

Der evangelische Pastor Frank Uhlhorn hatte die in Osnabrück gastierende Körperwelten-Ausstellung zum Anlass genommen, ein Exponat aus der Schau für den Gottesdienst am Sonntag in die Kirche zu holen. Anhand eines solchen Exponats lasse sich der Mensch als Kunstwerk anschaulicher machen, sagte er zur Begründung. Von der hannoverschen Landeskirche kam ebenfalls Kritik an dem Gottesdienst. 

Der Mediziner und Theologe Nagel betonte, die Körperwelten-Ausstellungen seien ein "Geschäftsbetrieb, der mit unserem kulturellen Verständnis von der Totenruhe nicht vereinbar ist. Wir können Körper und Geist nicht getrennt denken." Die präparierten Körper und Körperteile betrachte er unter dem Label "Grusel statt Gedenken". Sie zeigten auch, dass den Menschen der gegenseitige Respekt abhandenkomme, betonte Nagel, der 15 Jahre lang Gründungsmitglied des Nationalen Ethikrates war. "Die Plastinate markieren den Verlust des Staunens über das Wunder des Lebens."


Dass die Ausstellungen einen so großen Erfolg hätten, sei nicht verwunderlich. Menschen hätten ein natürliches Interesse daran, mehr über ihren Körper zu erfahren. "Wenn ich mich mit einem Aufklärungsbus über Diabetes in die Fußgängerzone stelle, habe ich auch großen Zulauf." Dass aber von Hagens und sein Team den Erkenntnisgewinn und die Aufklärung als Motiv in den Vordergrund stellten, sei heuchlerisch, findet der Professor am Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth: "Das könnte man viel einfacher auch über Modelle oder Simulationstechnik erreichen."

Sogar in der Medizinerausbildung würden immer häufiger Simulationstrainer eingesetzt, um möglichst wenig Körperspenden nutzen zu müssen. Immerhin stehe bei der Verwendung von Leichen für die Anatomie aber tatsächlich das Lernen im Vordergrund. Für die Menschen, die sich zu Lebzeiten dafür entschieden, sei dies auch ganz klar ausschlaggebend, sagte Nagel. "Und die Präparation findet in einem geschützten Rahmen statt. Da wird die Totenruhe nicht annähernd vergleichbar gestört."