EuGH verdonnert Ungarn und Slowakei zur Aufnahme von Flüchtlingen

Robert Fico und Victor Orban
Foto: dpa/Jakub Gavlak
Deutliches Urteil des EuGH gegenüber dem slowakischen Premierminister Robert Fico (r) und dem ungarischen Premierminister Victor Orban.
EuGH verdonnert Ungarn und Slowakei zur Aufnahme von Flüchtlingen
Der eine Prozess zur Umverteilung von Flüchtlingen ist entschieden, aber der nächste schon im Gespräch: Lenken Ungarns Premier Viktor Orban und Co. nicht ein, könnte nun ihrerseits die EU-Kommission vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Höchstrichterlich entschieden: Ungarn und die Slowakei haben es seit Mittwoch auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) schwarz auf weiß, dass sie Flüchtlinge aufnehmen müssen. Ob und wie sich die Regierungen von Victor Orban in Budapest und Robert Fico in Bratislava dem Luxemburger Urteil beugen werden, ist offen. Und dann sind da noch Polen und Tschechien. Bislang haben die Länder den Brüsseler Beschluss vom 22. September 2015, der nun vom EuGH bestätigt wurde, jedenfalls geflissentlich ignoriert.

Damals, in der Hochphase der Flüchtlingskrise, wollte die Mehrheit der EU-Regierungen Italien und Griechenland entlasten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stimmte in Brüssel mit 22 Amtskollegen für die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen in andere Länder. "Europa kann sich nicht leisten, dass diese Sitzung heute ohne Ergebnis auseinandergeht", warnte de Maizière kurz vor dem Sondertreffen. Nur eine Woche zuvor hatte man sich bereits auf die Umverteilung von 40.000 Menschen geeinigt. Auch dieses Mal gab es zwar ein Ergebnis. Doch trotz aller Bemühungen um Einigkeit stimmten vier Länder, darunter Ungarn und die Slowakei, dagegen, während sich Finnland enthielt.

Die Slowakei hat 16 Flüchtlinge aufgenommen

Fast zwei Jahre halten Budapest und Bratislava ihren Widerstand nun aufrecht, vor allem in der Praxis. 16 Flüchtlinge hat die Slowakei von den ihr zugeteilten 902 aufgenommen, keinen einzigen Ungarn, dessen Verpflichtung auf 1.294 lautet. Der nationalkonservative Orban inszenierte sich derweil immer wieder als Beschützer des ungarischen Volkes gegen ihm von der EU aufgezwungene Migranten. Am Mittwoch wies Ungarns Außenminister Peter Szijjarto das EuGH-Urteil als "unerhört und unverantwortlich" zurück, wie die Deutsche Welle berichtete. Fico hingegen sagte, ebenfalls laut Deutscher Welle, er werde das EuGH-Urteil zwar respektieren, aber die grundsätzliche Einstellung seiner Regierung gegen Flüchtlinge werde sich nicht ändern.

Selbst wenn die Slowakei und Ungarn nun einlenkten, hätte es die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker weiterhin mit Polen und Tschechien zu tun, die noch keinen (Polen) oder kaum einen (Tschechien) der 160.000 Flüchtlinge aufgenommen haben. Die Kommission gilt als "Hüterin der EU-Verträge". Parallel zum EuGH-Prozess hat sie daher selbst das Heft das Handelns in die Hand genommen. Im Juni setzte sie sogenannte Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Polen und Tschechien in Gang; die Slowakei mit ihren 16 Unterbringungen wurde verschont.

Vertragsverletzungsverfahren können in neue EuGH-Prozesse münden. Dieser "letzte Schritt" sei vorstellbar, wenn "in den kommenden Wochen" nichts passiert, drohte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Mittwoch. Vorsorglich wies die Kommission auch darauf hin, dass die EU-Länder nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, wenn in Kürze die Zwei-Jahres-Frist der Beschlüsse von 2015 ausläuft. "Die rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umverteilung endet nicht im September. Die Umverteilungsbeschlüsse des Rates gelten für alle bis zum 26. September 2017 in Griechenland oder Italien ankommenden in Betracht kommenden Personen, die dann noch umverteilt werden müssen."

In anderer Hinsicht kam die Kommission den vier besonders widerspenstigen Regierungen und allen anderen, die ihre Aufnahmequoten noch nicht erfüllt haben - auch Deutschland gehört dazu - entgegen. Avramopoulos korrigierte nämlich die Zahl der noch umzuverteilenden Flüchtlinge stark nach unten. Sein Argument: Längst nicht alle in Italien und Griechenland gestrandeten Migranten seien auch für die Umverteilung in andere Länder geeignet.