Elisabeth-Käsemann-Stiftung will Mahnmal in Argentinien fördern

Foto: epd-bild / Dorothee Weitbrech
Die Tochter des bekannten Tübinger Theologieprofessors Ernst Käsemann schloss sich in Argentinien einem oppositionellen Netzwerk an, das gegen die Menschen verachtende Militädiktatur arbeitete. 1977 wurde sie festgenommen, gefoltert und mit 15 anderen Personen erschossen.
Elisabeth-Käsemann-Stiftung will Mahnmal in Argentinien fördern
Die in Stuttgart gegründete Elisabeth-Käsemann-Stiftung will mit internationalen Programmen an die Opfer von Diktaturen erinnern und demokratisches Bewusstsein stärken.
06.01.2015
epd
Elvira Treffinger

"Erinnerungskultur führt direkt ins Herz einer Gesellschaft", sagte die Gründerin und Direktorin der Stiftung, Dorothee Weitbrecht, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die 48-jährige Historikerin ist die Nichte und Patentochter der 1977 in Argentinien ermordeten Tübinger Theologentochter Elisabeth Käsemann.

Als erstes Projekt will die Stiftung die Errichtung eines Mahnmals auf dem Gelände des einstigen Folterlagers "El Vesubio" der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) unterstützen. Käsemann war in dem Geheimgefängnis gefoltert und dort kurz nach ihrem 30. Geburtstag im Mai 1977 zum letzten Mal lebend gesehen worden. Das Gelände gehört laut Weitbrecht heute der Gemeinde Matanzas, die aber noch zögere, es für eine Gedenkstätte zur Verfügung zu stellen.

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Die Kooperation mit Argentinien hat für die Historikerin wegen der deutschen Verantwortung noch einen besonderen Aspekt. "Denn viele Opfer in Argentinien waren Juden oder jüdischer Herkunft: Die Familien von Emigranten aus Deutschland, die vor den Nazis geflohen waren und in Argentinien wieder zum Opfer wurden", sagte Weitbrecht. "Die argentinische Militärdiktatur war eindeutig antisemitisch."

Ziel der Elisabeth-Käsemann-Stiftung ist nach ihren Worten, neue Formen der Erinnerungskultur zu Diktatur und Holocaust zu fördern: "Was hat den stärksten Effekt auf Jugendliche? Wie kann man gegenseitig von den Erfahrungen profitieren?" Sehr beeindruckt zeigte sich Weitbrecht vom "Parque de la Memoria" in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. "Jedes einzelne Opfer hat dort ein Namensband an einer riesigen Mauer, man hat das Gefühl, man geht kilometerweit daran entlang." Ein Archiv enthalte digitale Porträts der Opfer.

"Argentinien betreibt Erinnerungskultur auf sehr fortschrittliche und engagierte Weise. Davon können wir einiges lernen", unterstrich Weitbrecht. Die Zahl der Toten der Diktatur wird auf bis zu 30.000 geschätzt. Nach der Aufhebung der Amnestiegesetze 2005 kam eine Prozesswelle in Gang. Auch Verantwortliche für die Ermordung Käsemanns wurden mehr als 30 Jahre nach der Tat verurteilt.

Ganz anders sei die Situation in Spanien, wo die Franco-Diktatur (1939-1975) derzeit gar kein Thema sei. "Es dringt in die Tiefe einer Gesellschaft, wenn Gewaltverbrechen ausgeblendet werden und ungesühnt bleiben", sagte Weitbrecht. "Das Unrecht besteht fort, es ist nicht vergangen." Das beeinträchtige das demokratische Bewusstsein.

Zum Umgang mit der Gewaltherrschaft in der jüngeren Geschichte Spaniens und Deutschlands plant Weitbrecht ein gemeinsames Projekt zwischen Stuttgarter und Madrider Schülern. Im Kuratorium der privaten Stiftung sind unter anderem der argentinische Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel (84) und die deutsch-argentinische Psychologin Luisa Wettengel vertreten, deren Bruder Max von der Diktatur ermordet wurde.

Literaturhinweis

Dorothee Weitbrecht, Aufbruch in die Dritte Welt, 421 Seiten, Verlag V&R Unipress, 2012, 39,99 Euro.