Der Luther-Code: "Wie seht ihr die Welt von morgen?"

Der Luther-Code: Alexander Blässle, Entwicklungsbiologe aus Tübingen.
Foto: rbb/SWR/RB/EIKON-Media
Der Luther-Code: Alexander Blässle, Entwicklungsbiologe aus Tübingen.
Der Luther-Code: "Wie seht ihr die Welt von morgen?"
Interview mit Ulli Pfau, Produzent von "Der Luther-Code"
Viele aktuelle Phänomene lassen sich mit Geschehnissen aus der Vergangenheit vergleichen, meint Ulli Pfau, Produzent der Doku-Reihe "Der Luther-Code". In sechs Filmen setzt "Der Luther-Code" historische Personen, die für Freiheit und Veränderung gekämpft haben, in Beziehung zu jungen Menschen, die heute die Welt verändern wollen. Ein Interview über Geschichte, Veränderung und zweimal drei Stunden Fernsehen am Stück.
28.10.2016
evangelisch.de
Lisa Menzel

Was verspricht sich die Eikon von der Ausstrahlung von "Der Luther-Code"?

Ulli Pfau: Weil wir uns nicht nur mit der Zeit der Reformation und Martin Luther beschäftigen wollten, haben wir die These aufgestellt, dass wir heute wieder in einer Zeit des Wandels und großer Umbrüche leben, die man durchaus mit der Zeit um 1500 vergleichen kann. Bedingt durch Globalisierung und Digitalisierung haben wir ganz neue Herausforderungen am Arbeitsplatz, in der Sozialpolitik, und was Privatsphäre und Überwachung anbelangt. Migration ist ein Thema, genauso wie Klima, Hunger, Erschöpfung der Ressourcen und dem "Clash der Religionen" zwischen Islam und Christentum oder auch zwischen Islam und dem Rest der Welt, wenn man so will.

Deshalb fragen wir junge Menschen zwischen 20 und 35: Wie erlebt ihr die heutige Zeit? Was erlebt ihr als ermutigend, was erlebt ihr als bedrohend? Wovor habt ihr Angst? Worauf vertraut ihr? Wie seht ihr die Welt von morgen, für die ihr irgendwann Verantwortung übernehmen müsst? Es sind die unterschiedlichsten Menschen, die wir weltweit gesucht haben: zum Beispiel Theologen, Wissenschaftler, Gen-Forscher, Forscher von künstlicher Intelligenz, Künstler, Schriftsteller, Polit-Aktivisten. Diese Menschen porträtieren wir in sechs Filmen von jeweils einer Stunde und kontrastieren sie mit Personen aus der Geschichte, die in ihrer Zeit die Welt verändert haben. Im 16. Jahrhundert war das Luther, später tauchen andere Figuren auf: Friedrich Engels, Lessing, Leibniz, Bertha von Suttner, Einstein und Bonhoeffer, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

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Alle Filme zusammen sind dann die Reihe "Der Luther-Code", die jetzt von Arte als Auftakt für das Reformationsjahr benutzt wird. Vor dem Reformationstag, also am Wochenende vom 29. und 30. Oktober, wird die Reihe ausgestrahlt. Das Ungewöhnliche ist, dass die Serie nicht mit einer Folge pro Abend oder pro Woche ausgestrahlt wird, sondern dass alle sechs Folgen an zwei Abenden ausgestrahlt werden.

Von Ihnen war also eigentlich vorgesehen, dass alle sechs Filme unabhängig voneinander gesendet werden?

Pfau: Ja. Die Filme sind zwar als Reihe erkennbar, aber sie würden auch als Einzelfilme funktionieren. Arte hat das dann so geballt platziert, dass wir erschrocken und erfreut zugleich waren.

"Wenn man dann drei Folgen am Stück gesehen hat, ist man wohl tatsächlich bettreif"

Wer soll denn die Reihe "Der Luther-Code" sehen?

Pfau: Bei Arte hat man schon ein bestimmtes Publikum vor Augen: Arte guckt, wer "Die Zeit" oder "chrismon" liest oder wer Deutschlandfunk hört. Wir hatten eher ein jüngeres Publikum vor Augen: Etwa die Generation zwischen 20 und 40, der auch unsere Hauptdarsteller angehören. Wen wir tatsächlich erreichen, kann ich nicht prognostizieren.

Was sollten alle Menschen tun, nachdem sie am Wochenende die Reihe "Der Luther-Code" gesehen haben?

Pfau: Ins Bett gehen! (lacht) Es sind drei Stunden pro Abend. Da muss man sich ein bisschen Zeit nehmen und vor allem Lust haben, sich mit etwas Anspruchsvollem auseinanderzusetzen. Wir haben schon sehr viele Aufführungen in verschiedenen Kreisen und Gruppen gemacht. Am Ende war immer Stille im Publikum. Jeder hat den Film erstmal verarbeiten müssen, bevor er was dazu gesagt hat. Wenn man dann drei Folgen am Stück gesehen hat, ist man wohl tatsächlich "bettreif". Das ist der praktische Teil der Antwort.

Der andere Teil der Antwort ist eher auf die Grundfrage bezogen: Was will Fernsehen erreichen? Ich kann das, was ich mache, nur als Beitrag zur öffentlichen Willensbildung betrachten. Wir bei der Eikon haben immer versucht, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen und sie mit den Mitteln des Films abzubilden, zu bearbeiten, sowie seriös, gut und sauber recherchiert zu erzählen und damit ein kleines Puzzlesteinchen an politischer Willensbildung zu liefern. In den Rundfunkgesetzen heißt das: Information, Bildung und Unterhaltung. Es wird ja kein Mensch, der etwas im Fernsehen sieht, am nächsten Tag zum politischen Aktivisten werden.

Als ich das erste Mal vom "Luther-Code" gehört habe, dachte ich gleich, dass es endlich mal etwas Anderes ist über Luther. Trotz "Luther" in der Überschrift ist es nicht die typische Biographie über den Reformator.

Pfau: Ja. Das war unsere Absicht. Und das war auch der Wunsch von Arte.

Was war für Sie in der Produktion die größte Herausforderung?

Pfau: Die Herausforderung war, die damalige Zeit, die wir als Beispiel für Modernisierung und zur Erklärung der heutigen Welt nutzen, mit der heutigen Welt erzählerisch zusammenzubringen. Wir haben zum Beispiel eine Astrophysikerin aus der Schweiz im Film, die sich mit Fragen von unbekannten Planeten beschäftigt. Johannes Kepler hat damals die Planetenbahnen berechnet. Das kann man leicht zusammen sagen, aber das in einem Film zu erzählen, ist relativ schwierig. Dieses Zusammenbringen von Gegenwart und inszenierter Geschichte haben wir in der Form noch nie gemacht. Es hat uns ziemliche Mühen und auch Zeit gekostet, bis wir eine dramaturgische Form gefunden haben, die unterhaltsam ist und den Zuschauer begeistert.

"Immer wieder finden sich Themen, die auch noch in der heutigen Welt eine Rolle spielen"

Warum ist es heute noch so wichtig, sich mit der Zeit der Reformation zu beschäftigen?

Pfau: Phänomene, die uns ganz neu vorkommen, reichen bei näherer Betrachtung historisch oft sehr weit zurück. Die Erfindung des Buchdrucks beispielsweise war eine Medienrevolution, die heute vielleicht mit der Vorstellung des iPhones vergleichbar wäre. Damals konnten nur sehr wenige Menschen lesen. Auf Deutsch wurde nur ganz wenig geschrieben, deshalb mussten die Menschen, wenn überhaupt, Lateinisch lesen. Luther hat durch seine Bibelübersetzung die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Menschen auch verstanden haben, was sie lesen. Auch die Erfindung der Zeitung im frühen 17. Jahrhundert ist ein Phänomen, das vieles verändert hat. Plötzlich wurden Wahrnehmungen und Gerüchte gedruckt, und Sachlichkeit sowie journalistische Unabhängigkeit spielten eine Rolle. Solche Phänomene gibt es immer wieder, deshalb ist die Beschäftigung mit unserer Geschichte so interessant. Immer wieder finden sich Themen, die auch noch in der heutigen Welt eine Rolle spielen.

Welche Projekte außer dem "Luther-Code" hat die Eikon zum Reformationsjubiläum noch umgesetzt?

Pfau: Eikon hat im Rahmen des Reformationsjubiläums vier große Projekte entwickelt. Da ist zum einen "Katharina Luther", ein Fernseh-Spielfilm über Katharina von Bora, der am 8. März 2017, am Internationalen Frauentag, als Event-Film in der ARD ausgestrahlt. Das zweite Projekt ist eine achtteilige Serie "Tatorte der Reformation", für die mein Kollege Thorsten Neumann von Eikon Nord Kriminalgeschichten in der Zeit der Reformation recherchiert hat. Als drittes Projekt wird für Terra X (ZDF) zurzeit die dreiteilige Dokumentation "Der große Anfang – 500 Jahre Reformation" mit Harald Lesch als Moderator gedreht. Und das vierte Projekt habe ich betreut. Das nannten wir mal "Die Neuerfindung der Welt", jetzt heißt es "Der Luther-Code".