Braucht Deutschland ein Einwanderungsgesetz?

Nationalflaggen verschiedener Länder hängen an Fenstern eines Mehrfamilienhauses.
Foto: iStockphoto/Arpad Benedek
Braucht Deutschland ein Einwanderungsgesetz?
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Unser Autor hat sich trotzdem lange bemühen müssen, von den politischen Parteien eine Stellungnahmen zum Einwanderungsgesetz zu erhalten. Das sagen die Parteien.

Pro Einwanderungsgesetz

CDU

Die CDU-Pressestelle verweist auf Aussagen ihres Generalsekretärs Peter Tauber: "Deutschland ist ein Einwanderungsland! Dann brauchen wir auch ein Einwanderungsgesetz. Wegen des Fachkräftemangels und der Rentenkasse, weil bald nur noch halb so viele Jüngere die Schulen verlassen wie gleichzeitig in Rente gehen. Wir müssen die bestehenden Regelungen so überarbeiten und erweitern, dass sie verstanden werden; von denen, die zu uns kommen wollen, von Unternehmern, die Fachkräfte suchen, aber auch von den Bürgern, die bislang nicht das Gefühl haben, dass alles gut geregelt ist und deshalb verunsichert sind. Allein 2013 sind über 1,2 Millionen Menschen zu uns gekommen. Allerdings bleibt davon die Hälfte weniger als ein Jahr. Das ist keine Einwanderung. Und der größte Teil kommt durch die EU-Freizügigkeit, vor allem aus Süd- und Osteuropa. Dass wir momentan in Deutschland gerade mal etwas mehr als 20.000 Blue-Card-Besitzer haben, zeigt doch, dass sie nicht so gut angenommen wird, wie wir es uns wünschen und auch brauchen. Wir wollen nicht nur Arbeitskräfte, sondern Bürger. Deshalb brauchen wir eine Debatte über ein Leitbild. Patriotismus kann eine integrative Kraft entfalten. Wir müssen sie davon begeistern, Deutsche zu werden. Im Bereich der Willkommenskultur können wir von Kanada lernen. Dort bekommen Einwanderer ehrenamtliche Paten zur Seite gestellt, die ihnen Werte und Geschichte ihrer neuen Heimat vermitteln. Auch sollten wir in ausgewählten Ländern Einwanderungs-Attachés an unseren Botschaften ernennen und stärker die Auslandsschulen und Goethe-Institute dafür nutzen, für Deutschland zu werben."

SPD

Die Antwort der SPD-Pressestelle aus dem Willy-Brandt-Haus lautet in Auszügen: "Deutschland ist längst faktisch ein Einwanderungsland. Im Jahr 2013 war es nach den USA das beliebteste Einwanderungsland weltweit. Deutschland ist aber auch ein Auswanderungsland. Fast 800.000 Einwohner haben beispielsweise 2013 das Land verlassen. Viele davon Fachkräfte und Hochqualifizierte. Die Bundesrepublik hat zwar bereits ein modernes Zuwanderungsrecht - allerdings auch ein sehr kompliziertes und nicht wirklich transparentes. Oft verstehen nur noch Experten die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten für einen Aufenthaltstitel. Die SPD ist absolut davon überzeugt, dass Deutschland ein Einwanderungsgesetz braucht: Transparente, klare und verständliche Zuwanderungsvoraussetzungen verbunden mit wirkungsvollen Integrationsinstrumenten. Das Einwanderungsgesetz soll das klare Signal aussenden, dass Deutschland um die Einwanderung gut ausgebildeter Menschen wirbt.

Ein flexibles Punkte-System ist hierfür sinnvoll – ähnlich wie in Kanada und anderen klassischen Einwanderungsstaaten. Je nach Bedarf könnte zur Steuerung eine jährliche Quote festgelegt werden, wie viele Personen über das Punktesystem kommen können. Ein Aufenthaltstitel könnte dann zunächst für drei Jahre befristet erteilt und anschließend gegebenenfalls entfristet werden. Hierfür muss die offensive Sprachförderung einen noch größeren Stellenwert bekommen. Wir müssen auch mehr ausländische Studierende für Deutschland begeistern und auch im Ausland mehr Sprachkurse und Deutsch als Studienfach organisieren. Ausländische Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse müssen schneller und umfassender anerkannt werden. Bei allem müssen wir zugleich deutlich machen, dass unsere Sozialstandards dabei nicht unterlaufen werden – Mindestlohn und Tarifbindung soll für alle gelten."

Bündnis 90/ die Grünen

Die Grünen haben Ihre Antwort an das Büro der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt delegiert. Von dort kam diese Stellungnahme: "Wir setzen uns für verlässliche Lösungen mit Weitblick ein – anstatt wie bisher immer nur kurzfristigen Hilferufen aus der Wirtschaft zur Lösung von regionalen oder branchenmäßigen Fachkräftelücken hinter her zu rennen. Hier können wir von dem sog. Punktesystem immer noch viel lernen – auch und gerade, wie wichtig es ist, ein solches Modell mit einem funktionierenden System zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse zu flankieren – um zu vermeiden, dass ausländische Ärzte oder Ingenieure als Taxifahrer enden.

Ohnehin zeigt sich das deutsche Einwanderungsrecht überhaupt nicht vorbereitet darauf, dass Wanderungsprozesse von ArbeitsmigrantInnen in Zeiten der Globalisierung immer einfacher und dynamischer werden. Menschen wandern häufiger als früher zeitweise und zwischen mehr als zwei Staaten. Auch darauf wollen wir mit einem Einwanderungsgesetz reagieren.

Und schließlich: Wir alle wissen, dass die Alterung unserer Gesellschaft zu enormen Herausforderungen für unsere sozialen Sicherungssysteme führen wird. Einwanderung kann helfen diese Entwicklung zumindest abzubremsen. Man muss sich grundlegend Gedanken machen, welche einwanderungspolitischen Instrumente hier weiterhelfen könnten. Die Bundesregierung verschläft diese Fragen seit Jahren. Ein fahrlässiges Manko, das wir Grünen schließen wollen."

FDP

Die FDP hat ein eigenes Einwanderungskonzept erarbeitet. Die Liberalen fordern ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild sowie die Abschaffung des Arbeitsverbots für Asylbewerber. Die Einwanderung solle nach Kriterien wie Bildungsgrad, Sprachkenntnis, Alter und Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt "flexibel gesteuert werden". In dem Beschluss werden zudem beschleunigte Einbürgerungen nach nur vier Jahren sowie die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft gefordert.

Alternative für Deutschland AfD

Eine knappe und schnelle Antwort kam von der Berliner Pressestelle der AfD: "Deutschland braucht eine klare gesetzliche Regelung für die Zuwanderung. Wir favorisieren das kanadische Modell, welches ein Punktesystem nach Qualifikation und Integrationsfähigkeit vorsieht. Auf keinen Fall darf ein Einwanderungsgesetz so gestaltet sein, dass eine weitere unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland ermöglicht wird. Eine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme darf nicht stattfinden, denn sie mildert die Probleme der demographischen Entwicklung nicht ab, sondern verschärft diese."

Contra Einwanderungsgesetz

CSU

Aus der Münchner Pressestelle kam dieses Statement: "Die CSU lehnt ein Einwanderungsgesetz, das zu mehr Zuwanderung nach Deutschland führt, strikt ab. Wir brauchen keine Ausweitung, sondern eine Begrenzung der Zuwanderung. Wer über ein Einwanderungsgesetz diskutiert, setzt daher das falsche Signal. Aus Sicht der CSU sind die derzeitigen Regeln klar und ausreichend. Wir haben das Grundrecht auf Asyl für die politisch Verfolgten, wir haben die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU, und wir haben die Blue Card für Einwanderer von außerhalb der EU – mit erleichterten Bedingungen für Mangelberufe. Darüber hinaus besteht kein Handlungsbedarf."

Die Linke

Die Antwort der Bundesgeschäftsstelle in Berlin in Auszügen: "Einwanderungsgesetze haben einseitig die nationalen Wirtschaftsinteressen im Blick. Menschen werden nach ihrem Nutzen für das Kapital ausgewählt. Wer zu alt oder zu krank ist, den falschen Beruf oder das falsche Geschlecht hat, soll draußen bleiben. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern die Verwertungslogik.

Die Linke hat schon immer die bestehenden bürokratischen Einwanderungsregelungen – zudem mit sperrigen Titeln wie 'Aufenthaltsgesetz' und 'Beschäftigungsverordnung' ausgestattet – kritisiert und eine grundlegende Öffnung des Rechts auf Einwanderung gefordert. Quoten, Kontingente und Punktesysteme sind Instrumente einer menschenverachtenden, selektiven Einwanderungspolitik, die einer menschenrechtsorientierten Migrations- und Integrationspolitik widersprechen. Wer für Punktesysteme und Auslese nach Maßgabe der Wirtschaft eintritt, will gerade keine Rahmenbedingungen für eine sozial gerechte Verteilung schaffen."