"Das geht mir ans Herz"

Ein Mann wandert mit einem Rucksack vor blauem Himmel.
Foto: Getty Images/iStockphoto/master1305
Eine Wanderung ist für Sebastian Gallander wie eine kurze, sehr verdichtete Parabel für das Leben als Ganzes.
"Das geht mir ans Herz"
Sebastian Gallander wandert, um Spenden für den Verein nestwärme zu sammeln. Dafür hat er sich extra Urlaub genommen. Im Interview erzählt er, warum er pflegenden Angehörigen helfen will und was er beim Pilgern über sein Leben gelernt hat.

Was haben Sie vor, Herr Gallander?

Sebastian Gallander: Ich möchte für den Verein nestwärme Spenden sammeln. Er unterstützt Eltern von schwerstkranken und behinderten Kindern, in dem er ihnen zum Beispiel Zeitschenker vermittelt. Das sind Menschen, die sich mit den Kindern für ein, zwei Stunden die Woche beschäftigen. So haben die Eltern mal Zeit zum Durchatmen oder für die gesunden Geschwisterkinder, die so genannten Schattenkinder.

Wie sammeln Sie die spenden?

Gallander: Ich habe mir Urlaub genommen und pilgere auf dem Franziskusweg von Assisi nach Rom. Im Internet habe ich eine Spendenwebsite angelegt. Dort werde ich versuchen, regelmäßig von unterwegs über meinen Reisefortschritt zu berichten: Wo bin ich, welche Tagesetappe habe ich geschafft und was habe ich unterwegs erlebt? Natürlich lade ich auch Fotos hoch. Auf dieser Website kann man direkt spenden und sieht, wieviel Geld schon zusammengekommen ist. Wer Lust hat, kann mir dort auch einen kurzen unterstützenden Kommentar schreiben. Meine Berichte und Fotos verbreite ich zudem über soziale Medien wie Facebook. Ich freue mich natürlich sehr, wenn auch andere die Spendenwebsite über ihren Facebook-Account verbreiten.

"Noch wichtiger ist mir, dass der Zweck meiner Reise bekannt wird."

Warum verbinden Sie Pilgern und Spenden?

Gallander: Ich finde das Prinzip toll, selbst etwas zu geben, eine körperliche Leistung, und dabei für einen guten Zweck zu sammeln. Ich habe in Amerika studiert und dort ist das sehr verbreitet. Das wollte ich auch ausprobieren. Im Jahr 2014 bin ich in 14 Tagen über die Alpen gewandert - auch für den Verein nestwärme. Mein Familien- und Freunde-Netzwerk hat mich damals sehr unterstützt.

Welche Erfahrungen haben Sie bei ihrer Alpenwanderung, ihrer ersten Spendenaktion, gesammelt?

Gallander: Ich hatte zuerst Bedenken, dass die Leute mich missverstehen oder kritisieren, weil das ja noch nicht so weit verbreitet ist in Deutschland. Aber es war überhaupt nicht der Fall. Ich habe ganz viel positives Feedback bekommen. Der harte Kern der Leute, die gespendet und mitgefiebert haben, waren zwar meine Eltern und Freunde, aber über die Verbreitung meiner Aktion in den sozialen Netzwerken, haben auch Leute gespendet, die ich überhaupt nicht kannte.

Was ist ihr Ziel?

Gallander: Ich freue mich über jede Spende, die zusammenkommt. Noch wichtiger ist mir, dass der Zweck meiner Reise, das Thema Pflege von Angehörigen, dass Eltern von schwerstkranken und behinderten Kindern ganz leicht und unmittelbar geholfen werden kann, zu verbreiten. Die Art wie nestwärme hilft, will ich noch bekannter machen. Und wenn jemand jetzt nicht für die Aktion spendet, dann lernt er vielleicht nestwärme kennen und engagiert sich später dort - wird vielleicht selbst irgendwann zu einem Zeitschenker?

Wer möchte, kann die Reise von Sebastian Gallander auf Facebook verfolgen.

Warum pilgern Sie statt selbst regelmäßig Zeit zu spenden?

Gallander: Ich habe einen sehr schwer planbaren Arbeitstag. Deswegen bündele ich mein Engagement, wie jetzt in meinem Urlaub. So ein Engagement als Zeitschenker wäre dann eher etwas für eine andere Lebensphase, wenn ich das besser und verläslich planen kann. Bei meiner Wander-Spenden-Aktion versuche ich zudem einen größeren Hebel zu bewegen, in dem ich versuche, möglichst viele Menschen mit nestwärme bekannt zu machen und dafür zu begeistern. Wie die "Ice Bucket Challenge" gezeigt hat, haben die sozialen Medien manchmal eine effektive Kraft. In kurzer Zeit kann viel passieren. Das würde ich gerne nutzen und einen kleinen Beitrag für etwas Gutes tun.

Spielt der persönliche Kontakt zu anderen Pilgern auf ihrer Wanderung eine Rolle?

Gallander: Dieses Jahr soll ein aktives Pilgerjahr sein. Ich kann bestimmt dem ein oder anderen erzählen, was ich mache. Dann werde ich auf die Website verweisen. Mit ein paar Klicks weiß man, das Geld kommt an und man bekommt eine Spendenquittung. Das ist einfacher, als mit der Klingelbüchse herumzulaufen.

Ihre Reiseberichte sind die Gegenleistung für die Spenden. Welcher Art werden sie sein?

Gallander: Mir ist wichtig, dass meine Berichte eine hoffnungsvolle Tonalität und eine gewisse Leichtigkeit haben - das entspricht dem Geist von nestwärme. Ihnen ist es sehr wichtig zu betonen, dass sie keine Opfer sind. Sie reden nicht über Mitleid und drücken auf die Tränendrüse, sondern sie sagen: 'Wir nehmen das in die Hand und bejahen das Leben.' Das finde ich überzeugend. Natürlich gibt auch mir die ganze Aktion Kraft. Ich bereite mich lange vor, plane die Route, besorge die Ausrüstung und das stimmt mich fröhlich, schafft mir Freude.

Hat das Wandern und darüber zu reflektieren ihre Sicht auf ihr Leben verändert?

Gallander: Eine Wanderung ist für mich wie eine kurze, sehr verdichtete Parabel für das Leben als Ganzes. Man läuft ja nicht die ganze Zeit frohgestimmt und pfeifend. Zwischendurch frage ich mich schon: Warum habe ich mir das angetan? Und wie weit ist es denn noch? Es gibt Etappen, die nicht so schön sind. Aber dieses Hoffen und ein Ziel zu haben, darauf hinzulaufen und durchzuhalten, das hat man, betrachtet man sein Leben als Ganzes, auch.

"Für mich ist es die Essenz des christlichen Glaubens, dass man anderen helfen soll."

Sich für einen guten Zweck zu engagieren, hat ja auch etwas mit Durchhalten zu tun.

Gallander: Ja, mir ist beim Wandern auch bewusst geworden, wie das sein muss, wenn der Lebenserhalt von der körperlichen Leistung abhängt, wie bei Profisportlern. Da habe ich großen Respekt. Aber auch, wenn man durchhalten muss für Menschen, die Hilfe brauchen. Das macht einen dann auch bescheiden und demütig, wenn man gesund ist, die Schuhe schnüren und loslaufen kann. Das ist eine wichtige Erfahrung.

Was ist ihre persönliche Motivtion für nestwärme zu sammeln?

Gallander: Wenn ich pflegende Angehörige in der Öffentlichkeit sehe, in der U-Bahn oder im Park - das erfüllt mich mit einer stillen Bewunderung. Sie beklagen sich oft nicht – so meine Außensicht - sondern kümmern sich besonders liebevoll, obwohl das viel Kraft kosten muss. Deswegen fand ich die Idee von nestwärme sofort überzeugend, dass man mit so ganz einfachen Mitteln so einen großen Unterschied machen kann. Dann habe ich mich mit nestwärme getroffen und der Funke ist übergesprungen. Das strahlt alles so eine Freude und Herzlichkeit aus, dass mich das total überzeugt hat. Und der Verein nestwärme hilft zwar in ganz Deutschland. Das Problem gibt es aber überall und Nestwärme, im wörtlichen Sinne, wird überall gebraucht.

Was ist ihre persönliche Motivation überhaupt zu helfen?

Gallander: Es kommt aus meinem Glauben. Für mich ist es die Essenz des christlichen Glaubens, dass man anderen helfen soll. Deswegen arbeite ich auch im gemeinnützigen Sektor. Bei nestwärme habe ich sofort gesehen, wie unmittelbar ein Bedarf gedeckt wird, durch einen kleinen Hebel wird eine große Wirkung entfaltet. Und das ist etwas, wo wir im Stiftungssektor, wo ich arbeite, immer drüber nachdenken: Wie kann man wirklich durch gemeinnützige Arbeit, Engagement oder Spenden, eine große Wirkung entfalten? Es kommt ja auch vor, dass Geld oder Engagement nicht so richtig wirken. Nestwärme erzielt durch eine sehr einfache Art und Weise, einen sehr großen Nutzen. Und dann noch bei so einem Thema, was mir sehr ans Herz geht.

Sebastian Gallander wandert vom 13. bis zum 27. März 2016 von Assisi nach Rom. Hier geht es zu seiner Spendenaktion.