Büro oder Burka? Streit um den Vollschleier

Büro oder Burka? Streit um den Vollschleier
Der Fall ist bundesweit wohl einmalig - und er schweißt sogar die Kommunalpolitik zusammen: Eine Mitarbeiterin des Bürgeramtes will verschleiert arbeiten. Für ihren Chef kommt das nicht infrage - und auch bei den Muslimen kann die Frau nicht auf Unterstützung hoffen.
02.02.2011
Von Martin Oversohl

Büro oder Burka? In Frankfurt wird sich eine Mitarbeiterin der Stadt entscheiden müssen. Zwar will die 39-Jährige nach ihrer Elternzeit unbedingt vollverschleiert an den Arbeitsplatz im Bürgerbüro zurückkehren. Doch die Stadt will das mit allen rechtlichen Mitteln verhindern. Auch eine Abfindung, die ein Anwalt der Frau ins Spiel gebracht haben soll, kommt für den Personaldezernenten Markus Frank (CDU) nicht infrage: "Sollte jemand das fordern, werden wir uns nicht darauf einlassen. Hier geht es um Steuergeld", sagte er auf Anfrage.

Die Frau müsse sich in den kommenden Tagen entscheiden, ob sie mit Burka ins Büro kommen oder den Job aufgeben wolle, sagte Frank. Die 39 Jahre alte Deutsche mit marokkanischen Wurzeln müsse unverschleiert erscheinen, ein Kopftuch werde allerdings akzeptiert.

Kurz darauf kündigte Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) ein Burka-Verbot für den öffentlichen Dienst des Landes an: "Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und gerade solche, die Bürgerkontakt haben, dürfen nicht verschleiert sein", sagte er. Die Burka könne als Zeichen einer Haltung gegen die Werte der westlichen Welt verstanden werden.

Frau erschien nicht zur Arbeit

Am Dienstag, dem ersten Arbeitstag nach ihrer Elternzeit, kam die Mitarbeiterin der Stadt Frankfurt noch nicht wie ursprünglich geplant ins Büro. Die Stadt und der Anwalt hatten nach Medienberichten schon am Vorabend verabredet, dass sie zunächst besser zu Hause bleibt - das öffentliche Interesse an dem Fall war einfach zu groß. Nach Franks Worten muss sich offenbar erstmals eine deutsche Großstadt mit einem solchen Fall befassen.

Die Deutsch-Marokkanerin arbeitet seit mehreren Jahren bei der Stadt Frankfurt - bislang ohne Burka. Sie arbeitet im Bürgeramt und hat dort engen Kontakt zu Bürgern. Ihre Burka verhindert nach Franks Ansicht die Nähe zu den Besuchern in der Behörde, zudem sei die Vollverschleierung mit der Emanzipation unvereinbar. "Unsere Mitarbeiter zeigen ihr Gesicht. Das ist eine grundsätzliche Voraussetzung, um Vertrauen aufzubauen", sagte Frank.

Nach unbestätigten Angaben der "Bild"-Zeitung (Dienstag) hat die erste Anwältin der vierfachen Mutter eine Abfindung in Höhe von 40 000 Euro verlangt. Ihr neuer Anwalt fordere sechs Monatsgehälter, was etwa 18.000 Euro entspreche, berichtete die Zeitung.

Muslimische Verbände lehnen Burka-Vorstoß ab

Auch bei muslimischen Verbänden stößt der Vorstoß der Burka-Trägerin auf Unverständnis. "Das ist nicht nur inakzeptabel und absurd, es beruht absolut nicht auf einer islamisch-theologischen Grundlage", sagte Naime Cekir vom Kompetenzzentrum muslimischer Frauen in Frankfurt. Die Forderung der Frau überfordere die Toleranz von Christen, aber auch von vielen Muslimen. "Nicht zuletzt mobilisiert der Streit um die Burka verborgene Ängste", sagte Cekir. "Man sollte es als Einzelfall betrachten."

Auch die CDU geht mit der Frankfurter Burka-Trägerin hart ins Gericht: "Die Burka ist ein Symbol für die Unterdrückung und Entrechtung von Frauen", sagte der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, Ismail Tipi. Außerdem verhindere sie den direkten Blickkontakt von Menschen - und genau dieser sei wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Außerdem verstoße die Frau mit ihrer Burka gegen die staatliche Neutralitätspflicht. Tipi bezeichnete den breiten Konsens der Parteien und Gruppen als "wichtiges Signal".

Die Frankfurter FDP vermutet dagegen keineswegs religiöse Beweggründe der Frau: "Wenn man nun liest, dass die Anwältin einen Auflösungsvertrag angeboten hat, der eine Zahlung von 40.000 Euro beinhaltet, dann wird immer klarer, dass es weniger um religiöse als vielmehr um finanzielle Motive geht", sagte Stefan von Wangenheim, der integrationspolitische Sprecher der FDP-Römerfraktion. Das sei absolut inakzeptabel. "Hier müssen wir eine deutliche Grenze einziehen, auch um Klarheit für die Zukunft zu schaffen."

dpa